# taz.de -- Krise in der Elfenbeinküste: 50 Tote bei gewaltsamen Machtkampf | |
> Die Berichte über schwere Menschenrechstverletzungen in dem Land häufen | |
> sich. Die UNO ist besorgt, und Wahlverlierer Gbagbo verlangt den Abzug | |
> der Blauhelme. | |
Bild: Unterstützer des Noch-Präsidenten Laurent Gbagbo bei einer Soli-Demo am… | |
GENF/ABIDJAN taz/afp | Durch den gewaltsamen Machtkampf in der | |
Elfenbeinküste sind nach UN-Angaben innerhalb von drei Tagen mehr als 50 | |
Menschen getötet worden. UN-Menschenrechtskommissarin Navi Pillay beklagte | |
am Sonntag in Genf "massive Menschenrechtsverletzungen". Der selbsternannte | |
Staatschef Laurent Gbagbo forderte die UN-Blauhelmsoldaten zum Verlassen | |
des Landes auf. UN-Generalsekretär Ban Ki Moon wies dies zurück. | |
Durch die Gewalt in dem westafrikanischen Land seien "in den vergangenen | |
drei Tagen mehr als 50 Menschen getötet und mehr als 200 weitere verletzt | |
worden", erklärte Pillay. Die UN-Truppe in der Elfenbeinküste (UNOCI) habe | |
auch Informationen über Entführungen von Menschen durch bewaffnete Männer | |
in Armee-Kleidung erhalten. Die Opfer würden an geheimen Orten gefangen | |
gehalten, einige seien unter verdächtigen Umständen tot aufgefunden worden. | |
Als die Gendarmen zur Universitätsklinik von Abidjan kamen, brachten sie | |
einen Schwerverletzten mit. "Sie warfen ihn auf eine Trage, wir durften ihn | |
nicht sehen", erzählte ein Augenzeuge gegenüber der | |
Menschenrechtsorganisation Amnesty International. "Ein paar Minuten später | |
sah ein Arzt, dass der Mann gestorben war. Einer seiner Angehörigen | |
protestierte und flehte die Gendarmen an; er wurde zusammengeschlagen und | |
ins Auto der Gendarmerie gestoßen, das ihn an einen unbekannten Ort | |
verschleppte." | |
Viele Mediziner und Pfleger in Abidjans größter Klinik waren da schon | |
geflohen; manche bleiben untergetaucht, fährt der am Wochenende verbreitete | |
Bericht von Amnesty International über die Vorfälle vom vergangenen | |
Donnerstag in der ivorischen Metropole fort. Die Gendarmerie habe Befehl | |
erteilt, bestimmte Verwundete nicht zu behandeln. | |
Mit dem blutigen Scheitern der oppositionellen Massenproteste in der | |
Elfenbeinküste gegen den Machtverbleib des Wahlverlierers Laurent Gbagbo am | |
Donnerstag verschärft sich der Kurs des Regimes gegen Oppositionelle und | |
vermutete Anhänger des Wahlsiegers Alassane Ouattara. Das | |
Ouattara-Wahlbündnis RHDP (Houphouetistische Sammlung für Demokratie und | |
Fortschritt) hatte erklärt, bei der Niederschlagung der Proteste 45 | |
Menschen seien ums Leben gekommen. Seit der Wahl vom 28. November seien 123 | |
Menschen getötet worden, erklärte die RHDP am späten Freitag und forderte | |
ein Eingreifen der UNO sowie Ermittlungen des Internationalen | |
Strafgerichtshofs. | |
Wie schon bei vergangenen politischen Krisen in der Elfenbeinküste richtet | |
sich die Gewalt der Sicherheitskräfte und Gbagbo-Unterstützer vor allem | |
gegen Nordivorer und Muslime. Der Hohe Rat der Imame der Elfenbeinküste | |
(Cosim) verurteilte am Wochenende Angriffe auf Moscheen am Freitag, dem | |
islamischen Feiertag. In Abobo, einem hauptsächlich von Nordivorern | |
bewohnten nördlichen Stadtteil Abidjans, "wurden islamische Gläubige sogar | |
daran gehindert, am Freitagsgebet teilzunehmen", erklärte Cosim. In der | |
Küstenstadt Grand Bassam warfen laut Oppositionsmedien Uniformierte eine | |
Splittergranate in die Moschee während des Freitagsgebet; ein Mensch wurde | |
getötet, viele wurden verletzt. In dem Ort seien unidentifizierte | |
Uniformierte mit Gewehren und Tränengas auf Muslimenjagd gegangen, hätten | |
Frauen zwecks Vergewaltigung verschleppt und Männer gezwungen, sich in die | |
Kanalisationsgräben zu legen. | |
Oppositionszeitungen können in der Elfenbeinküste seit Freitag nicht mehr | |
erscheinen, so dass solche Berichte nur noch über das Internet zirkulieren. | |
In Abidjan hoffen demnach viele Ouattara-Sympathisanten nun auf ein | |
Eingreifen der internationalen Gemeinschaft - oder der Rebellen der "Forces | |
Nouvelles" (FN), die die Nordhälfte des Landes beherrschen und Ouattara als | |
Präsidenten anerkennen. Die halten jedoch noch still. | |
Gbagbo hat seinerseits auf die internationalen Forderungen, er möge bis | |
Wochenende die Macht abgeben, mit der Forderung reagiert, die 10.000 | |
UN-Truppen und 900 französischen Soldaten in der Elfenbeinküste sollten das | |
Land verlassen, da sie nicht mehr neutral seien. UN-Generalsekretär Ban Ki | |
Moon wies dies zurück und erklärte am späten Samstag in New York, die | |
UN-Mission in der Elfenbeinküste (Unoci) werde "ihr Mandat erfüllen und | |
weiterhin Menschenrechtsverletzungen, Aufhetzung zu Hass und Gewalt oder | |
Angriffe auf UN-Friedenstruppen beobachten". | |
In der Nacht zum Freitag wurde in Abidjan eine UN-Patrouille beschossen, am | |
Wochenende wurde das Unoci-Hauptquartier Ziel von Schüssen. Gbagbos | |
radikaler Jugendminister Charles Blé Goudé, Führer der extremistischen | |
Jugendmiliz "Junge Patrioten", kündigte überdies auf einer Kundgebung am | |
Samstag einen "totalen Krieg" ab kommendem Freitag an. | |
19 Dec 2010 | |
## AUTOREN | |
Dominic Johnson | |
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