# taz.de -- Wie Handys uns an die Werbung verraten: "Benutzen sie noch ein Klap… | |
> Handys verraten viel beim Surfen: Darunter Modell und eindeutige Nummer, | |
> die UUID. In den USA kriegen Besitzer alter Handys schon gezielt Werbung | |
> für Neue. Das ist nur der Anfang. | |
Bild: Schon wieder Werbung für das neue Nokia Handy? | |
BERLIN taz | In den USA haben Mediaagenturen damit begonnen, sogenannte | |
"Abfang-Reklame" auf Handys zu platzieren. Damit gemeint sind | |
Werbekampagnen, die sich gezielt an Besitzer bestimmter Geräte wenden, um | |
ihnen dann vermeintlich bessere Mobiltelefone der Konkurrenz | |
aufzuschwatzen. | |
Solche "Intercept Campaigns" veranstaltet laut einem [1][Bericht] des Wall | |
Street Journal aktuell der finnische Handykonzern Nokia. Wer dann mit dem | |
(tatsächlich recht alten) "Razr" von Motorola auf bestimmten Seiten surft, | |
bekommt den wenig dezenten Hinweis, er (oder sie) solle sich doch einmal | |
das "Nokia Twist" ansehen, das sei doch viel besser. "Benutzen sie noch | |
immer eines dieser Aufklapptelefone?" | |
Technisch möglich sind solche Reklameaktionen, weil Handys beim Surfen | |
erstaunlich viel von sich verraten – unter anderem ist häufig der Gerätetyp | |
identifizierbar. Das macht es einfach, Zielgruppen in diesem Bereich | |
konkret anzusprechen. | |
Neben Nokia arbeitet auch Research In Motion, Hersteller des Blackberry, | |
mit ähnlichen Methoden. Hier werden Nutzer von Konkurrenzmodellen mit einem | |
"Erkenne den Unterschied!" angesprochen – und Besitzer älterer | |
Blackberry-Modelle erhalten die Aufforderung, sich doch einmal eines der | |
neueren Geräte anzusehen. | |
Wer mit Handy oder Smartphone surft und Programme (Apps) nutzt, verrät | |
potenziell mehr über sich als am heimischen PC. So hat jedes Gerät eine | |
eindeutige Identifizierungsnummer, die sogenannte [2][UUID]. Diese kann | |
beispielsweise ausgelesen werden, wenn der Nutzer eine App startet – und | |
dann ohne sein Wissen beim Entwickler solcher Programme landen. | |
Für Werbetreibende und Marketingleute ist die UUID ein Traum: Kann sie | |
ausgelesen werden, lässt sich ein Nutzer über mehrere Handy-Anwendungen | |
hinweg verfolgen, denn er hat ja stets diese eindeutige Nummer. Auf dem | |
Desktop-Rechner im Web ist das weniger einfach: Hier gibt es "nur" die | |
sogenannten Cookies, kleine Datenkrümel, die Nutzer neben der (häufig | |
wechselnden) Internet-Adresse identifizierbar machen. Doch die lassen sich | |
problemlos löschen, wenn man weiß, wie – die UUIDs niemals. | |
Derzeit beginnen große Anbieter wie Google und Apple, eigene Reklamenetze | |
für Handys aufzuziehen. Hier werden Werbetreibende zwar keine einzelnen | |
UUIDs ansprechen können, genaue Zielgruppen aber durchaus. Entsprechende | |
Daten sind vorhanden – aus Googles Datenbank von App-Käufen beispielsweise | |
oder Apples Archiv an Filmen, Musik und TV-Sendungen, die ein Nutzer über | |
iTunes erworben hat. Immerhin gibt es bei letzterem die Möglichkeit, ein | |
[3]["Opt-Out"] durchzuführen – sich also abzumelden. | |
Leitet ein Anbieter den Nutzer auf ein Angebot um, das mittels der | |
eigentlich längst veralteten WAP-Technik erstellt wurde, wird es potenziell | |
[4][richtig übel]. Die meisten Handys surfen inzwischen wie PCs mit | |
