| # taz.de -- Verlegerchef über Zukunft der Medien: "Auf Augenhöhe mit Google" | |
| > Weniger Geld für junge Journalisten, mehr Rechte gegenüber Google: So | |
| > sieht Oberverleger Helmut Heinen die bei den Müchner Medientagen | |
| > diskutierte Zukunft der Verlage. | |
| Bild: Weniger Auflage, weniger Werbung: Zeitungen sind in der Krise. | |
| Herr Heinen, das Privatfernsehen hat für das erste Halbjahr 2010 | |
| überraschend gute Zahlen vorgelegt. Gibt es bei den Zeitungen eine ähnliche | |
| Erholung? | |
| Helmut Heinen: Leider nein. In den ersten acht Monaten 2010 mussten wir | |
| weitere, wenn auch geringere Verluste im Anzeigengeschäft verzeichnen. Wir | |
| gehen davon aus, dass sich das nun von Monat zu Monat etwas beruhigt, so | |
| dass wir bis zum Ende des Jahres eine schwarze Null erreichen. Allerdings | |
| haben unsere Rückgänge 2009 fast ausschließlich im Rubrikengeschäft | |
| stattgefunden, das es in TV so nicht gibt. | |
| Was bedeutet das für die Journalisten? Der Manteltarifvertrag für | |
| Redakteure ist gekündigt, Sie verhandeln momentan. Es soll von einem | |
| BDZV-Mitglied den Spruch geben „Journalisten werden künftig mehr arbeiten | |
| und weniger verdienen.“ Stimmt dieser Trend? | |
| Es ist nicht unsere schönste Zielvorstellung, JournalistInnen weniger | |
| verdienen zu lassen. Aber wir müssen angesichts der wirtschaftlichen | |
| Situation schnell wirksame Kostenentlastungen erzielen. Deshalb haben wir | |
| auch den Manteltarifvertrag gekündigt. Wir möchten nicht an die | |
| Monatsgehälter heran, wir wollen auch nicht fundamental alles in Frage | |
| stellen, aber über den Manteltarif ist eine relativ schnelle, | |
| möglicherweise befristete Kostenabsenkung möglich. Vor allem brauchen wir | |
| günstigere Einsteiger-Gehälter, damit wir auch jüngere Journalisten | |
| dauerhaft übernehmen können. | |
| Haben Sie denn die Hoffnung, dass das alles noch einmal unter einen Hut | |
| geht? Schon heute gibt es in vielen Häusern Redakteure erster und zweiter | |
| Klasse: die einen arbeiten nach dem Redakteurstarif, die anderen sind | |
| offiziell Leiharbeiter aus einer verlagseigenen Agentur und bekommen | |
| deutlich weniger. | |
| Der Verband hat sich immer zum Prinzip des Flächentarifs bekannt und wird | |
| das auch weiterhin tun. Die Auslagerungen sind aus unserer Sicht ja gerade | |
| ein Zeichen dafür, dass mit dem Kostenniveau nicht alles stimmt. Davon sind | |
| oft die Nachwuchskräfte betroffen. Deshalb streben wir für die Zukunft eine | |
| Senkung des Tarifs an, denn das ist das beste Mittel, um den Flächentarif | |
| weiter am Leben zu erhalten. Je verträglicher und marktnäher die | |
| Tarifbedingungen, umso größer ist die Akzeptanz. Im übrigen sind | |
| Tarifgehälter Mindestgehälter. | |
| Der BDZV macht sich für ein eigenes Leistungsschutzrecht für die Presse | |
| stark - aber selbst die Union hat – wie jüngst der Vorsitzende der | |
| CDU-Medienexpertenkommission Andreas Krautscheid – mittlerweile arge | |
| Zweifel an der Sinnhaftigkeit des ganzen Unterfangens. Wo genau klemmt es? | |
| Wir haben Mitte des Jahres den Punkt erreicht, an dem eine umfangreiche | |
| Abstimmung mit den Journalistengewerkschaften erfolgt ist. Die | |
| Gewerkschaften werden den Weg mit uns gehen, Einzelheiten vorbehalten. Auf | |
| dieser Basis haben wir im Ministerium Eckpunkte unserer Vorstellungen | |
| vorgetragen. Es ist nun die Entscheidung gefallen, das Thema in den Korb 3 | |
| des Urheberrechts zu verschieben, was die Sache noch einmal komplexer | |
| macht. Die breite Diskussion hat aber meiner Einschätzung nach jetzt erst | |
| eingesetzt. Und da sind leider auch viele Falschinformationen im Umlauf. | |
| Natürlich sind bei so einer Entscheidung die Interessenverbände der | |
| derzeitigen Kostenlosnutzer auch darauf bedacht, Sand ins Getriebe zu | |
| streuen. | |
| Aber es gibt es auch im BDZV Stimmen, die vor zu hohen Erwartungen warnen | |
| und bezweifeln, dass sich darüber für den doch recht kleinteilig | |
| strukturierten Zeitungsmarkt Einnahmen in großem Umfang generieren lassen. | |
| Für große Verlage mag sich das lohnen, für kleinere Zeitungsverlage sei es | |
| aber doch eher symbolisch. | |
| Es wird über das Symbolische hinausgehen, kann aber nicht das Allheilmittel | |
