# taz.de -- Debatte Kristina Schröder: Haut den Feminismus! | |
> Wie inszeniere ich mich als modern? Ich zeige mich selbstbewusst wie | |
> opportunistisch und fordere, auch die Jungen zu fördern. So funktioniert | |
> Kristina Schröders Konservatismus. | |
Bild: Spielchen im Laub? Wie altmodisch. | |
Der Feminismus, er ist einfach nicht tot zu kriegen. Und das, wo alle Welt | |
unverzagt auf ihn einschlägt, sei es um seine Unwichtigkeit zu | |
konstatieren, sei es um (Alt-)Feministinnen für verbleibende | |
Geschlechterungerechtigkeiten schuldig zu sprechen. Gemeinhin obliegt es | |
der Frau, ihn symbolisch zu schlachten, also klarzustellen, dass sie | |
selbstredend selbstständig, gleichwohl durchaus keine Feministin, mithin | |
weiblich, körperbetont, humorvoll und männerfreundlich sei. | |
Die Diffamierung der Feministin gehört unkaputtbar ins Repertoire der | |
deutschen Frau, die sich auf der Höhe der Zeit sieht und belegfrei | |
signalisieren will: Ich hab das Leben, die Männer, selbst meine Zukunft im | |
Griff. Und es gibt noch einen Grund, warum die Widersacher des Feminismus | |
nicht von ihm lassen können. Zu sehr hängt ihre Vorstellung von | |
Weiblichkeit und Männlichkeit vom Feindbild der lila Latzhose ab. Sie haben | |
keinen positiven Entwurf. | |
Schröders Projekt | |
Auch Kristina Schröder weiß natürlich um den Mehrwert des Feminismushauens. | |
Auch sie braucht den Pappkameraden, den Alice Schwarzer inzwischen so gern | |
abgibt. Insofern war ihre im Spiegel veröffentlichte Anrufung der | |
Emma-Herausgeberin so absehbar wie die wutschäumende Replik der Patriarchin | |
des frauenbewegten Boulevards. Aber Schröders Projekt ist größer - daher | |
lohnt ein zweiter Blick. | |
Die Familienministerin dient sich als die neue Frau des neuen | |
Konservativismus an. Entsprechend war ihr zunächst die Gleichsetzung von | |
Rechtsextremismus mit Linksradikalität ein Anliegen, gefolgt von der | |
Behauptung, in der Debatte über das Muslimen-Gen sei das vorrangige | |
Skandalon eine zunehmende Deutschenfeindlichkeit. Die von ihr ins Feld | |
geführten Gewährsmänner wiesen diesen Befund allesamt als unhaltbar zurück. | |
Die Juristin kümmerte das wenig, nur ihr Gatte darf sie belehren. | |
Das ließ sich live verfolgen, als sie unlängst dem ZDF ein Interview gab - | |
es genießt auf Youtube noch immer hohe Einschaltquoten. Auf des Ehemanns | |
Geheiß ließ sie den Begriff der Deutschenfeindlichkeit fallen und erklärte | |
dafür hilflos, wie Rassismus zu definieren sei. Nämlich wenn eine Mehrheit | |
eine Minderheit …, wenn Männlichkeit … unterfüttert von Kultur und Religi… | |
… Den Journalisten war ihre Sendezeit zu schade für die begriffsstutzige | |
Ministerin, per Stimme aus dem Off kommentierten sie sie kurz und klein. | |
Ist Schröder damit aus dem Rennen? | |
Keineswegs. Ihre Auslassungen zum Feminismus haben die Verlachte wieder | |
hoffähig gemacht. Dem Berliner Schriftsteller Ralf Bönt (taz vom 12. 11.) | |
gilt sie gar als Avantgarde, immerhin müsse sie - anders als Schwarzer oder | |
Merkel - nicht mehr maskulin auftreten. Zudem wolle sie die Jungen | |
schützen. Keine Zeitgenossenschaft für Frauen, ohne die Solidarität, gar | |
die Förderung des anderen Geschlechts zu fordern. | |
Emanzenbashing allein verbürgt keine Modernität mehr. Es muss zudem das | |
tatsächlich reaktionäre Diktum vom harten Max kritisiert werden, Max darf | |
jetzt auch mal krank sein. Ausgerechnet die Person Schröder symbolisiert | |
für Bönt die überfällige Überwindung des Differenzfeminismus. Dass Kostüm | |
und Perlenohrringe mal die Demontage des weiblichen Stereotyps anzeigen | |
würden, wer hätte das gedacht. | |
Auch Thomas Steinfeld (SZ) und Thomas Greyer (FAZ) melden sich zu Wort, und | |
damit auffällig viele männliche Stimmen. Sie solidarisieren sich zwar nicht | |
mit Schröder, aber wer lässt schon gern die Gelegenheit aus, Schwarzer eins | |
mitzugeben? Eben um unverstaubt zu wirken, auch wenn er den | |
Frauenbewegungen die Relevanz abspricht. | |
Steinfeld behauptet schlicht, die Wirtschaft und dann auch die Politik | |
