# taz.de -- Privatisierung der Wasserversorgung: Juristisch ziemlich wasserdicht | |
> Eine Kommune, die ihre Wasserwerke wieder allein kontrollieren will, hat | |
> es vor Gericht schwer. Die Kunden haben eine Chance, wenn ein Monopol | |
> missbraucht wird. | |
Bild: Nicht nur beim Händewaschen begehrt: Wasser. | |
Die Privatisierung von kommunalen Wasser- und Energieversorgern führt fast | |
zwingend zu höheren Preisen für die Bürger, weil nun auch private Gewinne | |
erwirtschaftet werden müssen. Dieser Eindruck entstand in Berlin nach der | |
Teilprivatisierung der Wasserbetriebe 1999, als 49 Prozent des Versorgers | |
an RWE und Vivendi/Veolia verkauft wurden, und wird durch die von der taz | |
veröffentlichten Geheimverträge bestärkt. Können sich Kommunen und Bürger | |
dagegen wehren? | |
Wenn ein Anteil des Unternehmens verkauft ist, dann ist er erst einmal weg | |
und müsste teuer zurückgekauft werden. Daran haben die privaten Unternehmen | |
RWE und Veolia in Berlin tendenziell kein Interesse, weil ihnen durch | |
Verträge mit der Stadt eine gute Rendite garantiert wurde. Diese Verträge | |
können regulär erst 2028 gekündigt werden. | |
Eine außerordentliche Kündigung ist auch nicht möglich, weil die Privaten | |
ja nicht gegen die Verträge verstoßen, wenn sie die vereinbarte Rendite | |
fordern. In Berlin ist die Eigenkapitalrendite sogar gesetzlich festgelegt. | |
Das Berliner Landesverfassungsgericht hat die derzeitige Berechnung der | |
Rendite im Juli 2010 für verfassungsgemäß erklärt. Der Gesetzgeber habe bei | |
der Festlegung der Wasserentgelte Gestaltungsspielraum. Die Möglichkeit, | |
Renditen im Gesetz festzuschreiben, ist eine Besonderheit des Berliner | |
Stadtstaats, wo Kommunalpolitiker selbst Gesetze machen können. | |
Allerdings können Verbraucher gegen die hohen Wasserpreise klagen. Bei | |
(teil)privatisierten Stadtwerken sind die Zivilgerichte zuständig. | |
Verbraucher könnten geltend machen, dass die vom Monopolisten einseitig | |
festgesetzten Preise "unbillig", also unangemessen sind (Paragraf 315 | |
Bürgerliches Gesetzbuch). Allerdings dürfte die bloße Einrechnung einer | |
Eigenkapitalrendite in den Wasserpreis noch nicht unbillig sein, es ist | |
sogar üblich. | |
Ein Beispiel: Die Bundesnetzagentur erlaubt bei der Berechnung von | |
Strom-Durchleitungsgebühren einen Eigenkapital-Zinssatz von 7,56 Prozent | |
bei Altanlagen und 9,29 Prozent bei Neuanlagen. In den Berliner | |
Wasserverträgen ist eine Kapitalverzinsung von rund 8 Prozent vorgesehen. | |
Nichts außergewöhnliches also. | |
Kontrollieren können schließlich auch die Kartellämter. Bei den Berliner | |
Wasserbetrieben ermittelt derzeit das Bundeskartellamt, ansonsten sind | |
Landesbehörden zuständig. Die Kartellbehörden vergleichen die Wasserpreise | |
verschiedener Anbieter und gehen davon aus, dass besonders hohe Preise auf | |
einem Missbrauch der Monopolstellung beruhen. Nun muss der Anbieter | |
beweisen, dass er aufgrund unbeeinflussbarer lokaler Besonderheiten teurer | |
ist als andere. | |
Der Bundesgerichtshof hat das Verfahren im Februar 2010 am Beispiel der | |
Wasserpreise in Wetzlar gebilligt. Die Art der Finanzierung des | |
Unternehmens kann dabei laut BGH keine überhöhten Preise rechtfertigen. | |
Renditen kann also nur auszahlen, wer zugleich keine überhöhten Preise | |
verlangt. | |
Die Kartellbehörde weist allerdings darauf hin, dass nicht nur | |
(teil)privatisierte Versorger eine Rendite erwirtschaften. Auch bei rein | |
kommunalen Stadtwerken sei es üblich, dass im Energie- und Wasserbereich | |
Überschüsse angestrebt werden, die dann zur Finanzierung eines möglichen | |
Defizits im Nahverkehr verwendet werden oder in den allgemeinen | |
Kommunalhaushalt fließen. | |
4 Nov 2010 | |
## AUTOREN | |
Christian Rath | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Neue Gesichter in Karlsruhe: Das Verfassungsgericht wird bunter | |
Drei neue Richter für das Bundesverfassungsgericht werden am Donnerstag | |
bestimmt. Die Nachfolge wird zwischen den Parteien verhandelt. | |
Wenn Gemeinden teuer privatisieren: Schuld sind nicht die Neoliberalen | |
Die taz-Enthüllung der Berliner Wasserverträge zeigt: Verkaufen Kommunen an | |
Private, verlieren meist die Bürger. Doch oft haben die Gemeinden gar keine | |
andere Wahl. | |
Wem gehört das Wasser?: Das Comeback der Stadtwerke | |
Kampf um kommunalen Besitz: Nicht nur in Berlin steht der Verkauf der | |
Wasserbetriebe stark unter Beschuss. Auch anderswo wollen Bürger die Hoheit | |
über ihre Stadtwerke zurück. | |
Von der taz veröffentlichte Geheimverträge: Wasserbetrieben droht Klagewelle | |
Insgesamt 84 Millionen Euro zu viel im Jahr zahlen die Berliner für ihr | |
Wasser. Die Tarife sind rechtswidrig, wer als Kunde weniger zahlen will, | |
muss jedoch vor Gericht ziehen. |