Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Medien-Dynastien: Die Liga der schillernden Gentlemen
> Sie halten den skurrilen Machtkampf des Kölner Verlagserben Konstantin
> Neven DuMont mit seinem Übervater Alfred für unterhaltsam? Dann schauen
> Sie doch mal nach Großbritannien.
Bild: Rupert Murdoch und sein Sohn Lachlan Murdoch.
LONDON taz | Plötzlich hob der Redner ab. In einer feurigen Suada verdammte
er Hochhäuser als Gefahr für die Schönheit des Landes. Im Publikum wurde es
unruhig. Eben hatte der Mann noch wie vereinbart etwas zur Zukunft der
Presse gesagt und dass er mehr investigativen Journalismus wolle. Viele
Zuhörer hatten geklatscht, nun verstanden sie nur noch Bahnhof.
Der Mann, der am vergangenen Wochenende die TeilnehmerInnen der Konferenz
der Society of Editors im schottischen Glasgow verwirrte, heißt Alexander
Lebedew, und die von ihm verdammten Hochhäuser sind in St. Petersburg
geplant. Lebedew ist gelernter KGB-Spion, nutzte Kontakte und Einfluss nach
dem Ende der Sowjetunion geschickt, um sich als Oligarch ein kleines
Firmenimperium nebst zugehörigem Milliardenvermögen zuzulegen - und schulte
dann überraschend auf Putin-Gegner und Londoner Zeitungsbesitzer um.
Lebedew ist nur ein Exemplar der Gattung Verleger auf der Insel, bei dem
sich ungewöhnlicher Lebenslauf, Exzentrik und ernsthafte Mission verbinden.
Wer den Kölner Verlagserben Konstantin Neven DuMont schon für exzentrisch
hält und das von ihm und seinem Vater Alfred aufgeführte Theaterstück um
die Machtfrage im Verlag für aufregend, dem sei ein Blick nach England
empfohlen. In Sachen eigenwillige Zeitungsmagnaten mit angeschlossenen
dynastischen Verwicklungen ist nämlich die britische Presse immer noch die
beste der Welt.
Dass Rupert Murdoch, der wohl einzige wirklich globale Medienunternehmer
der Welt, seine Nachfolge immer noch nicht geregelt hat, mag noch angehen.
Dass der 79-Jährige mit der "Pay Wall", der Bezahlpflicht für sämtliche
Produkte seiner News Corporation, alles auf eine Karte setzt, steht da
schon auf einem ganz anderen Blatt.
Und im Gegensatz zu den deutschen Kalamitäten, beispielsweise bei DuMont
Schauberg, schwingt bei den Anliegen und Exaltiertheiten der Herren der
britischen Blätter auch immer gleich Weltgeltung mit: Wer über Independent,
Times und Guardian oder die großen Boulevardblätter wie den Daily Express
oder die Sun gebietet, spielt in einer etwas anderen Liga als Kölner
Stadtanzeiger, Express, Berliner Zeitung - oder die taz.
Bei den Londoner Titeln schwingt immer noch der Mythos der Fleet Street
mit, wo mächtige Chefredakteure ganze Regierungen stürzen können. Und wo
der Zeitungsverleger nicht einfach ein "Newspaper Owner" ist, sondern viel
nobler "Proprietor" heißt. Dafür sind allerdings auch die Verluste
wesentlich höher als in Deutschland - nur DuMont kann mit der Frankfurter
Rundschau (Verlust 2009: 24,5 Millionen Euro, wobei hier allerdings noch
andere Gesellschafter mitbezahlen) halbwegs mithalten.
In Britannien wechseln dagegen Zeitungen schon mal für ein symbolisches
Pfund Sterling den Besitzer - wenn der Käufer das laufende Defizit nebst
Schulden übernimmt. Alexander Lebedew tat das - und kaufte im März den
angeschlagenen Independent für umgerechnet 1,20 Euro. Was aber verleitet
erwachsene Männer - Frauen sind hier wie in Deutschland eher selten - sich
ein solch teures Hobby hauptberuflich zu leisten?
Es geht um Prestige wie Macht - und die Möglichkeit, beides zu nutzen. Der
britische Verleger Richard Desmond ist dabei ein verhältnismäßig einfach
strukturierter Fall. Ihm kommt es allein auf das Ansehen an. Wer seine
ersten Millionen mit Porno-Titeln wie Horny Housewives ("Heiße Hausfrauen")
oder The Very Best of Mega Boobs ("Die besten Megamöpse") macht, bekommt
keine Einladungen zum Tee bei der Königsfamilie.
