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# taz.de -- Warum Berliner nach Gorleben fahren - und warum nicht: Atommüll st…
> Die Mobilisierung für die Castor-Blockade am Wochenende läuft in Berlin
> so gut wie seit Jahren nicht. Warum ist dieser Protest so wichtig? Und
> gibt es noch eine Ausrede, nicht ins Wendland zu fahren?
Bild: Auf dem Weg nach Gorbleben? Berliner Fähnchen vor Berliner Kanzleramt
Mit Krücken zur Demo
"Natürlich fahre ich ins Wendland! Ich bin seit 30 Jahren gegen das Lager
in Gorleben aktiv und habe mich fast an jeder Großdemo beteiligt, also
fahre ich auch diesmal. Obwohl ich wegen eines Muskelfaserrisses an Krücken
gehen muss. Aber der Castor soll auch ins Humpeln kommen. Wenn die
Sicherheit der Bevölkerung für den Gewinn von vier Unternehmen verkauft
wird, ist das ein Skandal und Grund genug für gewaltfreien Widerstand. Am
Samstag gehts mit dem Bus ins Wendland, am Sonntag will ich in Berlin auf
dem Grünen-Parteitag sein. Spätestens Montag früh fahre ich noch mal nach
Gorleben, vielleicht mit der Bahn. Von Salzwedel kommt man problemlos
weiter, da nimmt dich jeder mit, wenn du ein Anti-Atom-Zeichen trägst."
Hartwig Berger, 67, Philosoph, war grüner Abgeordneter und ist Vorstand des
Naturschutzzentrums Ökowerk im Grunewald
Bis Dienstag bleiben
"Ich will fahren und habe auch schon ein Busticket. Leider bin ich schlimm
erkältet, mal sehen, ob ich Samstag wieder auf den Beinen bin. Von der
Grünen Jugend sind wir rund 50 Leute, wir wollen bis Dienstag bleiben.
Schottern werde ich wohl nicht, weil wir im Camp Gedelitz in der Nähe des
Endlagers sind. Dafür gibt es dort ja Sitzblockaden. Es wäre meine erste
Demonstration im Wendland. Gehört habe ich über die Proteste dort schon
eine Menge, ich stelle mir die Atmosphäre eigentlich ganz angenehm vor,
chaotisch natürlich auch. Vor Polizeigewalt habe ich keine Angst. Da
vertraue ich auf deren Erfahrung durch frühere Demos und Aktionen."
Julian Wickert, 20, studiert Stadtplanung an der TU Berlin und ist Mitglied
der Grünen Jugend
Es gibt wichtigere Dinge
"Ich fahre nicht ins Wendland - da gibt es andere Dinge, die mir wichtiger
sind. Ich bin auch kein Anti-Atom-Aktivist im engeren Sinne. Das heißt, ich
würde es schon begrüßen, wenn der Protest gegen den Castor eine breite
gesellschaftliche Bewegung wird. Ich verfolge auch die Berichterstattung.
Aber für mich bedeutet das einen zu hohen organisatorischen Aufwand. Ich
habe ein kleines Kind, bin Freiberufler, zwischendurch arbeite ich an
meiner Dissertation. Alles Dinge, die an dir zerren und ziehen. Hier im
Mehringhof gibt es aber sicher einige, die fahren."
Harry Thomaß, 42, Ethnologe, ehrenamtlicher Mitarbeiter der Lateinamerika
Nachrichten im Mehringhof
Bestens vernetzt
"Viele Leute aus dem linksradikalen Spektrum fahren, ich nicht. Ich muss
arbeiten und studieren. Außerdem möchte ich mich um mein sechsjähriges Kind
kümmern. Ein bisschen schlechtes Gewissen habe ich schon. Aber jemand muss
sich auch um das Computernetzwerk kümmern. Wir stehen mit unseren Leuten in
Gorleben in ständigem Kontakt. Auch um Anwälte und Freunde benachrichtigen
zu können, falls einem was zustößt."
