# taz.de -- Politiker gegen Atommülltransporte: Die Hafen-Heuchelei | |
> Politiker von deutschen Hafenstädten lehnen Atomtransporte ab. Doch trotz | |
> der Ankündigungen ein Verbot gibt es in den meisten Häfen nicht. | |
Bild: Ein Castor-Behälter im Zwischenlager Ahaus. | |
BREMEN taz | Bremens Bürgermeister Jens Böhrnsen (SPD) hängte sich schon im | |
vergangenen Jahr weit aus dem Fenster. Bremen werde sich "nicht zum | |
Ausputzer der Atomlobby" machen, verkündete er, und dass er den Umschlag | |
plutoniumhaltiger MOX-Brennelemente für das AKW Grohnde in den bremischen | |
Häfen "entschieden ablehnt". | |
Die Bürgerschaft des Städtestaats an der Weser folgte im Februar. Mit | |
rot-grüner Mehrheit beschloss sie, der Senat solle "alle Möglichkeiten | |
ausschöpfen, unnötige Atomtransporte durch das Land Bremen zu verhindern". | |
Geschehen ist allerdings bis heute nichts. | |
Im Gegenteil: Nach wie vor passiert Woche für Woche radioaktive Fracht das | |
Land. Allein im vergangenen Jahr gingen in Bremen und Bremerhaven | |
mindestens dreimal Kernbrennstoffe oder deren Vorprodukte an oder von Bord. | |
Der geplante und umstrittene Castor-Transport ins russische Majak führte zu | |
neuen Protestnoten, einem erneuten Bürgerschaftsbeschluss und - immerhin - | |
einer Arbeitsgruppe, die inzwischen tagt. | |
In anderen Hafenstädten sieht es nicht anders aus. Hamburg, bis vor wenigen | |
Tagen schwarz-grün regiert, dürfte sich mit unzähligen Atomtransporten zwar | |
als maritime Drehscheibe der Nuklearbranche rühmen. Beim | |
öffentlichkeitswirksamen Castor-Protest wollte indes selbst | |
CDU-Bürgermeister Christian Ahlhaus nicht hintenanstehen. | |
Hamburg lehne einen Umschlag des Atommülls ebenso ab wie Bremen, | |
bekräftigte er gestern. Auch der CDU-Innenminister von | |
Mecklenburg-Vorpommern, Lorenz Caffier, schloss sich dieser Position mit | |
Blick auf den Rostocker Hafen an. | |
Ein wirksames Verbot des Umschlags radioaktiver Materialien gibt es jedoch | |
weder hier noch dort. Im Bremer Häfenressort heißt es, dies sei "rechtlich | |
kompliziert". | |
In Lübeck etwa fasste die Bürgerschaft schon 1990 nach tagelangen | |
Hafenblockaden durch DemonstrantInnen den Beschluss, ein Verbot für | |
Atomtransporte in ihre Hafenordnung aufzunehmen. Zu lesen ist es dort bis | |
heute nicht: Die Landesregierung in Kiel wartet noch auf ein | |
Rechtsgutachten, das Lübeck nicht beibrachte. | |
Atomrecht sei Bundesrecht, heißt es im Bremer Häfenressort. Gegen | |
genehmigte Transporte habe man so gut wie keine Handhabe. | |
Zweifel sind angebracht. Das Bundesamt für Strahlenschutz etwa betont, dass | |
man lediglich die Abschirmung der Behälter und Ähnliches prüfe. Route und | |
Termin dagegen seien Sache des Spediteurs und der beteiligten Länder. Und | |
Häfen sind Landessache. Das Bundesverkehrsministerium stellt auf Nachfrage | |
daher klar: "Die Entscheidung über den Umschlag oder Nichtumschlag von | |
Gütern liegt nicht beim Bund." | |
Auch der wohl renommierteste Hafenrechtler Deutschlands, Professor Rainer | |
Lagoni vom Institut für Seerecht und Seehandelsrecht der Universität | |
Hamburg, hält eine Teilentwidmung der Häfen für Atomtransporte | |
grundsätzlich für möglich: "Wenn das Land Bremen sagt, wir ändern unsere | |
Hafenordnung, dann ist das zunächst einmal eine Bremer Angelegenheit." | |
In der Praxis hätte eine solche Teilentwidmung wohl zur Folge, dass der | |
Spediteur, der in seinem Transportantrag plausible Transportrouten | |
vorschlagen muss, die entsprechenden Häfen gar nicht mehr als möglichen | |
Umschlagsort aufführen könnte. Folglich gäbe es auch keine | |
Transportgenehmigung, in der der Name einer dieser Häfen auftauchen könnte. | |
"Das würde ich auch so sehen", sagt Rainer Lagoni. Um Rat gefragt in dieser | |
Angelegenheit hat den Hafenrechtler bisher noch keine Regierung. | |
Erfolgreiches Vorbild für eine solche Herangehensweise ist Emden. Die Stadt | |
setzte vor vielen Jahren einen Atomparagrafen in ihrer besonderen | |
Hafenordnung durch. "Gefahrengüter, die als Atommüll einzustufen sind, | |
dürfen weder gelagert, im Transit befördert noch umgeschlagen werden", | |
heißt es dort. | |
Die Verordnung wurde von der Landesregierung erlassen und zuletzt im Jahr | |
2000 aktualisiert. Man habe keinen Anlass, an der Rechtmäßigkeit des | |
Verbots zu zweifeln, heißt es im niedersächsischen Wirtschaftsministerium | |
in Hannover. | |
Im Fall des Majak-Transports vertraut Bremen bisher darauf, dass die | |
Hafenwirtschaft das Verladen der Castoren verweigert - bisher mit Erfolg. | |
Ein generelles Verbot von Atomtransporten lehnt die Hafenwirtschaft aber | |
ab. Bremen müsse ein "Universalhafen" bleiben - offen für alle Güter. | |
Auf ein Verbot von Kernbrennstoffen könnten zudem jederzeit weitere folgen. | |
Das Bundesverkehrsministerium betont, der Begriff "Universalhafen" sei | |
"eine Typbezeichnung ohne rechtliche Relevanz". | |
3 Dec 2010 | |
## AUTOREN | |
Armin Simon | |
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