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# taz.de -- Leistungsschutz-Forderungen der Verlage: "Nie dagewesene Rechtsverw…
> Die Großverlage wollen ein Leistungsschutzrecht etablieren, um online
> Geld zu verdienen. Urheberrechtsexperte Till Kreutzer warnt vor schweren
> Nebenwirkungen für Meinungsfreiheit und Urheberrecht.
Bild: Schon das Lesen der Überschrift könnte kostenpflichtig werden.
taz.de: Herr Kreutzer, in dieser Woche gab es eine Anhörung des
Justizministeriums zum von den deutschen Verlagen geforderten
Leistungsschutzrecht. Vielen ist nicht klar, worum es dabei überhaupt geht.
Können Sie in wenigen Sätzen zusammenfassen, was die Verleger da wollen?
Till Kreutzer: So einfach ist das gar nicht, da es auch bei der Anhörung
nicht eindeutig klar wurde, was die Presseverlage eigentlich wollen. Es
geht wohl um zweierlei: Die Verleger behaupten, dass es nicht möglich ist,
mit ihren Online-Angeboten Geld zu verdienen. Daher suchen sie neue
Einnahmequellen. Die soll nun der Gesetzgeber schaffen, indem er ein
solches Leistungsschutzrechts (LSR) schafft.
Das LSR soll zweierlei Folgen haben: Zum einen sollen News-Aggregatoren
(wie vor allem Google News, aber im Zweifel auch eine Vielzahl anderer
Dienste) Geld dafür bezahlen, dass sie in den Suchergebnisse winzige
Ausschnitte aus den Online-Angeboten der Presseverlage ("Snippets")
anzeigen. Zum anderen sollen "gewerbliche Nutzer" zukünftig dafür bezahlen,
dass sie die frei und kostenlos zugänglichen Online-Angebote der Verlage
(z.B. Welt-Online) nutzen, also dort Artikel lesen.
Von wem wollen die Verlage Geld sehen? Geht es nur gegen Google oder die
gesamte Wirtschaft?
So gesehen geht es gegen die gesamte Wirtschaft. Und nicht nur das: auch
Freiberufler, freie Journalisten, Grafiker und andere sind "gewerbliche
Nutzer", wenn sie im Rahmen ihrer Berufsausübung Angebote der Presseverlage
im Netz nutzen. Sie alle werden zahlen müssen.
Wie Sie schon erwähnt haben, wollen die Verlage auch einzelne Schlagzeilen
und "Snippets" wie "WM-Neuling Slowakei schoss Italien sensationell mit 3:2
ab" lizenzpflichtig machen. Beißt sich das nicht mit dem Urheberrecht oder
gar dem Recht auf freie Meinungsäußerung?
Das beißt sich insbesondere mit den elementaren Grundsätzen des
Urheberrechts. Das Urheberrecht hat eine Ausgleichsfunktion. Es soll die
Interessen der Rechteinhaber und die Interessen der Allgemeinheit
ausbalancieren. Ein Recht, das kurze Wortfolgen, Überschriften und
Satzteile einem Monopol unterwirft, würde letztlich auf eine
Monopolisierung der Sprache selbst hinauslaufen. Natürlich betrifft das
dann auch die Freiheit zur Meinungsäußerung und darüber hinaus alle anderen
Kommunikationsgrundrechte und vieles mehr.
Der Plan scheint, wenn man ihn sich näher betrachtet, ziemlich gewagt zu
sein, zumal ja auch schon das Urheberrecht die Texte der Verlage schützt?
Auch diesbezüglich bestehen nach wie vor allerhand Unklarheiten. Zunächst
stellt sich die Frage, wozu das LSR überhaupt gebraucht wird, also wo die
Schutzlücke ist. Die Verlage lassen sich in aller Regel [1][so weitgehend
wie möglich] die urheberrechtlichen Nutzungsrechte von den Journalisten
übertragen. Diese Rechte bieten einen äußerst weitgehenden Schutz an den
Inhalten der Online-Angebote der Verlage.
