# taz.de -- Schuldspruch für Michail Chodorkowski: Eine juristische Farce | |
> Ex-Ölmagnat Michail Chodorkowski, Moskaus bekanntester Häftling, ist | |
> wieder schuldig gesprochen worden. Das Urteil lässt wenig an der | |
> politischen Motivation zweifeln. | |
Bild: "Russland ohne Putin" rufen die Demonstranten vor dem Gericht und werden … | |
BERLIN taz | Russlands prominentestem Gefangenen Michail Chodorkowski | |
dürften weitere Jahre in Haft bevorstehen. Am Montag sprach ein Moskauer | |
Gericht den Ex-Ölmagnaten und früheren Chef des Ölkonzerns Jukos sowie | |
seinen ebenfalls inhaftierten Geschäftspartner Platon Lebedew in einem | |
zweiten Prozess wegen Unterschlagung fremden Eigentums und Geldwäsche für | |
schuldig. | |
Beiden war vorgeworfen worden, zwischen 1998 und 2003 218 Millionen Tonnen | |
Öl im Wert von 27 Milliarden Dollar abgezweigt und illegal weiterverkauft | |
zu haben. | |
"Das Gericht sieht es als erwiesen an, dass Chodorkowski und Lebedew | |
fremdes Eigentum gestohlen haben, indem sie als organisierte Gruppe in | |
Absprache und unter Missbrauch ihrer Position handelten", sagte der | |
Vorsitzende Richter Danilkin zum Auftakt der Urteilsverkündung. | |
Kurz darauf fanden sich sämtliche Pressevertreter vor verschlossenen Türen | |
des Gerichtssaales wieder. Gründe für den Ausschluss der Journalisten von | |
dem Prozess wurden nicht genannt. | |
Das Strafmaß folgt noch | |
Die beiden Angeklagten, die in einem Käfig aus Glas und Stahl saßen, nahmen | |
den Schuldspruch mit Desinteresse zur Kenntnis. Während Lebedew ein Buch | |
las, blätterte Chodorkowski in Dokumenten. | |
Das Strafmaß wurde am Montag noch nicht bekannt gegeben, ein Termin dafür | |
steht nicht fest. Folgt das Gericht jedoch dem Antrag der | |
Staatsanwaltschaft, so würden die beiden Verurteilten erst 2017 entlassen | |
werden. | |
Bereits vor dem Beginn der Verhandlung hatten sich vor dem Gerichtsgebäude | |
hunderte von Chodorkowski-Anhängern versammelt. Auf Plakaten forderten sie | |
"Freiheit", Russland ohne Putin" und skandierten "Schande, Schande!" | |
Angaben der russischen Nachrichtenagentur Interfax zufolge wurden mindesten | |
20 von ihnen festgenommen und in Polizeiwagen abtransportiert. | |
Beobachter hatten eine erneute Verurteilung von Chodorkowski und Lebedew, | |
die bereits 2005 wegen Betruges und Steuerhinterziehung verurteilt wurden | |
und seit sieben Jahren im Gefängnis sitzen, erwartet. Denn was Rechtsstaat | |
in Russland bedeutet, hatte Regierungschef Wladimir Putin unlängst deutlich | |
gemacht, als er im Fernsehen auf Fragen seiner Untertanen antwortete. | |
"Wie der berühmte Sänger Wladimir Wyssozki denke ich, dass ein Dieb im | |
Gefängnis sitzen muss." Und: "Wir müssen davon ausgehen, dass die | |
Verbrechen Chodorkowskis durch das Gericht bewiesen sind", bemerkte der | |
Premier. Demgegenüber hatte sich Russlands Präsident Dmitri Medwedjew, der | |
erklärtermaßen den russischen Rechtsstaat stärken und das Strafrechtssystem | |
reformieren will, zurückgehalten. | |
Weder der Präsident noch eine andere Person im Staatsdienst habe das Recht, | |
ihre Position zu dem Fall Chodorkowski oder einem anderen Verfahren vor der | |
Urteilsverkündung zu äußern, sagte der Staatschef in der vergangenen Woche. | |
Wadim Kljuwgant, einer der Verteidiger Chodorkowskis, bezeichnet den | |
Prozess als "juristische Farce". Die Verurteilung nach einem Schauprozess | |
von 22 Monaten Dauer bestätige doch nur die rigorose Unterordnung des | |
Justizwesens unter die Politik der russischen Administration sowie die | |
Praxis der Straffreiheit für korrupte Beamte, die Chodorkowski immer noch | |
als Bedrohung ansehen. | |
Sein Mitstreiter Juri Schmidt sagte dem Sender Kommersant FM, das Urteil | |
habe schon vor der Aufnahme der Ermittlungen festgestanden. Beide kündigten | |
an, in Berufung gehen zu wollen - notfalls bis zum Europäischen Gerichtshof | |
für Menschenrechte. | |
27 Dec 2010 | |
## AUTOREN | |
Barbara Oertel | |
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