Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Überarbeitetes Konzept Bürgerversicherung: Klientelpolitik Marke …
> Die SPD stellt ein weichgespültes Krankenversicherungs-Konzept vor.
> Wesentliche Forderungen der Parteilinken sind nicht mehr dabei.
Bild: Ob sie wohl 2017 noch vorn mit dabei sind? Sigmar Gabriel und Frank-Walte…
BERLIN taz | Die SPD will mit dem Ausstieg aus der Zweiklassenmedizin die
Bundestagswahl 2013 gewinnen – und muss dazu die gut verdienende Mitte als
Wähler zurückholen. Also hat die Partei ihr Konzept der Bürgerversicherung
klientelorientiert angepasst. Sie wagt dabei die Abkehr von urlinken
SPD-Positionen.
Arbeitnehmer, die sehr viel verdienen, sollen deswegen nicht mehr
automatisch höhere Krankenkassenbeiträge zahlen müssen. Und: Miet- und
Kapitaleinkünfte sollen nun doch nicht bei der Festsetzung der Beiträge
berücksichtigt werden. Am Montag verabschiedete das Parteipräsidium das
Konzept ihrer Generalsekretärin Andrea Nahles und ihres Gesundheitsökonomen
Karl Lauterbach.
Die Bürgerversicherung wäre nicht sehr viel kostengünstiger als das
bestehende System, würde die Kosten aber wieder paritätisch zwischen
Arbeitgebern und Arbeitnehmern verteilen und wäre damit "gerechter", sagte
Lauterbach. Dennoch würden die Arbeitnehmer bei diesem Modell – gemessen am
Stand von heute – um etwa 5 Milliarden Euro entlastet. Die Arbeitgeber
würden hingegen mit etwa 5 Milliarden Euro mehr belastet.
## Bürgerversicherung: nicht viel günstiger, aber gleicher
Die SPD schafft das mit einem Kniff: Sie führt die "nominale Parität" ein.
Diese bedeutet, dass insgesamt aus beiden Lagern zwar gleich viel Geld ins
System fließt, allerdings zu unterschiedlichen Konditionen und
Beitragssätzen.
Arbeitgeber würden einen Beitragssatz von 7,08 Prozent zahlen, allerdings
bezogen auf das gesamte Gehalt ihrer Angestellten, also – anders als bisher
– ohne Einkommensgrenze nach oben. Die Arbeitnehmer dagegen sollen
durchschnittlich 7,6 Prozent ihres Bruttolohns zahlen. Für sie jedoch
bleibt die Beitragsbemessungsgrenze, also die Höchstgrenze, ab der die
Beiträge gedeckelt sind, bestehen. Derzeit liegt sie bei 44.550 Euro
Jahresgehalt.
Dies ist eine Kampfansage an Unternehmen mit einer hohen Zahl an
Spitzenverdienern. Außerdem ist es ein klares Zugeständnis an die gut
verdienende Mitte der Arbeitnehmerschaft: Denn die wäre bei der bislang von
der SPD angedrohten Anhebung oder gar Abschaffung der Bemessungsgrenze
erheblichen finanziellen Zusatzbelastungen ausgesetzt gewesen. Davor soll
sie nun verschont werden.
## Nicht mehr dabei: Kapital, Mieten, Immobilen einbeziehen
Auf der Strecke bleibt auch die Kernforderung der SPD-Linken,
Kassenbeiträge nicht nur über die Gehälter zu finanzieren, sondern auch
über Kapitaleinkünfte, Mieteinnahmen oder Immobilienbesitz. Denn die SPD
hat jetzt ausgerechnet: Der bürokratische Aufwand, dieses Geld
einzutreiben, lohne den Zusatznutzen nicht. Denn wer viel Kapital oder
Häuser besitzt, der hat auch oft ein gutes Gehalt – und erreicht bereits so
die Beitragsbemessungsgrenze.
Zusatzbeiträge sowie der Sonderbeitrag von 0,9 Prozent würden abgeschafft.
Steigen müsste dagegen der Steuerzuschuss zur Krankenkasse, prognostiziert
die SPD, und zwar von derzeit 15,3 Milliarden Euro um etwa 300 Millionen
Euro pro Jahr. Im Gegenzug soll die Abgeltungsteuer, die auf Kapitalerträge
und Veräußerungsgewinne erhoben wird, von derzeit 25 auf 30 Prozent erhöht
werden.
## Privatversicherte dürften in Altverträgen bleiben
Die Bürgerversicherung würde ab einem Tag X ohne Übergangsfrist gelten.
Bislang gesetzlich Versicherte sowie alle neu Versicherten wären
automatisch Mitglieder. Privat Versicherten würde ein Wechselrecht unter
Mitnahme ihrer Altersrückstellungen eingeräumt, sie dürften aber auch in
ihren Altverträgen bleiben. Die privaten Krankenversicherungen, so der
Traum der SPD, dürften Neuverträge dann nur noch zu den Bedingungen der
Bürgerversicherung anbieten.
11 Apr 2011
## AUTOREN
Heike Haarhoff
## ARTIKEL ZUM THEMA
Kommentar SPD: Die große Verunsicherung
"Neuer Fortschritt" klingt nach altsozialdemokratischen Zeiten, als die SPD
noch eine Mission hatte. Der Begriff ist muffig und zeigt, wie unsicher
sich die Partei ihrer selbst ist.
Debatte Krankenversicherung: Reiche Versuchskaninchen
Private Krankenversicherungen garantieren nicht, dass ihre Mitglieder
bestmöglich versorgt werden. Viele Untersuchungen sind nutzlos und nicht im
Sinne der Patienten.
Jürgen Trittin über den Grünen-Boom: "Wir sind keine Wohlfühlpartei"
Bürgerversicherung, ökologischer Umbau, höhere Hartz-IV-Sätze - Jürgen
Trittin, der Vorsitzende der grünen Bundestagsfraktion, erklärt, wie das
gehen soll.
Die Rechtslage bei der Bürgerversicherung: Gemeinwohl hat Vorrang
Die Einführung einer Bürgerversicherung ist verfassungsrechtlich möglich –
wenn es dabei um mehr als nur um symbolische Politik geht.
Grüne Bürgerversicherung: Klientel zur Kasse
Beim Parteitag in Freiburg entschieden sich die Grünen für eine starke
Bürgerversicherung. Das Modell soll besser, billiger und gerechter sein.
Ist das wirklich so?
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.