Desmond stieg mit der Übernahme des Daily Express vor zehn Jahren ins
seriöse Feld auf, trennte sich 2004 von seinen Herrenmagazinen und macht
jetzt nur noch ein bisschen Porno im Pay-TV.
Dieses Jahr übernahm er, ganz respektabler Medienmanager, den bislang zur
RTL-Gruppe gehörenden Fernsehsender Five. Ganz oben angekommen in der
Sphäre, wo Regierungschefs gemacht oder gestürzt werden, ist er aber noch
nicht.
Hier sind Lebedew und Murdoch ganz andere Kaliber - mit höchst
unterschiedlichen Anliegen und Gebaren. Lebedew sei eine Mischung aus
Moskauer Businessman und anglophilem Philanthropen, der wenig Zeit für
seine russischen Oligarchenfreunde habe, schreibt der Guardian. Nach
übereinstimmendem Urteil britischer Journalisten hält sich der Mann, der
bis 1991/1992 als Wirtschafsattaché getarnt an der sowjetischen Botschaft
für den KGB arbeitete, mit redaktionellen Vorgaben weitgehend zurück.
Das Londoner Lokalblatt Evening Standard, das Lebedew schon vor dem
Independent gekauft hatte, berichte seit der Machtübernahme des Russen aber
deutlich engagierter als vorher über Lokalpolitik und Korruption, sagt die
Medienwissenschaftlerin Andrea Esser von der Londoner Roehampton
University. Korruption ist eines von Lebedews Lieblingsthemen.
Sein Presseengagement ist auch eine Machtdemonstration gegenüber allen
"lupenreinen Demokraten" im Kreml (Exkanzler Gerhard Schröder über Wladimir
Putin).
"Pressefreiheit kann auch erodieren, deshalb müssen wir sie beschützen",
sagte Lebedew auf der Editorkonferenz in Glasgow: "Sie ist ein Schutz gegen
Tyrannei, Korruption, Unrecht - und sie kann und sollte von Zeit zu Zeit
das Licht sein, das gerade die Dunkelheit durchleuchtet, hinter der die
Mächtigen und Korrupten ihre Machenschaften verstecken wollen."
Zusammen mit Michael Gorbatschow gibt Lebedew in Moskau die Kreml-kritische
Nowaja Gaseta heraus. Der ehemalige Geheimdienstleutnant hat eine recht
eigentümliche Erklärung dafür, wie in ihm das Interesse an unabhängiger
Berichterstattung erwachte: Beim KGB habe er "jeden Morgen sieben oder acht
Zeitungen gelesen und ausgewertet". Da sei ihm irgendwann klar geworden,
wie wichtig eine freie Presse sei.
Wenn Lebedew verhindert ist, übernimmt sein Sohn Jewgeni, der fest als Chef
der väterlichen Firmen in London installiert ist. Jewgeni musste dafür zwar
sein Jetsetleben deutlich zurückfahren. Er gilt aber weiterhin als
Britanniens bestangezogener Medienmanager.
Von Rupert Murdoch lässt sich das nicht wirklich sagen. Doch mit
öffentlichen Auftritten hat es der Herrscher über Times, Sun, News of the
World und die TV-Plattform BSkyB ohnehin nicht so. Mit redaktioneller
Einflussnahme dafür um so mehr: Murdoch schaltet über seine Blätter die
Unterstützung für einzelne Parteien an oder aus.
Stellten sich seine Londoner Titel ab 1997 hinter Tony Blair und die
Labour-Partei - die sich in der Regierung dann mit einem neuen,
liberalisierten Mediengesetz erkenntlich zeigte -, rief man bei den
Parlamentswahlen im Mai dieses Jahres genauso klar zur Wahl der
konservativen Tories auf.
Dummerweise lässt sich eine Bezahlpflicht für journalistische Inhalte im
Internet nicht per Gesetz einführen. Genau die hat Murdoch im Sommer der
Times verordnet und will sie bis Jahresende auch auf seine Boulevardtitel
ausdehnen.
Der Patriarch macht auch keinen Hehl daraus, dass er als "Proprietor"
inhaltlich Einfluss nimmt und auch schon mal Artikel ins Blatt einrücken
lässt. Das gehöre zum Recht des Verlegers - darin gleicht Murdoch dann bei
allen Unterschieden doch dem Kölner Verlagspatriarchen Alfred Neven DuMont.
