# taz.de -- Demonstranten fordern Volksentscheid: Stuttgart ist nicht die Schwe… | |
> S21-Gegner werben in Berlin für Schweizer Verhältnisse. Doch die | |
> Wahrscheinlichkeit eines Volksentscheides über einen Baustopp geht laut | |
> Ministerpräsident Mappus "gegen null." | |
Bild: Verirrt? Stuttgarter Bahnhofsgegner, hier vor dem Berliner Hauptbahnhof. | |
BERLIN taz | Ach, sie wären ja so gerne Schweizer. Doch sie dürfen es nicht | |
sein. Hier in der Otto-von-Bismarck-Allee 4a, direkt gegenüber dem | |
Bundeskanzleramt in Berlin, zerbersten all ihre Träume an der | |
Eingangspforte der Schweizer Botschaft: Nein, dem Antrag auf Asyl wird | |
nicht stattgegeben. Und eine Volksabstimmung? Nicht für sie. | |
An diesem Dienstag ist die Stuttgarter Schwabenrevolte in Berlin. Sie sucht | |
nach Auswegen aus einer verfahrenen Situation im Süden der Republik. An der | |
Schweizer Botschaft beginnt für sie ein Tag voller Protestnoten und | |
Hilfsgesuche: Rund 600 Stuttgarterinnen und Stuttgarter sind im Sonderzug | |
nach Berlin gekommen, um einen Tag lang die Republik noch wacher zu | |
rütteln, als sie ohnehin schon ist. Für mehr Bürgerbeteiligung und echte | |
Volksabstimmungen. | |
"Für uns ist die Schweiz ein interessantes Vorbild, denn dort zeigt sich: | |
Es ist eben kein Widerspruch, auch ein Großprojekt einer Volksabstimmung | |
zuzuführen", sagt Valentin Funk von den Stuttgarter "Parkschützern". | |
In der Schweiz war vor wenigen Tagen der Durchbruch des längsten | |
Eisenbahntunnels der Welt gelungen. 63,5 Prozent der Schweizer hatten sich | |
in einer Volksabstimmung 1992 für den Bau des Projektes ausgesprochen. Und | |
ein solches Mitspracherecht wünschen sich heute auch viele | |
Baden-Württemberger, die im Streit um das umstrittene Großbauprojekt | |
"Stuttgart 21" einen Volksentscheid einfordern. Bei dem Vorhaben soll der | |
oberirdische Kopfbahnhof um 90 Grad gedreht in einen unterirdischen | |
Durchgangsbahnhof verwandelt werden. Dagegen gibt es seit Monaten Proteste. | |
Neben den Schweizer Adressaten waren die schwäbischen Tagesdemonstrierenden | |
in Berlin auch auf gute Kontakte ins Regierungsviertel aus. Am Mittag | |
trafen sie Politiker verschiedener Bundestagsfraktionen. Für den Abend war | |
eine Kundgebung vor der Konzernzentrale der Deutschen Bahn geplant. | |
Zahlreiche Politiker nutzten den Protestbesuch auch für die eigenen | |
Parolen: Grünen-Chef Cem Özdemir forderte die Bahn erneut auf, das Projekt | |
zu stoppen. Auch die Spitzen der Linkspartei begrüßten die friedfertigen | |
Schwabenaufständischen. Dafür darf den Politikern Beifall in | |
Baden-Württemberg sicher sein, wo CDU, FDP und SPD, allesamt erklärte | |
Projektbefürworter, derzeit unter massiven Umfragetiefs zu leiden haben. | |
Wohlstand und Widerstand | |
Die Kanzlerin Angela Merkel (CDU) bekamen die angereisten Bahnhofsgegner | |
dagegen nicht zu Gesicht. Diese schob stattdessen auf einer | |
Bundesdelegiertenkonferenz der Senioren-Union im 500 Kilometer entfernten | |
Recklinghausen den Schwaben erneut den Schwarzen Peter zu: Mit Widerstand | |
gegen große Infrastrukturprojekte werde Deutschland seinen Wohlstand auf | |
Dauer nicht halten können, sagte Merkel. Einschränkungen der Einzelnen | |
seien notwendig, damit die Gesellschaft als Ganzes vorankommen könne. | |
Während die baden-württembergische SPD am Dienstag neue Gutachten zur | |
Durchführbarkeit eines Volksentscheides vorlegte und sich erneut dafür | |
aussprach, bekräftigte der zuständige Ministerpräsident Stefan Mappus die | |
Linie seiner Parteichefin und schloss einen Volksentscheid kategorisch aus: | |
"Die Wahrscheinlichkeit geht gegen Grenzwert null", sagte er in Stuttgart. | |
Tja, liebe Stuttgarter, wird nix mit Schweizer Verhältnissen. Müsst ihr | |
alles selber machen. Und tatsächlich: Am Dienstagabend sollte es auch schon | |
wieder zurück in die Heimat gehen. Dort wird jetzt weitergekämpft. Für neue | |
Stuttgarter Verhältnisse. | |
27 Oct 2010 | |
## AUTOREN | |
Martin Kaul | |
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