# taz.de -- Ex-Emma-Chefin über Kristina Schröder: "Enormes Lebensrisiko" | |
> Die ehemalige Chefredakteurin der "Emma", Lisa Ortgies, spricht über | |
> Feminismus, Partnerschaft und die verfehlte Politik der | |
> CDU-Familienministerin Kristina Schröder. | |
Bild: "Krippenplätze existieren nur auf dem Papier." | |
taz: Frau Ortgies, was denken Sie, wenn Familienministerin Schröder den | |
Feminismus für überholt erklärt? | |
Lisa Ortgies: Frau Schröder will sich profilieren und greift nach Themen, | |
die konträr zu ihrer Vorgängerin sind. Sie will eigene Akzente setzen - die | |
gehen leider in die völlig falsche Richtung. | |
Hat der Feminismus nichts Zeitgemäßeres zu bieten? | |
Der Stillstand im Feminismus lässt sich gut an Frau Schröder ablesen. Sie | |
ist Teil einer Generation junger Frauen, die sagt: Wer will, der schafft | |
das. Man darf sich halt nur nicht für Germanistik entscheiden. | |
Wie kommt sie dazu? | |
Offensichtlich hat sie die wichtigsten wissenschaftlichen Ergebnisse zur | |
Aktualität von Rollenbildern verpasst. Dabei ist nicht alles leichter | |
geworden: Früher wurde klar ausgesprochen, dass Frauen bestimmte Posten | |
nicht bekommen. Das konnte man offensiv angehen. Heute gibt es eine | |
politisch korrekte Emanzipationsfolklore, da werden andere Gründe | |
vorgeschoben. Die gläserne Decke gibt es nicht mehr, dafür kämpfen Frauen | |
gegen Gummiwände. | |
Was tun junge Frauen dagegen? | |
Gerade unter jungen Menschen wird so getan, als existiere keine | |
Ungleichbehandlung mehr. Später zwingen die Bedingungen doch in | |
Rollenmuster: fehlende Kita-Plätze, typische Partner- und Berufswahl. Das | |
gilt dann als individuelle Schuld und eigenes Versagen. Junge Frauen | |
steuern eher auf ein Burn-out zu, als dass sie dem Chef sagen: So nicht! | |
Woher kommt das? | |
Das ist eine Überanpassung ans kapitalistische System. Das ist in einer | |
männlichen Monokultur entstanden, bei der die Frau zu Hause blieb. Darunter | |
leiden heute Frauen und Männer. | |
Also müssen sich vor allem die Arbeitsstrukturen ändern? | |
Ja, aber Gleichberechtigung hat mehrere Aspekte: Die idiotische deutsche | |
Präsenzkultur, die Verfügbarkeit und Qualität von Krippenplätzen. | |
Da hat sich doch etwas getan. | |
Krippenplätze existieren nur auf dem Papier. Wo das Geld in den Kommunen | |
herkommen soll, ist nach wie vor ein Rätsel. | |
Deshalb gibt es einen Rollback zur Mutterrolle? | |
Ich kann verstehen, dass sich hochqualifizierte Frauen, die gegen | |
Gummiwände kämpfen, aus Erschöpfung in die Mutterrolle zurückziehen. Das | |
birgt aber ein enormes Lebensrisiko. Mit dem neuen Unterhaltsrecht landen | |
sie nach einer Trennung im Zweifel auf Hartz IV. Und besonders schizophren: | |
Durchs Ehegattensplitting fördert die Regierung die traditionelle | |
Rollenverteilung. | |
Was bedeutet das für Familien? | |
Früher waren kleine Kinder Garant für eine stabile Beziehung, inzwischen | |
sind sie eher ein Garant für eine Trennung. Männer und Frauen geraten bei | |
den aktuellen Bedingungen unter immensen Druck. Daran zerbrechen immer | |
öfter Beziehungen. | |
Geht es auch anders? | |
Man braucht klare Abmachungen, bevor das erste Kind da ist: Wann kommt der | |
Wiedereinstieg, welche Vorschläge mache ich dem Arbeitgeber, was passiert | |
bei einer Trennung. Zu oft denkt man: Das ergibt sich. | |
Mit gleichberechtigten Rollen ändern sich gesellschaftliche | |
Rahmenbedingungen nicht. | |
Nein. Das bedeutet Ärger, Stress und Druck - für beide Partner. | |
Warum sollten sich Familien dann dieses Modell antun? | |
Sie kommen wahrscheinlicher um eine Trennung herum. | |
Hat das bei Ihnen geklappt? | |
Ja. Aber ich weiß, wovon ich rede, und auch bei uns war es manchmal sehr | |
knapp. | |
17 Nov 2010 | |
## AUTOREN | |
Manuela Heim | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Neues Unterhaltsrecht: Bayern will Korrekturen | |
Nach einem Urteil des Bundesgerichtshofs müssen geschiedene Mütter Vollzeit | |
arbeiten, wenn ihr Kind drei ist. Bayerns Justizministerin will die harte | |
Linie korrigieren. | |
Deutscher Feminimus aus US-Perspektive: Da lächelt die Amerikanerin | |
Im Ausland verwundert es, dass die Deutschen Kind und Beruf beharrlich als | |
Gegensätze handeln. Gibt es denn keinen Feminismus? | |
Debatte Kristina Schröder: Haut den Feminismus! | |
Wie inszeniere ich mich als modern? Ich zeige mich selbstbewusst wie | |
opportunistisch und fordere, auch die Jungen zu fördern. So funktioniert | |
Kristina Schröders Konservatismus. | |
Debatte Feminismus: Zeiten ändern dich | |
Kristina Schröders Kritik am Feminismus alter Schule ist richtig. Alice | |
Schwarzers offener Brief an die Ministerin zeugt von ihrer Verblendung. | |
Portrait Kristina Schröder: Plötzlich Ministerin | |
Knapp ein Jahr ist die Frauen- und Familienministerin Kristina Schröder im | |
Amt. Erfolge hat die überzeugte Konservative nicht vorzuweisen. |