# taz.de -- Wem gehört das Wasser?: Das Comeback der Stadtwerke | |
> Kampf um kommunalen Besitz: Nicht nur in Berlin steht der Verkauf der | |
> Wasserbetriebe stark unter Beschuss. Auch anderswo wollen Bürger die | |
> Hoheit über ihre Stadtwerke zurück. | |
Bild: Wasser fließt immer - aber wer kontrolliert den Rohstoff? Immer mehr Kom… | |
Immer mehr Kommunen wollen wieder volle Kontrolle über ihre Stadtwerke | |
gewinnen. Nach der Privatisierungswelle der 90er Jahre gebe es nun wieder | |
einen klaren Trend zur Rekommunalisierung der öffentlichen Infrastruktur, | |
sagte Wolfgang Prangenberg, Leiter der Kommunikation beim Verband | |
kommunaler Unternehmen (VKU) am Montag der taz. | |
Allein im vergangenen Jahr habe der Verband rund 50 Neugründungen von | |
Stadtwerken gezählt. Denn viele Verträge, mit denen Kommunen die Energie- | |
und Wasserversorgung in private Hände gegeben hätte, liefen nach 15 bis 20 | |
Jahren aus und müssten neu verhandelt werden. Diese Gelegenheit nutzten | |
viele Gemeinden, auch wegen schlechter Erfahrungen mit den privaten | |
Eigentümern. | |
Berlin: In der Hauptstadt sind die Wasserpreise seit der Teilprivatisierung | |
1999 doppelt so stark gestiegen wie im Bundesdurchschnitt. Das hat etwas | |
mit den Verträgen über die Wasserprivatisierung zu tun, die das Land mit | |
Konzernen geschlossen hat und die diesen hohe Renditen garantieren. Bislang | |
waren die Verträge geheim. Rund 280.000 Berliner haben sich aber in den | |
vergangenen Monaten durch ihre Unterschrift für ein Volksbegehren für die | |
Veröffentlichung ausgesprochen. Die taz hatte die Dokumente am Wochenende | |
enthüllt und über ihre Internetseite einer breiten Öffentlichkeit | |
zugänglich gemacht. | |
Stuttgart: In der Schwabenmetropole wird nicht nur über einen Bahnhof | |
gestritten. Eine Bürgerinitiative kämpfte jahrelang darum, die geheim | |
gehaltenen Kaufverträge einzusehen und die an den Energiekonzern EnBW | |
verkaufte Wasserversorgung zurückzugewinnen. "Was bei uns gelaufen ist, das | |
war einmalig", sagt Werner Weber von der Initiative "Stuttgarter | |
Wasserforum" der taz. Über Beteiligungsverkäufe und Fusionen sei 2002 der | |
Wasserversorgungsbetrieb der Stadt Stuttgart zu 100 Prozent bei EnBW | |
gelandet. "Die Gemeinderäte haben damals etwas unterschrieben, von dem sie | |
jahrelang nicht wussten, welche Tragweite es hat", sagt Weber. | |
Zwar seien die Verträge noch immer unter Verschluss. Auf Druck eines | |
Bürgerbegehrens hat der Stuttgarter Gemeinderat allerdings im Juni | |
beschlossen, den Wasserversorgungsbetrieb zurückzukaufen. Die | |
Verhandlungsposition ist günstig, denn Ende 2013 läuft der | |
Versorgungsvertrag zwischen dem Privateigentümer und der Stadt aus. "Aber | |
jetzt geht auch das Gepoker los", sagt Weber. Bei der Bürgerinitiative wird | |
vermutet, dass die Wasserversorgung damals nahezu verschenkt wurde, für den | |
Rückkauf muss die Landeshauptstadt wohl tief in die Tasche greifen. | |
Braunschweig: Hier ist die Protestbewegung mittlerweile von der Straße in | |
das Rathaus eingezogen. Die Bürgerinitiative BIBS wählten bei der letzten | |
Kommunalwahl 7 Prozent der Wahlberechtigten. Sie will dort die Vorgänge um | |
die Veräußerung der kommunalen Abwasserwirtschaft aufklären. Diese | |
verkaufte Braunschweig 2005 unter Führung des CDU-Oberbürgermeisters Gert | |
Hoffmann an den französischen Konzern Veolia. Durch die erzielten | |
Verkaufserlöse von 240 Millionen Euro könne der Stadthaushalt saniert | |
werden, so Hoffmanns Argument. | |
Die genauen Umstände des Verkaufs hielt das Braunschweiger Rathaus lange | |
geheim. Recherchen der Bürgerinitiative ergaben jedoch: Statt 240 Millionen | |
Euro zahlte Veolia ausschließlich 24 Millionen Euro. Selbst diese 24 | |
Millionen Euro flossen jedoch aus einem von der Stadt ermöglichten Kredit, | |
den die Bürger Braunschweigs durch ihre Abwassergebühren mittragen. Veolia | |
musste somit für den Kauf der Abwasserwirtschaft keine Eigenmittel | |
einsetzen. | |
2 Nov 2010 | |
## AUTOREN | |
S. Kosch | |
F. Dachsel | |
M. Heim | |
## TAGS | |
Privatisierung | |
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