# taz.de -- Endlager für Atommüll: Wohin nur mit dem Zeug? | |
> Als in den 1960ern die Zeit der Atomkraftwerke begann, machte sich | |
> niemand Sorgen. Doch Atommüll muss für eine Million Jahre sicher gelagert | |
> werden. Wie, weiß niemand. | |
Bild: 91 Behälter mit hoch radioaktiven Abfällen, zurzeit gelagert in einer W… | |
Wenn an diesem Wochenende wieder elf Atommüll-Behälter vom Typ Castor ins | |
niedersächsische Gorleben rollen, dann wird damit ein Problem sichtbar, das | |
sonst eher im Verborgenen abläuft: die ungelöste Atommüllfrage. Auf rund | |
250.000 Tonnen wird die Menge des global bisher entstandenen | |
hochradioaktiven Abfalls geschätzt, und in jedem der weltweit 441 Reaktoren | |
entstehen inzwischen jedes Jahr 20 bis 30 weitere Tonnen. | |
Doch einen Ort, um diesen Müll dauerhaft sicher zu lagern, gibt es bislang | |
nirgends auf der Welt. Als die kommerzielle Nutzung der Atomkraft in den | |
1960er Jahren begann, wurde Endlagerung noch nicht als Problem gesehen. Die | |
Abfälle aus den Reaktoren würden "schon bald in einer europäischen Zentrale | |
zur Frischhaltung von Lebensmitteln Verwendung finden", behaupteten | |
Experten laut "Amtsblatt für den Stadtkreis Karlsruhe" vom September 1955, | |
als in der Stadt die Ansiedlung eines AKWs debattiert wurde. | |
Inzwischen ist klar, dass der Atommüll für eine Million Jahre sicher | |
eingeschlossen werden muss. Denn die radioaktiven Isotope, die bei der | |
Atomspaltung entstehen, strahlen über viele hunderttausend Jahre. Beim | |
Element Plutonium - das nicht zufällig nach dem römischen Gott der | |
Unterwelt benannt wurde - etwa hat das in Brennelementen verwendete Isotop | |
(239)Pu eine Halbwertszeit von 24.000 Jahren: Nach diesem Zeitraum ist das | |
Material erst zur Hälfte zerfallen, nach 240.000 Jahren immer noch 0,1 | |
Prozent vorhanden. Wegen der starken Strahlung gilt (239)Pu schon im | |
Milliardstel-Gramm-Bereich als sicher krebserregend. | |
Für die vielen tausend Tonnen von heißem, hochgiftigem, stark strahlendem | |
Müll, die bereits existieren und weiter produziert werden, wird darum | |
weltweit nach unterirdischen Lagerstätten gesucht, die für eine Million | |
Jahre sicher gegen die Atmosphäre abgeschirmt sind. Granit, Ton, Lehm, Salz | |
- fast jede Gesteinsform wird irgendwo untersucht. Doch ob durch | |
wissenschaftliche Zweifel, technische Probleme oder politische Widerstände | |
- auch nach 40 Jahren kommerzieller Atomkraft-Nutzung gibt es kein einziges | |
Ergebnis, weder in atomfreundlichen Demokratien wie Frankreich noch in | |
autoritären Atommächten wie China oder Russland. | |
Auch in Deutschland sind die bisherigen Endlager-Versuche spektakulär | |
gescheitert: Im Westen wurde Atommüll im "Versuchsendlager" Asse bei | |
Wolfenbüttel eingelagert, im Osten im Kalibergwerk Morsleben. Beide sind | |
heute einsturzgefährdet und müssen aufwendig saniert werden. Unterdessen | |
wächst der deutsche Atommüllberg täglich weiter: 921 heiße Metallcontainer | |
vom Typ Castor horten die AKW-Betreiber bereits in oberirdischen Hallen. | |
200 weitere wären auch unter dem rot-grünen Atomausstieg noch dazugekommen; | |
wenn die von Schwarz-Gelb beschlossene Laufzeitverlängerung umgesetzt wird, | |
steigt diese Zahl auf 500. | |
Die meisten dieser Behälter werden ohne spektakuläre Transporte in Hallen | |
direkt auf dem AKW-Gelände gelagert. Transportiert wird vor allem jener | |
Atommüll, der einst zur Wiederaufbereitung nach Frankreich und England | |
geschickt wurde. Im Zwischenlager Gorleben, einer oberirdischen Lagerhalle, | |
befinden sich derzeit 93 Castor-Behälter. Ob sie jemals im dortigen | |
Salzstock eingelagert werden, ist nach neuen Erkenntnissen über seine | |
unwissenschaftliche Auswahl und neuen Zweifeln an seiner Eignung heute | |
ungewisser als je zuvor. | |
4 Nov 2010 | |
## AUTOREN | |
Malte Kreutzfeldt | |
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