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# taz.de -- Kommentar Gesundheitsreform: Werden Sie bloß nicht mehr krank!
> Bundesgesundheitsminister Rösler ist den Weg der kleinen Schritte
> gegangen - mit großem Erfolg. Beinahe unbemerkt hat er das solidarisch
> finanzierte Gesundheitswesen abgeschafft.
Bild: Altenpflege in Frankfurt/Oder.
Den ganz großen Wurf hatte der Bundesgesundheitsminister Philipp Rösler
(FDP) bei seinem Amtsantritt vor einem Jahr angekündigt. Kopfpauschale,
Pardon: gehaltsunabhängiger Beitrag statt paritätischer Finanzierung der
gesetzlichen Krankenversicherung. Rösler bricht mit Bismarck. Er wagt die
Reform der Reformen, das war die Botschaft.
Eine Botschaft, für die der 37-jährige Minister verspottet wurde: weil er
sich nicht durchsetzen konnte – angeblich. Nicht einmal gegen die CSU
innerhalb der eigenen Koalition. Rösler versprach, Söder widersprach,
darauf war Verlass. In der öffentlichen Wahrnehmung galt die schwarz-gelbe
Koalition als handlungsunfähig. Später kam noch das Attribut "nicht
konservativ genug" hinzu. Und dann rutschte die FDP in Umfragen unter die
Fünfprozenthürde.
Rösler unterdessen ging, wie er selbst sagt, den Weg der kleinen Schritte.
Spielte die großen Geschenke an die FDP-Klientel zu kleinen Gesten
herunter. Der große Aufschrei blieb aus. Bedacht wurden so alle: die
Arbeitgeber (Deckelung der Beitragshöhe), die Ärzte (2 Milliarden Euro
Honorar obendrauf), die Pharmaindustrie (ein windelweiches
Arzneimittelgesetz), die private Krankenversicherung (schnellerer
Kassenwechsel). Nebenbei führte er die Kopfpauschale über einen Umweg doch
ein: derzeit kleine Zusatzbeiträge, zu zahlen an die Kassen, die ins
Unermessliche wachsen können.
Rösler also zog durch. Beinahe unbemerkt hat er das solidarisch und gerecht
finanzierte Gesundheitswesen in Deutschland abgeschafft. Denn nichts
anderes bedeutet die Finanzierungsreform der gesetzlichen
Krankenversicherung, die an diesem Freitag vom Bundestag beschlossen werden
soll: Die Kosten des medizinischen Fortschritts werden künftig allein auf
die Versicherten abgewälzt - über Beitragserhöhungen, Zusatzbeiträge,
Vorkasse.
Wie das aussehen wird? Wer Geld hat, sich privat abzusichern, der wird auch
in Zukunft wieder gesund. Für alle anderen gilt: zittern, dass man bloß
nicht krank wird. Ärzte und Patienten sind keine gleichberechtigten
Verhandlungspartner. Wer krank wird, der ist abhängig von der Expertise und
dem Rat seines Arztes. Wenn diese sich aber ausschließlich an
wirtschaftlichen Kriterien orientieren, dann ist nicht nur auf den
einzelnen Arzt kein Verlass mehr. Sondern dann ist das Solidarsystem am
Ende. Und das ist politisch durchaus so gewollt.
11 Nov 2010
## AUTOREN
Heike Haarhoff
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