# taz.de -- Niederlage der US-Demokraten: "Er hatte keine Chance" | |
> Zu Besuch bei einer Party schwarzer Anhänger der Demokraten: Warum sie | |
> das Ergebnis für Rassismus halten und trotzdem optimistisch sind. | |
Bild: "No, we can't": Enttäuschte Unterstützerin Obamas. | |
WASHINGTON taz | Für Aretha und Davena ist der Abend ein Fest. Sie stehen | |
an einer Bar in dem Nachtclub im Nordosten von Washington. In glitzernder | |
Partykleidung, auf Schuhen mit Pfennigabsätzen und jede mit einem Glas, in | |
dem Eisstückchen in Alkohol schwimmen. Die beiden Frauen feiern den | |
Wahlsieg von Vince Gray. Der 67-jährige afroamerikanische Demokrat ist am | |
Dienstag erwartungsgemäß zum neuen Bürgermeister gewählt worden. | |
Für das, was im Rest des Landes an diesem Wahltag passiert ist, fällt den | |
beiden Demokratinnen ein Stichwort ein: "Rassismus". "Das weiße Amerika | |
wartet von Anfang an auf das Scheitern des schwarzen Präsidenten", sagt | |
Aretha. | |
Mehrere hundert Leute aus der afroamerikanischen Mittelschicht, aber auch | |
einige Dutzend weiße und asiatische Washingtoner sind an diesem Abend in | |
den Nachtclub "Love" gekommen. Nach ihrer Ansicht macht Barack Obama die | |
beste mögliche Politik. Und für die meisten von ihnen steht fest, dass das | |
"tiefe Amerika", das an diesem Dienstag mehrheitlich republikanisch gewählt | |
hat, dem Präsidenten "keine Chance gegeben" hat. | |
Ein Satz, der im "Love" vielfach zu hören ist, lautet: Um den Schaden zu | |
reparieren, den Bush angerichtet hat, ist mehr Zeit nötig als die knapp | |
zwei Jahre, die Obama bislang hatte. | |
"Eine ordentliche Tracht Prügel" nennt der Kieferorthopäde Robert Ray das | |
Ergebnis. Er hat erwartet, dass die Wähler einen Schuldigen suchen. | |
Schließlich ist die Arbeitslosigkeit weiterhin hoch und haben die Leute | |
jede Menge finanzielle Probleme: von den Ratenzahlungen für ihre Häuser bis | |
hin zu dem Schulgeld für ihre Kinder. "Wir haben beide Kammern des | |
Kongresses kontrolliert und wir haben den Präsidenten", beschreibt er die | |
politische Landschaft in den Monaten vor der Wahl. "Da lag es nahe, dass | |
die Wähler uns abstrafen." Aber ungerecht findet er es trotzdem. | |
Schließlich reichten die Ursachen der Misere weiter zurück, und Obama hätte | |
"gute Arbeit" gemacht. Unter anderem mit der Gesundheitsreform und der | |
Wall-Street-Politik. Bloß widerspreche das allem, was zuvor die USA | |
ausgemacht habe. | |
Der Bauarbeiter Taha sitzt auf einem roten Plüschsofa und stößt auf den | |
neuen Bürgermeister von Washington an. "Dummheit und Ignoranz" nennt der | |
Afroamerikaner als Hauptgründe für den Rechtsruck, der an diesem Tag | |
stattgefunden hat. "Die Tea Party belügt das Volk. Und 75 Prozent der | |
Wähler lassen sich in die Irre führen", sagt Taha. | |
"Beängstigend" nennt Lolitha Givens das Wahlergebnis in weiten Teilen der | |
USA. "Wir kommen gerade erst aus einer tiefen Rezession wegen des früheren | |
republikanischen Präsidenten", sagt die afroamerikanische Designerin. Die | |
Notwendigkeit von mehr Zeit für die Demokraten begründet sie mit gesundem | |
Menschenverstand: "Wenn man ein heruntergekommenes Haus übernimmt, muss man | |
erst einmal herausfinden, wo der Dreck ist. Dann kann man aufräumen." | |
Die Stimmung in Washington ist dennoch nicht niedergeschmettert. Mit dem | |
schlechten Ergebnis haben sie sowieso gerechnet. Und die meisten wollen | |
glauben, dass ihr Präsident in zwei Jahren trotzdem wiedergewählt werden | |
kann. | |
"Die dicke Dame hat noch nicht gesungen", sagt der Streetworker Kevin Jones | |
grinsend. In zwei Jahren würden die Amerikaner die positive Auswirkungen | |
von Obamas Politik spüren. "Im Jahr 2012 wird er wiedergewählt", ist sich | |
Kevin Jones sicher. | |
4 Nov 2010 | |
## AUTOREN | |
Dorothea Hahn | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
112. US-Kongress feierlich eröffnet: Ab und an weint ein Kind | |
Der US-Kongress tanzt seit Mittwoch wieder nach dem Taktstock der | |
Konservativen. Und die kündigen eine klare Blockadepolitik gegen Präsident | |
Obama an. | |
Debatte US-Kongresswahlen: Obamas letzte Chance | |
Die Wirtschaftskrise beherrscht das nationale Bewusstsein. Bei den | |
Republikanern beginnt jetzt das Rennen, wer 2012 als Kandidat antritt. | |
US-Demokraten nach Wahlschlappe: Die Frauen sind weg | |
In Scharen davongelaufen: Die demokratische Partei um US-Präsident Obama | |
hat vor allem bei Frauen und bei jungen Leuten Stimmen eingebüßt. | |
Republikaner uneins: Gegen Obama vereint | |
Die Wahlsieger sind uneins und zeigen sich gesprächsbereit – aber nur, wenn | |
sie künftig den Takt vorgeben können. Jedoch fällt ihnen auf Nachfrage kein | |
einziger Kürzungsvorschlag ein. | |
US-Politologe über Ergebnisse der US-Wahl: "Obama fehlt das Mitgefühl" | |
Sechs, setzen? Barack Obama ist bei den Wahlen abgestraft worden. Was der | |
US-Präsident künftig besser machen muss, erklärt der US-Politologe Robert | |
Guttman. | |
Kommentar US-Kongresswahlen: Der Präsident braucht neue Ideen | |
Barack Obama ist mit seinen Wahlversprechen gescheitert - und dafür | |
abgestraft worden. Die Republikaner werden jedoch keine Verantwortung | |
übernehmen. | |
Wahlen in den USA: Obama muss die Macht künftig teilen | |
Die Demokraten verlieren bei den Kongresswahlen ihre Mehrheit im | |
Repräsentantenhaus und können ihre Mehrheit in der zweiten Kammer, im | |
Senat, nur knapp behaupten. |