Aber natürlich schützt das Urheberecht nicht gegen die Übernahme von
Snippets, um ausreichend Freiräume für die Allgemeinheit zu belassen. Und
das Urheberrecht betrifft auch nicht den Werkgenuss, gleich ob zu
gewerblichen Zwecken oder privat. Bislang kann niemand verbieten, dass ein
Buch gelesen, ein Film gesehen oder ein Musikstück angehört wird. Auch das
soll das LSR ändern, indem es eine Art "Leserecht" für die Verlage erzeugt.
Recht schwer zu verstehen sei, sagt zum Beispiel die Internet-Industrie,
dass die Verlage Geld von Suchmaschinen sehen wollen, obwohl die doch auf
sie verlinken, ihnen also Nutzer verschaffen. Ergo: Warum verabschieden sie
sich nicht von sich aus von Google und Konsorten? Technisch wäre das leicht
machbar.
Die Verlage wollen natürlich weiterhin die vielen Nutzer auf ihren Seiten
haben, die über die Suchmaschinen und News-Aggregatoren auf ihre Seiten
kommen. Dass diese Dienstleistung von Google und Co. kostenlos erbracht
werden, reicht ihnen aber nicht. Sie wollen dazu auch noch Geld von den
Dienstleistern. Eine verkehrte Welt: Üblicherweise bezahlt man einen
Dienstleister, wenn er für einen tätig wird und nicht umgekehrt.
Verstehen Sie die Verlage, wenn sie sagen, sie könnten sich nicht so
einfach aus Google verabschieden, sie bräuchten aber dennoch eine
Lizenzgebühr?
Verständlich ist alles. Ich würde auch wollen, dass der Gesetzgeber ein
Gesetz macht, das mir weitere Einnahmen beschert, ohne das ich dafür etwas
tun muss. Aber die Frage ist doch, ob und aus welchen Gründen das
gerechtfertigt sein kann. Es wird behauptet, ein solches Recht müsse
geschaffen werden, weil Verlage im Netz kein Geld verdienen könnten, daher
sei ohne ein solches Recht die Zukunft des Qualitätsjournalismus gefährdet.
Belege für diese Behauptung gibt es keine, sie wurden auch bei der Anhörung
– trotz mehrfacher Nachfrage – nicht präsentiert.
Im Gegenteil: Durch neue Technologien – wie derzeit das iPad – entstehen
ständig neue Möglichkeiten, Geschäftsmodelle zu entwickeln und
gegebenenfalls den alten hinzuzufügen. Es sollte jedem klar sein, dass ein
LSR erhebliche negative Auswirkungen hätte. Ein solches Recht aufgrund von
unbelegten Behauptungen zu schaffen, wäre ein fataler Fehler.
Die Verlage sagten bei der Anhörung im Justizminsiterium, es werde von
Deutschland aus "ein Signal für die weltweite Pressewirtschaft" erwartet.
Wie sähe denn ein Internet mit Leistungsschutzrecht potenziell aus?
Da nicht klar ist, was das LSR denn nun genau bewirken soll, ist es schwer,
das präzise zu prognostizieren. Nach meinem Verständnis würde das LSR auf
der einen Seite erhebliche Belastungen für die Wirtschaft nach sich ziehen,
die sich aufgrund dessen einer weiteren "PC-Gebühr" ausgesetzt sähe. Alle
Profinutzer, die die frei im Netz verfügbaren Inhalte der Presseverlage
ansehen, sollen schließlich für das Lesen Geld bezahlen.
Zum anderen würde das Konstrukt, kleine Ausschnitte von Texten zu schützen,
meines Erachtens zu einer nie da gewesenen Rechtsverwirrung führen. Denn es
würde sich ständig die Frage stellen, ob man bestimmte Worte schreiben oder
ob und wie auf bestimmte Inhalte hinweisen darf, ohne dabei gegen das LSR
zu verstoßen. Das beträfe jeden, der im Internet publiziert, also z.B. die
Blogosphäre. Die Verlage sind der Ansicht, dass dieses Problem aufgrund
ihrer Konstruktion des LSR nicht besteht. Wie man das allerdings vermeiden
will, ist mir nicht klar geworden.