Philipp Stein, 37, Pressesprecher von Fels (Für eine linke Strömung,
undogmatisches linkes Bündnis), Student und Freiberufler in der
Denkmalpflege
Die Atomlobby ist stark
"Ich fahre hin. Ich war schon bei anderen großen Demonstrationen gegen
Castortransporte dabei. Ich kenne die Gegend total gut. Sechs Kilometer von
Gorleben entfernt habe ich mein Wochenendhäuschen. Ich bin für einen
friedlichen Widerstand. Aber der friedliche Protest allein wird in Gorleben
nichts mehr bewirken. Die Atomlobby ist extrem stark. Viele Bauern sind
doch inzwischen gekauft."
Simone Schmollack, 46, taz-Redakteurin
Solidarisch sein
"Ich bin seit einer Woche in Stuttgart wegen S 21. Ich habe hier an
Protesten und Blockaden teilgenommen. Am Sonntag muss ich zum
Programmkonvent der Linken nach Hannover. Nach Gorleben schaffe ich es
leider nicht. Aber ich bin sehr solidarisch mit den Menschen im Wendland."
Lucy Redler, Journalistin und Mitglied der Linkspartei.
Stoppen ohne Gewalt
"Ich fahre zum Schottern. Hoffentlich können wir den Castor stoppen, ohne
dass es zu einer Gewalteskalation kommt. Ich war bei zwei
Vorbereitungstreffen in Hamburg und Berlin, 70 Prozent der Teilnehmer sind
zwischen 16 und 24 Jahre alt. Im Wendland im Camp übernachten werde ich
aber nicht. Das Alter habe ich überschritten."
Peter Grottian, 68, Hochschullehrer für Politologie, Mitunterzeichner des
Schotter-Aufrufs
Aktiv dabei sein
"Ich fahre morgens zur Demo hin und abends wieder zurück nach Berlin. Dass
die Laufzeit der Atomkraftwerke verlängert werden soll, ist empörend. Auch
die Atomwaffen dürfen nicht unter den Tisch fallen. Natürlich bin ich nicht
mehr so schnell wie vor zehn Jahren. Man merkt, dass man älter wird. Aber
es macht mich glücklich, dass ich diesen Protest immer noch aktiv mittragen
kann."
Laura von Wimmersperg, 76, Moderatorin der Berliner Friedenskoordination
(Friko)
Zu anstrengend
"Ich kenne die Leute, die die Proteste organisieren, seit Anfangszeiten.
Aber jetzt zur Demo fahren ist mir zu anstrengend. Ich bin zurzeit auch
nicht ganz fit."
Astrid Proll, 63, Ex RAF, Fotojournalistin
Andere Protestformen suchen
"Nein, ich fahre nicht nach Gorleben. Ich war auch noch nie dort, das hat
sich nicht ergeben. Aber ich versuche, andere Formen des Protests für mich
zu finden - sei es durch die Teilnahme an Demonstrationen in Berlin oder
dadurch, dass wir in der Schule Projekte zum Thema Energie anbieten. Bei
den Schülern selbst sehe ich eine breite Ablehnung der Atomkraft,
allerdings auch eine gewisse Lethargie. Zur Castor-Blockade fährt da
keiner."
Stefan Marien, 44, ist Schulleiter des OSZ Bürowirtschaft und
Dienstleistungen in Pankow
Der Steuerberater ruft
"Ich fahre nicht. Freitag früh muss ich zum Steuerberater. Danach fahre ich
nach Köln zu meiner Familie. Von der lebe ich unter der Woche getrennt.
Meine Haltung zur Atomfrage ist klar. Ich hab auch öfters an
Demonstrationen und Aktionen in Gorleben teilgenommen. Aber jetzt bin ich
nicht mehr aktiv. Früher hatte ich jemanden, der sich so verhält, als
Sofademonstranten bezeichnet."
Rolf Henke, 63, betreibt einen Biohof in der Uckermark und eine Druckerei
in Berlin
4 Nov 2010
## AUTOREN
Plutonia Plarre
Claudius Prösser
## TAGS
Schwerpunkt Atomkraft
Schwerpunkt Atomkraft
Schwerpunkt Atomkraft
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