| sein, mit dem wegbrechende Erlöse im Printsektor komplett kompensiert | |
| werden. In welcher Weise Erlöse größeren bzw. kleineren Verlagen zukommen, | |
| kann ich noch nicht sagen. Da fehlen uns noch die Modelle. Dass es auf eine | |
| Bevorteilung der Großen hinausläuft, sehe ich allerdings nicht. | |
| Es gibt auch Stimmen, die das Leistungsschutzrecht nur als ersten Schritt | |
| zu einem Zeitungs-GEMA sehen. Sehen Sie das ähnlich? | |
| Wichtig ist erst einmal das Leistungsschutzrecht. Es ist eine | |
| grundsätzliche Frage, dass über das journalistische Urheberrecht die Rechte | |
| dessen geschützt werden, dessen Leistung nachgefragt wird. Umgekehrt hat | |
| aber auch der Journalist ohne den Verlag keine guten Chancen, seine | |
| Leistung an den Markt zu bringen. Denn viele Leser orientieren sich doch | |
| zunächst mal an der Marke Tageszeitung – und dann erst am einzelnen | |
| Journalisten. Wenn man das Leistungsschutzrecht hat, kann man auf ganz | |
| anderer Augenhöhe mit einzelnen Nutzern wie etwa Google Gespräche führen. | |
| Dann ist es eine Frage der Praktikabilität, ob man sich als Nutzer mit | |
| jedem Verlag, der Leistungsschutzrechte besitzt, einigen möchte, oder ob | |
| nicht eine Verwertungsgesellschaft im Interesse aller ist. Erstmal geht es | |
| jedoch darum, dass dieses Recht überhaupt eingeräumt wird. | |
| Als Modell für private Nutzer wird paid content ja seit zwei Jahren | |
| international heiß diskutiert. In Deutschland sind die Verlage allerdings | |
| sehr zaghaft. Woher kommt das? | |
| Zaghaftigkeit kann ich nicht bestätigen . Mittlerweile gibt es von | |
| Lokalzeitungen kostenpflichtige Apps zum Beispiel für die Berichterstattung | |
| über ihre örtlichen Fußballvereine. Das wird kontinuierlich weitergehen. | |
| Mit einer Zunahme der kostenpflichtigen Angebote werden diese auch mehr ins | |
| Bewusstsein der NutzerInnen gelangen. Wenn wir die Preise nicht überziehen, | |
| könnte sich da durchaus ein Trend entwickelt. | |
| Bei den Honorarsätzen für freie Mitarbeiter hat der BDZV sich nach langen | |
| Verhandlungen mit den Gewerkschaften geeinigt. Bloß werden diese Honorare | |
| bei vielen Blättern, die BDZV-Mitglieder sind, weiterhin nicht gezahlt. | |
| Die Honorarregeln sind für alle verbindlich, das ist der große Schritt. Man | |
| darf nicht übersehen, dass die Regeln für hauptberufliche freie | |
| Journalisten gelten. Das war für uns ein Kernpunkt, da eine große Zahl von | |
| freien Mitarbeitern Nebenberufler sind. In meinem eigenen Haus, der | |
| Kölnischen Rundschau, haben wir bisher eine einstellige Zahl von Fällen, | |
| für die die neuen Honorarregeln in Frage kamen, und in diesen Fällen wenden | |
| wir sie auch entsprechend an. | |
| Viele Freie haben ja die Möglichkeit, die Regeln einzuklagen, laufen dann | |
| aber Gefahr, künftig keine Aufträge mehr zu bekommen. Da wäre es natürlich | |
| hilfreicher, wenn der Verband seine Mitglieder etwas eindrücklicher als | |
| bisher daran erinnert, dass da eine Pflicht besteht. | |
| Unser Verhandlungsführer, Werner Hundhausen, hat das in der | |
| Mitgliederversammlung auch nochmal so ausgesprochen. | |
| Die im Verband Freischreiber organisierten hauptberuflichen Freien haben | |
| auf ihrer Jahreskonferenz dezidiert festgestellt, dass der freie Journalist | |
| nicht umhin kommt, nebenbei von PR und Pressearbeit zu leben. Früher hieß | |
| es bei den Verlegern, Journalisten machen keine PR. | |
| Es ist für den Status des freien Journalisten nicht unvereinbar, für | |
| unterschiedliche Auftraggeber zu arbeiten. Dass man im Einzelfall | |
| ausschließen muss, dass jemand für uns schreibt, der im selben Feld auch | |
| für interessengeleitete Organisationen arbeitet, kann durchaus sein. | |
| Generell sollte in jedem Blatt aber ausreichend Kapazität darauf verwendet | |
| werden, um alle Inhalte auf Interessenkollisionen zu prüfen. Wir machen uns | |
| nicht zu Organen für Pressemitteilungen. Wenn das mit dem Ziel der | |
| Kostenersparnis einherginge, wären wir auf einem völligen Holzweg. | |
| 13 Oct 2010 | |
| ## AUTOREN | |
| Steffen Grimberg | |
| ## TAGS | |
| Schwerpunkt Überwachung | |
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