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# taz.de -- Verteidigungsexperte zu Sicherheitslücken: "Drohnen stoppen den Te…
> Um Paketbombenanschläge zu verhindern, sollte Luftfracht nicht mehr in
> Passagierflugzeugen transportiert werden, meint der schwedische
> Terrorexperte Magnus Ranstorp.
Bild: Frachtgutverladung auf dem Flughafen Köln-Bonn.
taz: Herr Ranstorp, zwei Paketbomben, die per UPS verschickt wurden, haben
in diese Woche für eine Menge Aufregung gesorgt. Eine davon kam aus dem
Jemen, landete in Großbritannien und soll von al-Qaida stammen. Welche
Lehre ziehen Sie daraus?
Magnus Ranstorp: Es ist offenkundig, dass es ernsthafte Lücken bei der
Luftfracht gibt. Die in Großbritannien abgefangene Paketbombe konnte nicht
beim Röntgen entdeckt werden, und auch Hunde haben nicht auf den
Sprengstoff in der Druckerkartusche reagiert. Erst beim Öffnen hat man
gesehen, was Sache ist.
Was folgt daraus?
Wir brauchen bessere Screenings. Und wir müssen die Luftfracht künftig
komplett vom Passagiertransport trennen. Mit Paketbomben kann man Flugzeuge
zum Absturz bringen. Wenn ein Frachtflugzeug abstürzt, ist das schlimm
genug. Noch schlimmer ist es aber, wenn außerdem noch hunderte von
Passagieren an Bord sind.
Das wird die Industrie eine Menge Geld kosten. Ist sie dazu bereit?
Es wird sicher etwas Zeit brauchen, um dieses Sicherheitsproblem zu lösen.
Momentan transportieren die Paketdienstleister weltweit angeblich 40
Prozent ihrer Sendungen in Passagierflugzeugen und nicht mit gesonderten
Frachtflügen. Das Problem ist also ein systemisches.
Selbst wenn man die Kontrollen bei der Luftfracht verbessert: Wie soll man
verhindern, dass ein Attentäter mit dem Auto mitten in eine Fußgängermenge
rast, wie es Al-Qaida in einem Heft namens "Inspire" empfiehlt?
Man kann Terroristen nicht davon abhalten, Anschläge zu verüben. Aber man
kann es ihnen so schwer wie möglich machen. Die Luftfahrtindustrie ist die
Lebensarterie des weltweiten Transports, der globalisierten Wirtschaft.
Genau das macht sie zu so einem attraktiven Ziel für Terroristen - und aus
diesem Grund muss man nun die richtigen Maßnahmen ergreifen. Aber man muss
auch das "softe Ende" angehen: Wenn man schon nicht jeden Anschlag
verhindern kann, so muss man sich zumindest fragen, wie sich eine
Polarisierung der Gesellschaft nach einem Anschlag verhindern lässt. Dazu
braucht man den Schulterschluss mit den ethnischen und religiösen
Minderheiten im Land.
Was wäre passiert, wenn die Paketbomben explodiert wären?
In einigen Ländern Europas hätte die gesellschaftliche Polarisierung
sicherlich zugenommen und die extreme Rechte weiter Auftrieb bekommen.
Falls in den USA nochmals ein großer Anschlag gelingt, werden sich wohl
alle auf Präsident Obama stürzen und ihm vorwerfen, er sei schwach und Bush
habe doch recht gehabt. Der Druck, den Kampf gegen den Terrorismus wieder
aggressiver zu führen, würde in den USA zunehmen.
Obama war da bisher doch nicht zimperlich: Die Angriffe mit unbemannten
Drohnen in Pakistan haben massiv zugenommen, Ähnliches dürfte nun im Jemen
passieren. Der Hassprediger Anwar al-Awlaki, der dort untergetaucht sein
soll, steht schon seit Monaten auf der Todesliste der CIA.
Mit Sicherheit werden die USA versuchen, al-Awlaki zu fangen oder zu töten.
Dasselbe gilt für den mutmaßlichen Bombenbauer Ibrahim al-Assiri. Doch
hinter ihnen stehen schon andere in der Schlange. Man ist meilenweit davon
entfernt, dem Netzwerk von "al-Qaida auf der Arabischen Halbinsel" den Kopf
abzuschlagen.
Vor allem in Europa sieht man die Drohnenstrategie Obamas kritisch: Mit den
gezielten CIA-Angriffen werde der Staat zum Mörder, lautet der Vorwurf. Was
sagen Sie?
Ich will das nicht moralisch bewerten. Eine einfache Wahrheit lautet
allerdings: Man kann sich nicht aus diesem Schlamassel heraustöten. Das
Problem mit "al-Qaida auf der Arabischen Halbinsel" wird man so nicht
lösen, wahrscheinlich verschärft sich der Extremismus dadurch langfristig
sogar noch. Was aber auch stimmt: Jemen ist auf dem besten Weg, ein
gescheiterter Staat zu werden - vielleicht ist er das sogar schon.
Nach dem Paketbombenfund hat der jemenitische Präsident Ali Abdullah Saleh
gesagt, der Jemen könne sich selbst um al-Qaida kümmern: andere Länder
sollten sich nicht noch stärker in die inneren Angelegenheiten seines
Landes einmischen.
Das sind hohle Phrasen. Der Jemen kann das Problem al-Qaida nicht allein
bewältigen. Präsident Saleh kann doch gerade mal die Sicherheit in der
Hauptstadt Sanaa garantieren, sonst nirgendwo. Der Jemen ist schon heute
eines der ärmsten Länder der Erde, und 2017 werden die Ölreserven erschöpft
sein. Das Land braucht jede Unterstützung, die es kriegen kann.
5 Nov 2010
## AUTOREN
Wolf Schmidt
## TAGS
Schwerpunkt Überwachung
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