HTML-Technik. Doch wer mit seinem Handy noch auf den alten WAP-Standard zum | |
Surfen angewiesen ist, muss feststellen, dass die Technik einige | |
Schnüffelei von Außen zulässt. | |
Mit Hilfe zwischengeschalteter Identifizierungsdienste lassen sich etwa – | |
mit freundlicher Unterstützung vieler Netzbetreiber – Rückschlüsse auf die | |
Nummer des Gerätebesitzers ziehen. Zwielichtige Firmen nutzen dies aus, um | |
Handynutzern mit wenigen Klicks kostenpflichtige Abos anzudrehen, die dann | |
"bequem" über die Telefonrechnung abgebucht werden. Wer in solche Fallen | |
tappt, hat viel Ärger. | |
Und dann wäre da noch die Fähigkeit vieler Smartphones, die aktuelle | |
Position des Nutzers mittels Satellitennavigationschip zu identifizieren. | |
Hier fragen zwar aktuelle Betriebssysteme wie iOS (Apple) und Android | |
(Google) den Nutzer stets, ob sie das wünschen. Doch solche Warnungen sind | |
schnell weggeklickt – insbesondere dann, wenn Datensammler beispielsweise | |
Rabatte für sogenannte "Check-ins" versprechen, wie das bei ortsbasierten | |
sozialen Netzwerken wie "Foursquare" oder [5]["Facebook Places"] der Fall | |
ist. | |
Auch hier kommen in den nächsten Jahren nervige Werbeformen auf uns zu: Wer | |
dann beispielsweise eine Filiale einer Kleider-Discountkette betritt, | |
könnte bei der Benutzung eines entsprechenden Apps oder einer bestehenden | |
Verbindunug ins Internet Reklame der Konkurrenz auf der Straßenseite | |
gegenüber auf sein Smartphone gespielt bekommen. | |
27 Dec 2010 | |
## LINKS | |
[1] http://online.wsj.com/article/SB10001424052748703548604576037542299484496.h… | |
[2] http://en.wikipedia.org/wiki/Uuid | |
[3] http://support.apple.com/kb/HT4228 | |
[4] /1/netz/netzoekonomie/artikel/1/abzocke-mit-apps/ | |
[5] /1/netz/netzkultur/artikel/1/places-startet-in-deutschland/ | |
## AUTOREN | |
Ben Schwan | |
## TAGS | |
Schwerpunkt Überwachung | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Online-Werbung: Der Track-App-Nepp | |
Mit sogenannten Supercookies ist es möglich, auch jene PC-Nutzer durchs Web | |
zu verfolgen, die sich verstecken wollen. Auf Smartphones ist die Gefahr | |
noch größer. | |
Hype um Apples Mini-Programme: Wir haben appgetrieben! | |
Der Hype um die Kleinprogramme auf Apples iPhones und iPads hält an. Zehn | |
Milliarden Apps wurden aus dem App Store runtergeladen. Genug! Aus! Schluss | |
damit! | |
Fehler und Lücken in Smartphones: Wenn das iPhone zum Zombie wird | |
Android-Telefone verschicken SMS an falsche Nummern, iPhones wecken nicht | |
mehr: Fehler in Multimedia-Geräten betreffen viele Nutzer. Und es könnten | |
mehr werden. | |
Zwei Klagen gegen Apple in den USA: Angriff auf Apples Identität | |
In zwei unabhängig voneinander eingereichten Klagen werden Apple und | |
mehreren Software-Anbietern illegale Praktiken vorgeworfen. Es geht um | |
Handy-Reklame. | |
Handy-Angriffe auf dem CCC-Kongress: Feature-Phone-Tod per SMS | |
Auf dem CCC-Kongress haben Experten diverse Fehler in kostengünstigen | |
Mobiltelefonen aufgezeigt. Angreifer können Geräte auch aus der Ferne | |
lahmlegen. | |
Bundesjustizministerium plant Gesetz: Per Knopfdruck gegen Abofallen | |
Weil es in der EU bislang keine gemeinsame gesetzliche Lösung gegen | |
Online-Abofallen gibt, prescht das Bundesjustizministerium vor. Doch die | |
Abzocker sind schon weiter. |