hätten die Ausgrenzung von Frauen vom (lukrativen) Arbeitsmarkt beendet, | |
nicht die feministischen Bewegungen. Dass Veränderungen auf | |
Wechselwirkungen beruhen, ist richtig, ebenso wie falsch ist, dass | |
letztlich die ökonomische Ratio obsiegte. Bis heute tolerieren Unternehmen | |
Verluste, um ihre männlich besetzten Vorstände zu erhalten und ihre | |
Mitarbeiterinnen nicht zu fördern. | |
Der andere Radical Chic | |
Doch es ist müßig, die Berücksichtigung von Fakten und Ambivalenzen | |
einzuklagen. Die KritikerInnen von Schwarzer wollen ja nicht für | |
strukturelle Abhilfe von Ungerechtigkeiten streiten, damit beschäftigen | |
sich andere. Und so setzt der Mainstreamdiskurs die besseren schulischen | |
Leistungen der Mädchen systematisch nicht in Beziehung zu ihren gleichwohl | |
schlechteren Aussichten auf dem Arbeitsmarkt. | |
Auch die erfreuliche Enttabuisierung männlicher Hilfsbedürftigkeit | |
berücksichtigt nicht die Rede vom Mann als Opfer, die darauf zielt, | |
weibliche Konkurrenz zu verhindern (Quote niemals). Stattdessen werden die | |
veritablen Fortschritte im Bereich sexueller Freiheit Pars pro Toto gesetzt | |
und wird wider besseres Wissen ignoriert, dass erst gleiche Aufstiegs- und | |
Abstiegschancen sowie die gerechte Arbeitsverteilung im Bereich der | |
sozialen Beziehungen Geschlechtergerechtigkeit garantieren. | |
Doch diese Argumentation macht Sinn, zumindest wenn man das kulturelle | |
Kapital, das Emanzipationsbewegungen mit sich bringen, für sich abschöpfen | |
möchte - ohne dabei das konservative Weltbild zu irritieren. Das nämlich | |
basiert wesentlich darauf, den weißen, christlichen Mann unabhängig von | |
jeder Leistung weich zu betten. (Erinnern wir uns kurz an die fassungslos | |
beleidigten Abschiedsreden hart angefasster Politiker in diesem und im | |
letzten Jahr: Oettinger, Althaus, Koch, Köhler …) Eine freche, hübsche, | |
aber dümmliche Frauenministerin kann da nur nützen. | |
Bei Merkel und von der Leyen hingegen verschärfte sich die Tonlage schon. | |
Aber auch sie sind trotz unbestreitbarer Intelligenz letztlich | |
integrierbar, denn - bei aller Sympathie für die Akademikerin als Mutter - | |
sie akzeptieren, dass unsere Gesellschaft zwar lautstark jede einzelne | |
Karrierefrau debattiert, sich im Schatten der Scheinwerfer jedoch wortkarg | |
einig ist, eine lebensfreundliche Verbindung von Beruf und Familie nur | |
Männern zu ermöglichen. Alles andere würde zu teuer. | |
Insofern stimmt es, Kristina Schröder funktioniert als neue Konservative: | |
an der Oberfläche selbstbewusst, strukturell unterlegen, immer | |
opportunistisch - und im Zweifel für die Förderung deutscher Jungen. | |
12 Nov 2010 | |
## AUTOREN | |
Ines Kappert | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Frauen in Manager-Posten: Von den Männern weggebissen | |
Männer in Topjobs wollen Frauen neben sich kaum zulassen. Das zeigt eine | |
Studie. Sie rät daher zur Quote. Am Freitag debattiert der Bundestag einen | |
Grünen-Vorschlag. | |
Deutscher Feminimus aus US-Perspektive: Da lächelt die Amerikanerin | |
Im Ausland verwundert es, dass die Deutschen Kind und Beruf beharrlich als | |
Gegensätze handeln. Gibt es denn keinen Feminismus? | |
Ex-Emma-Chefin über Kristina Schröder: "Enormes Lebensrisiko" | |
Die ehemalige Chefredakteurin der "Emma", Lisa Ortgies, spricht über | |
Feminismus, Partnerschaft und die verfehlte Politik der | |
CDU-Familienministerin Kristina Schröder. | |
Gegenwind gegen Anti-Extremismus-Politik: Rebellion gegen Kristina Schröder | |
An die hundert Personen und Initiativen fordern dazu auf, die | |
Anti-Extremismus-Erklärung, die die Familienministerin verlangt, zu | |
verweigern. Kristina Schröder ist unbeeindruckt. | |
Debatte Feminismus: Zeiten ändern dich | |
Kristina Schröders Kritik am Feminismus alter Schule ist richtig. Alice | |
Schwarzers offener Brief an die Ministerin zeugt von ihrer Verblendung. | |
Portrait Kristina Schröder: Plötzlich Ministerin | |
Knapp ein Jahr ist die Frauen- und Familienministerin Kristina Schröder im | |
Amt. Erfolge hat die überzeugte Konservative nicht vorzuweisen. |