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# taz.de -- Die Rechtslage bei der Bürgerversicherung: Gemeinwohl hat Vorrang
> Die Einführung einer Bürgerversicherung ist verfassungsrechtlich möglich
> – wenn es dabei um mehr als nur um symbolische Politik geht.
Bild: Die diskutierte Aufhebung der Beitragsbemessungsgrenzen in den gesetzlich…
FREIBURG taz | Das Bundesverfassungsgericht hat dem Gesetzgeber bei der
Ausgestaltung der Sozialversicherung schon immer großen
Gestaltungsspielraum gelassen, vor allem wenn es um die Sicherung der
Funktionsfähigkeit ging. Die Einführung einer radikalen Form der
Bürgerversicherung, die wirklich etwas bewirkt, wäre deshalb eher zu
rechtfertigen als halbherzige Schritte, die vor allem symbolische Wirkung
haben.
Wenn die private Krankenversicherung (PKV) abgeschafft und verboten würde,
wäre das ein massiver Eingriff in die Berufs(wahl)freiheit. Dies wäre nur
möglich zum Schutz eines "überragenden Gemeinwohlguts". Gutachten müssten
dann belegen, dass die gesetzliche Krankenversicherung nur durch
Einbeziehung der bisher privat Versicherten funktionsfähig bleibt.
Die Hürde wäre niedriger, wenn private Kassen nur unter das gemeinsame Dach
einer Bürgerversicherung gezwungen würden. Die Privatkassen müssten dann
zwar nach gleichen Regeln wie die gesetzlichen wirtschaften, blieben aber
bestehen. Ein solcher Eingriff in die Berufs(ausübungs)freiheit kann durch
"jede vernünftige Erwägung des Gemeinwohls" gerechtfertigt werden, so
Karlsruhe - wenn die Verhältnismäßigkeit der Mittel gewahrt bleibt.
Zwar hat kein Unternehmen einen Anspruch, dass die Rahmenbedingungen, auf
denen sein Geschäftsmodell beruht, auf Dauer bestehen bleiben. Das Ziel
"Abschaffung der Zweiklassenmedizin" ist aber eher symbolisch. Auch bei
einer einheitlichen Bürgerversicherung könnte sich ja jeder, der es sich
leisten kann, über Zusatzversicherungen eine Vorzugsbehandlung erkaufen.
Betroffen von einer rot-grünen Reform wären auch die Kunden der
Privatkassen. In ihre Handlungsfreiheit würde eingegriffen, wenn sie sich
künftig nach neuen Regeln versichern müssten. Dies ist zulässig, wenn
dadurch die Funktionsfähigkeit der gesetzlichen Krankenversicherung
geschützt wird, aber wohl nicht, um ein abstraktes Gleichheitsideal
umzusetzen.
Die Privatversicherten haben zwar mit ihren bisherigen Prämien auch
Altersrückstellungen finanziert, die als Eigentum geschützt sind. Eine
Mitnahme in die Bürgerversicherung ist aber nicht erforderlich, denn diese
Rückstellungen sollen nur den PKV-typischen Anstieg der Prämien im Alter
abmildern. Dagegen steigen in der gesetzlichen Krankenversicherung die
Beiträge im Alter gar nicht an.
Die diskutierte Aufhebung der Beitragsbemessungsgrenzen in den gesetzlichen
Kassen verstößt nicht gegen das Grundgesetz. Denn in der gesetzlichen
Krankenversicherung gilt das Solidarprinzip, nicht das Äquivalenzprinzip.
Die Beiträge müssen also nicht in einem bestimmten Verhältnis zur Leistung
stehen.
Das war schon bisher so, weil der Reiche beim selben Beitragsatz von 15
Prozent ja mehr Geld an die gesetzliche Kasse zahlt als der Arme. Die
bisherige Obergrenze sollte verhindern, dass zu viele Reiche in die PKV
wechseln - was aber nicht mehr nötig wäre, wenn im Rahmen der
Bürgerversicherung überall dieselben Regeln gelten würden.
21 Nov 2010
## AUTOREN
Christian Rath
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