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# taz.de -- DDR-Atommüll soll nach Majak: Die Sammelkäfige stehen schon bereit
> Die Bundesregierung hält an der umstrittenen Atommüll-Lieferung nach
> Majak fest – dabei haben selbst ihre eigenen Gutachter
> Sicherheitsbedenken.
Bild: Ein Warnschild vor der ehemaligen Schule von Muslimowo, hier ereignete si…
BOCHUM taz | Im Umweltausschuss des Bundestags blieb die parlamentarische
Staatssekretärin im Umweltministerium, Katharina Reiche (CDU), betont
zweideutig. Nach den geplanten Atommüll-Lieferungen nach Russland gefragt,
bestätigte Reiche zwar, dass ein entsprechender Staatsvertrag noch nicht
unterschrieben ist. Meldungen, die Castor-Transporte seien abgesagt,
dementierte Reiches für die Atomaufsicht zuständiges Ministerium aber
umgehend: "Die Prüfung des Antrags ist noch nicht abgeschlossen", sagte
eine Sprecherin von Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU).
Atomkraftgegner sprechen deshalb von einem "Täuschungsmanöver" der
Regierung, das dazu dienen solle, Proteste gegen die geplanten drei
Transporte "kleinzuhalten". Gegen die Lieferung des hochradioaktiven
Materials protestieren Umweltschützer aus Russland und Deutschland schon
seit Monaten. Denn Ziel der Brennelemente, die ursprünglich aus dem
DDR-Forschungsreaktor Rossendorf bei Dresden stammen, ist das noch aus
Sowjetzeiten stammende Atomkombinat Majak.
Die marode Atomanlage hat bei Störfällen ähnlich viel Radioaktivität
freigesetzt wie beim Super-GAU von Tschernobyl. Das bestätigt auch ein im
Auftrag der Bundesregierung erstellter [1][Bericht der Gesellschaft für
Anlagen- und Reaktorsicherheit (GRS)], der der taz vorliegt: "Insgesamt
wurde eine Fläche von 25.000 Quadratkilometern kontaminiert, etwa 500.000
Menschen haben erhöhte Strahlendosen erhalten."
Dokumentiert ist auch die Verseuchung des Flusses Tetscha, der an die
Anlage grenzt. "Alle Gewässer in der Umgebung des Anlagenkomplexes Majak
sind durch die Entsorgung von radioaktiven Abfällen mehr oder minder stark
belastet", heißt es in der Analyse.
Trotzdem hält auch die Bundesregierung diese Art der "Entsorgung" offenbar
für denkbar, schließlich ist die versprochene "Wiederaufbereitung" des
deutschen Atommülls in Russland nicht in Sicht: Derzeit sei "die Anlage
nicht in Betrieb, sodass die Brennelemente zunächst auf dem Anlagengelände
in Majak zwischengelagert werden müssen", schreiben die GRS-Gutachter. Ein
Rücktransport des Atommülls sei "nicht vorgesehen" - dabei gebe es in
Russland kein Endlager für radioaktiven Atommüll.
"Das Tetscha-Kaskadensystem, der Karatschaisee und der See Staroje Boloto
in Majak sind de facto als oberflächennahe Endlager anzusehen", heißt es
weiter. Die Regierung müsse den Atommüllexport endlich absagen, fordern
deshalb auch die Grünen im Bundestag: "Das GRS-Gutachten enthält bereits
genug Gründe, den Transport nicht zu genehmigen", sagte die Grüne Sylvia
Kotting-Uhl.
Nach den Vereinbarungen des Russian Reactor Fuel Return, mit denen die
Rücknahme von radioaktivem Material aus der ehemaligen Sowjetunion geregelt
wird, müssten die geplanten drei Castor-Transporte noch in diesem Jahr
abgeschlossen werden.
Das CDU-regierte Bundesland Sachsen, das den Atommüll unbedingt loswerden
will, macht deshalb Druck: Schon 2005 ließ die dortige Staatsregierung das
hochradioaktive Material aus dem Freistaat schaffen. Seitdem lagern die 951
Brennelemente im Zwischenlager Ahaus in Nordrhein-Westfalen.
Um Russland zufriedenzustellen, sei zumindest einer der drei geplanten
Transporte noch in diesem Jahr wahrscheinlich, warnen Atomkraftgegner dort.
Röttgens Umweltministerium wolle die Anti-Atom-Bewegung offenbar
überraschen, glaubt Felix Ruwe von der Ahauser Anti-Atom-Initiative: "Wir
gehen davon aus, dass der erste Castor unmittelbar nach Erteilung der
Ausfuhrgenehmigung rollen soll, um Klagen russischer Umweltschützer vor
deutschen Gerichten zu vermeiden."
Schon heute bereiteten sich in Ahaus Polizeieinheiten auf den
Atommüllexport vor. "Am Mittwochabend sind bereits Gefangenensammelkäfige
angeliefert worden", berichtet Ruwe. Die rot-grüne Landesregierung in
Düsseldorf versichert dagegen, ihre Beamten seien aus den Vorbereitungen
für den Atommüllexport ausgestiegen: "In diesem Jahr wird es definitiv
keinen Transport geben", heißt es aus dem NRW-Innenministerium.
Auch das für die Atomaufsicht im größten Bundesland zuständige
Wirtschaftsministerium versichert, die billige Entsorgung in Russland "aus
Sicherheitsgründen" bereits abgelehnt zu haben - allerdings sei das Veto
Nordrhein-Westfalens "rechtlich nicht bindend".
3 Dec 2010
## LINKS
[1] /fileadmin/static/pdf/gutachten_grs.pdf
## AUTOREN
Andreas Wyputta
## TAGS
Schwerpunkt Atomkraft
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