# taz.de -- Streit um Gesundheitsreform: Eine für alle | |
> Am Freitag soll die schwarz-gelbe Gesundheitsreform verabschiedet werden. | |
> Die SPD attackiert Gesundheitsminister Rösler und vertieft ihre Arbeit am | |
> Konzept für eine Bürgerversicherung. | |
Bild: Wollen alles wieder rückgängig machen: Sigmar Gabriel und Andrea Nahles. | |
BERLIN taz | Vier Tage vor der geplanten Verabschiedung der schwarz-gelben | |
Gesundheitsreform hat die SPD-Spitze am Montag in Berlin noch einmal ihr | |
Konzept einer Bürgerversicherung aus dem Jahr 2004 als Gegenmodell | |
propagiert. Unverändertes Ziel der SPD sei, sagte die Generalsekretärin | |
Andrea Nahles, "die Ungerechtigkeit der Zwei-Klassen-Medizin in Deutschland | |
abzuschaffen". | |
Deswegen sollen nach Vorstellung der SPD alle Bürgerinnen und Bürger in ein | |
gemeinsames Gesundheitssystem integriert werden. "Das bedeutet nicht, dass | |
wir die private Krankenversicherung abschaffen wollen", sagte Nahles. Die | |
private und die gesetzliche Krankenversicherung sollten jedoch "einen | |
gemeinsamen Leistungskatalog" anbieten. | |
Niemand dürfe aufgrund seines Versicherungsstatus bevorzugt behandelt | |
werden. Über Schnelligkeit und Umfang der Behandlung solle allein die | |
Schwere der Erkrankung entscheiden. Zur Finanzierung der Bürgerversicherung | |
sollten "alle Bürger" beitragen - unter Berücksichtigung aller | |
Einkommensarten, also auch Vermögen, das nicht zur sozialen Sicherung | |
beiträgt, sowie Steuern. | |
Die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) leidet seit Jahren unter einer | |
strukturellen Einnahmeschwäche. Diese resultiert daraus, dass die | |
Grundlohnsumme, also die Gesamtsumme der beitragspflichtigen Einnahmen, | |
langsamer wächst als das Bruttoinlandsprodukt (BIP). Bei den Ausgaben der | |
GKV, die wiederum in etwa parallel zum BIP wachsen, hat das zu | |
kontinuierlich steigenden Beitragssätzen geführt. | |
Dem Gesundheitsminister Philipp Rösler (FDP) ist nun zur Lösung | |
eingefallen, den Beitragssatz zum 1. Januar auf 15,5 Prozent zu erhöhen und | |
darüber hinausgehende Kosten künftig allein von den Beschäftigten über nach | |
oben offene Zusatzbeiträge schultern zu lassen. | |
Nahles warf Rösler vor, die "Axt an die Solidarität" der | |
Krankenversicherung zu legen. Durch eine ausreichende Deckung der | |
Gesundheitsausgaben durch Beiträge und Steuermittel seien Zusatzbeiträge | |
nicht notwendig. Die SPD wolle, sollte sie eines Tages wieder regieren, | |
Röslers Reform rückgängig machen. | |
Die SPD hat jetzt unter der Leitung ihrer Generalsekretärin eine | |
Projektgruppe eingesetzt, die das Konzept der Bürgerversicherung | |
fortentwickeln und aktualisieren wird. Denn, das hat die SPD erkannt: "Die | |
Arbeitswelt und die Vermögenssituation seit 2004 haben sich stark | |
verändert." | |
8 Nov 2010 | |
## AUTOREN | |
Heike Haarhoff | |
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