# taz.de -- Wahlen in den USA: Obama muss die Macht künftig teilen | |
> Die Demokraten verlieren bei den Kongresswahlen ihre Mehrheit im | |
> Repräsentantenhaus und können ihre Mehrheit in der zweiten Kammer, im | |
> Senat, nur knapp behaupten. | |
Bild: Haben Obama stark zugesetzt: Erzkonservative Gegner der Regierungspolitik. | |
WASHINGTON afp | Es war ein politischer Orkan, der die USA am Dienstag | |
erzittern ließ. Er fegte reihenweise altgediente Kongressmitglieder hinweg, | |
legte politische Karrieren in Trümmer und ließ jene großen Hoffnungen | |
zusammenfallen, die an die Wahl Barack Obamas vor zwei Jahren gebunden | |
waren. | |
Ausgelöst haben den Wirbelsturm die Wähler, die dem Präsidenten und seiner | |
Demokratischen Partei klar das Misstrauen aussprachen. Im | |
Repräsentantenhaus verloren die Demokraten ihre Mehrheit an die | |
oppositionellen Republikaner, im Senat konnten sie sich nur knapp | |
behaupten. Die Macht in Washington wird neu verteilt. Dem Präsidenten droht | |
die politische Lähmung. | |
Für Obama ist das Ergebnis ein Debakel. Die Republikaner hatten die Wahl | |
zum Referendum über Politik des Präsidenten erklärt, und das Votum fiel | |
eindeutig aus. Im ganzen Land straften die Wähler parlamentarische | |
Gefolgsleute des Präsidenten ab, der Kongress rückt nach rechts. Noch in | |
der Wahlnacht rief Obama die Fraktionschefs der Republikaner in | |
Repräsentantenhaus und Senat, John Boehner und Mitch McConnell, an. Er | |
freue sich auf die Zusammenarbeit und wolle "Gemeinsamkeiten suchen, um das | |
Land voranzubringen und etwas für das amerikanische Volk zu erledigen", | |
zitierte Obamas Sprecher den Präsidenten. | |
Der Präsident ist in der Defensive. Die Zeit der ehrgeizigen Großreformen | |
ist nun vorbei. Will Obama politisch überhaupt noch etwas bewegen, muss er | |
sich mit den Republikanern arrangieren, sonst droht ein Dauer-Stillstand. | |
Doch deren Konsensbereitschaft hat Grenzen: Viele Republikaner haben den | |
Präsidenten im Wahlkampf mit aggressiver Rhetorik geradezu dämonisiert. Ihr | |
oberstes Ziel ist, Obama bei der Wahl 2012 aus dem Amt zu jagen. | |
"Jetzt nehmen wir uns die Regierung zurück", rief der erklärte Obama-Gegner | |
und neue Senator aus Kentucky, Rand Paul, in seiner Siegesrede. "Diese Wahl | |
hat ein Erdbeben ausgelöst", stellte Senator Jim DeMint fest, ein | |
Wortführer des rechten Flügels. "Es werden einige neue Sheriffs in der | |
Stadt unterwegs sein", warnte Sarah Palin, Ikone der neuen Rechten in den | |
USA. | |
Die Gründe für das Wahldebakel der Demokraten liegen auf der Hand. Obama | |
hat die Wirtschaftskrise, die zur Erbmasse seines Vorgängers gehörte, nicht | |
in den Griff bekommen. Fast zehn Prozent Arbeitslosigkeit, lahmendes | |
Wachstum, Budgetdefizite von über einer Billion Dollar im Jahr, viele | |
überschuldete Privathaushalte: Die Wirtschaftslage schürt bis weit in den | |
Mittelstand die Abstiegsängste der Wähler. Mit ihrer unpopulären | |
Gesundheitsreform boten Obamas Demokraten zusätzliche Angriffsfläche. | |
Eine weitere Hypothek des Präsidenten war die Erwartung an einen Neubeginn, | |
die er selbst geschürt hatte. Sein Versprechen, die Polarisierung der | |
Parteien zu beenden und einen neuen politischen Stil in Washington zu | |
etablieren, hat sich als Illusion erwiesen. Nichts illustrierte die | |
Desillusionierung mit Obama deutlicher als die vielen Kandidaten seiner | |
Partei, die im Wahlkampf klar auf Distanz zu ihrem eigenen Präsidenten | |
gingen. | |
Dabei haben die Wähler am Dienstag eigentlich nur eine Illusion durch eine | |
andere ersetzt. Nach der Entzauberung Obamas folgten sie dem lockenden | |
Versprechen der Republikaner, die sich als aufrechte Konservative | |
stilisierten und ein verunsichertes Amerika zu alter Größe zurückführen | |
wollen. Die Sieger wollen die Steuern senken und den Haushalt sanieren - | |
ein politischer Zauberakt, für den sie im Wahlkampf eine genaue Erklärung | |
schuldig blieben. | |
Abschreiben darf man den Präsidenten nach der Niederlage aber noch lange | |
nicht. Die Wähler könnten die Republikaner als Mehrheitspartei in | |
Mithaftung nehmen, wenn es mit der Wirtschaft nicht aufwärts geht. Auch | |
wenn für weitere Großvorhaben Obamas, etwa beim Klimaschutz, nun das Ende | |
gekommen sein dürfte, wird er ihnen doch Angebote zur Zusammenarbeit machen | |
- und ihnen die Schuld zuschieben, falls es im Kongress zur Blockade kommt. | |
Der Wahlkampf 2010 ist zu Ende. Der Wahlkampf 2012 hat schon begonnen. | |
3 Nov 2010 | |
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