Und auch in Sachen dynastischer Nachfolge hätten sich die beiden alten
Herren eine Menge zu erzählen: Murdoch hatte zunächst seinen ältesten Sohn
Lachlan als Nachfolger auserkoren. Doch der hatte 2005 die Nase voll und
kehrte zurück zum Familienstammsitz nach Australien. Schwester Elisabeth -
einst Chefin von BSkyB - war da schon weg: Auch sie überwarf sich mit
Murdoch Senior und ist seitdem als unabhängige TV-Produzentin unterwegs.
"Familienunternehmen sind großartige Unternehmen", zitiert Murdoch-Biograf
Michael Wolff ein Gespräch mit Lachlan: "Aber natürlich gibt es da auch
Schwierigkeiten". Wenn man sich den Hauptcharakterzug von Rupert Murdoch
anschaue, "dieses Nach-vorn-Denken, führt das auch dazu, dass er manchmal
nicht versteht oder anerkennt, wie schwierig etwas sein kann", sagt Lachlan
- und fügt plötzlich ironisch hinzu: "Wussten Sie, dass mein Vater niemals
sterben wird?"
Auch davon kann Konstantin Neven DuMont ein Lied singen, zumal alle Welt es
nun sogar schriftlich von seinem Vater hat, [1][dass man den "noch eine
Zeit lang ertragen muss".] Doch es bleiben Unterschiede. Murdoch hat noch
ein paar Kinder auf Lager.
Derzeit ist Lachlans Bruder James der Kronprinz. Aber vor allem ist
Murdochs Familie "eine enge, mächtige und diskrete Dynastie, die sich über
drei Kontinente erstreckt und es vorzieht, ihre dreckige Wäsche nicht in
aller Öffentlichkeit zu waschen" (Wolff). Dazu verpflichten schließlich
britische Distanz und Reserviertheit. Auch wenn man eigentlich Australier
oder Russe ist.
20 Nov 2010
## LINKS
[1] /1/leben/medien/artikel/1/wer-den-patriarchen-anpinkelt/
## AUTOREN
Steffen Grimberg
## ARTIKEL ZUM THEMA
Eine Zeitung für das iPad: Jeden Morgen frisch aufs Display
Rupert Murdoch investiert 30 Millionen Dollar in sein Projekt "Daily" -
eine Zeitung exklusiv fürs iPad. Aber ob sich dafür wirklich zahlende
Kunden finden lassen?
"Geschäftsschädigender" Verlegersohn: Konstantin Neven DuMont abberufen
Der Aufsichtsrat der Mediengruppe M. DuMont Schauberg hat Konstantin Neven
DuMont als Herausgeber dreier Zeitungen abberufen. Damit wolle man "Schaden
abwenden".
Tageszeitung nur fürs iPad: "Daily" kommt mit Apples Hilfe
Auf eine gedruckte Ausgabe verzichtet haben schon einige Verleger. Aber
auch gleich noch auf den Webauftritt? Rupert Murdoch plant eine
Tageszeitung nur fürs iPad und ähnliche Geräte.
Clanstreit bei DuMont: Wer den Patriarchen anpinkelt
Alfred und Konstantin Neven DuMont kommunizieren über die Medien
miteinander. Und nun fliegt der Sohn auch noch aus dem Impressum der
"Frankfurter Rundschau".
Konstantin Neven DuMont teilt weiter aus: Erbe außer Rand und Band
Offiziell ist das Schicksal von Konstantin Neven DuMont nach wie vor offen.
Nach dem, was der Verlagserbe aber im Focus-Interview so äußert, wird er
dort wohl keine Zukunft haben.
Affäre um Konstantin Neven DuMont: Der beste Mann braucht Hilfe
Derzeit macht Konstantin Neven DuMont mit einer bizarren Blog-Affäre von
sich reden. Sein Vater will ihn unbedingt als Erben, dieser Druck lässt den
Junior immer wieder straucheln.
Verleger Konstantin Neven DuMont: Eine kölsche Tragikomödie
Der Verlagserbe des Hauses M. DuMont Schauberg will angeblich das Handtuch
werfen. Er selbst dementiert. Und zu einer bizarren Blog-Kommentaraffäre
schweigt er.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.