Die Verlage wollen die Abrechnung [2]["am HTML-Code festmachen"]. Was ist
das für ein Konstrukt?
Das müssen sie die Verlage selbst fragen. Ich habe nicht verstanden, was
das soll.
Für wie realistisch halten Sie die Umsetzbarkeit? Ist nicht zu erwarten,
dass sich insbesondere die deutsche Firmenlandschaft massiv gegen eine
solche neue Abgabe wehren würde?
Bislang haben sich die großen Industrieverbände oder die öffentliche Hand –
die meines Erachtens genauso Gefahr läuft, die PC-Gebühren zahlen zu
müssen, weil auch ihre Mitarbeiter auf beruflich genutzten PCs die Welt
oder Spiegel online lesen – noch nicht zu Wort gemeldet. Einzig die
IT-Wirtschaftsverbände Bitkom und eco e.V. scheinen sich derzeit bewusst zu
sein, was da auf sie zukommen könnte. Meines Erachtens ist es höchste Zeit,
etwa für den BDI und die Mittelstandsvereinigungen, sich in die Debatte
einzuschalten.
Die Journalistenverbände scheinen eine [3][zwiespältige] [4][Haltung] zum
Thema zu haben. Einerseits hoffen sie auf neue Finanzierungsquellen,
andererseits trauen sie den Verlagen nicht so recht. Ist das
gerechtfertigt?
Das Leistungsschutzrecht soll ein Leistungsschutzrecht für Verlage und kein
Leistungsschutzrecht für Journalisten sein. Meiner Meinung wären die
Journalistenverbände gut beraten, sich auf keinerlei Schulterschluss mit
den Verlegern einzulassen, bevor nicht die Frage geklärt ist, ob und
inwiefern die Journalisten hiervon profitieren würden und – vor allem –
welchen Schwierigkeiten sie sich hierdurch ausgesetzt sehen würden.
Um diese Frage beantworten zu können, müsste aber eine analytische
Folgenabschätzung durchgeführt werden, die sich weniger darauf bezieht, wie
das Recht ausgestaltet werden soll, sondern ob es ein solches überhaupt
geben sollte. Dass verdi (DJU) und DJV schon seit einiger Zeit mit den
Verlegerverbänden über das Wie eines solchen Rechts verhandeln und nur
Freischreiber noch die Ob-Frage stellt, finde ich schon sehr verwunderlich.
Freie Journalisten bedienen sich, ebenso wie ihre angestellten Kollegen,
vielfach Informationen aus anderen Medien. Werden die auch zahlen müssen?
Wie gesagt – im Zweifel schon, denn auch sie sind gewerbliche Nutzer. Das
ist natürlich ein wichtiger Aspekt im Zusammenhang mit der Frage, was denn
die Journalisten von dem LSR hätten. Einerseits sollen sie – so die Zusage
der Verlage – zwar was von den Einnahmen aus dem LSR abbekommen.
Andererseits werden sie im Zweifel aber auch die PC-Gebühr zahlen müssen.
Meine Frage an die Verlagsvertreter bei der Anhörung, ob in dieser
Konstellation für die Journalisten denn noch ein finanzieller Vorteil
bliebe, wurde nicht beantwortet.
1 Jul 2010
## LINKS
[1] /1/leben/medien/artikel/1/meister-der-enteignung/
[2] http://www.netzpolitik.org/2010/live-anhoerung-zum-leistungsschutzrecht/
[3] http://www.djv.de/SingleNews.20+M5a046792364.0.html
[4] http://www.freischreiber.de/home/freischreiber-zum-leistungsschutzrecht-ein…
## AUTOREN
Ben Schwan
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