# taz.de -- Verfassungsgericht entscheidet: Hartz-IV-Reform war rechtens | |
> Die Abschaffung der Arbeitslosenhilfe ist kein Verstoß gegen das | |
> Grundrecht auf Eigentum - auch wenn das für ein Drittel der Bezieher | |
> massive Verschlechterungen bedeutet. | |
Bild: Die Einführung von Hartz IV hat weder Grundrechte noch Vertrauensschutz … | |
Die Hartz-IV-Reform verstieß nicht gegen das Grundgesetz. Die Abschaffung | |
der Arbeitslosenhilfe hat weder Grundrechte noch Vertrauensschutz verletzt, | |
das entschied der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts. Der Beschluss | |
wurde am Mittwoch veröffentlicht. | |
Bis 2004 orientierten sich die Zahlungen für Arbeitslose generell an ihrem | |
letzten Verdienst. Im Regelfall bekam ein Jobsuchender ein Jahr lang | |
Arbeitslosengeld in Höhe von 67 Prozent des letzten Einkommens, bei | |
Kinderlosen 60 Prozent. Wer länger keinen Job fand, hatte Anspruch auf | |
Arbeitslosenhilfe in Höhe von 57 Prozent des letzten Verdienstes (53 | |
Prozent bei Kinderlosen). | |
Ab 2005 gilt dagegen die von Rot-Grün eingeführte Hartz-IV-Reform. Wer | |
länger als ein Jahr arbeitslos bleibt, bekommt nur noch Arbeitslosengeld II | |
- auch ALG II oder Hartz IV genannt. Langzeitarbeitslose erhalten nur noch | |
Leistungen auf Sozialhilfeniveau - unabhängig von ihrer vorherigen | |
beruflichen Stellung. Heute beträgt der Hartz-IV-Satz 359 Euro pro Monat | |
plus Wohnkosten. Er wird nur bei Bedürftigkeit gewährt: Arbeitslose mit | |
größerem Vermögen oder Mieteinnahmen gehen leer aus. | |
Die Reform führte für etwa ein Drittel der einstigen Bezieher von | |
Arbeitslosenhilfe zu massiven Verschlechterungen. Wer ein gutes Einkommen | |
hatte, muss sehr schnell mit dem sozialen Absturz rechnen. Entsprechend | |
groß ist die Verunsicherung gerade in der Mittelschicht. Einzelne | |
Betroffene wollten die Reform daher vor Gericht stoppen. | |
Im jetzt entschiedenen Fall hatte ein Mann aus dem Ruhrgebiet geklagt, der | |
Anfang 2005 knapp 60 Jahre alt war. Nach der sogenannten 58er-Regelung | |
wollte er bis zur Rente weiter Arbeitslosenhilfe beziehen. Dass er auf | |
Hartz IV herabgestuft wurde, fand er ungerecht, schließlich habe er fast 40 | |
Jahre lang in die Arbeitslosenversicherung eingezahlt. Sein Anspruch auf | |
Arbeitslosenhilfe sei daher durch das Eigentumsgrundrecht geschützt. | |
Dieser Ansicht hat das Verfassungsgericht nun aber eine klare Absage | |
erteilt. Grundrechtlich geschützt sei nur der Anspruch auf das im ersten | |
Jahr gezahlte Arbeitslosengeld, denn nur dieses werde von der | |
Arbeitslosenversicherung bezahlt. Die anschließende Arbeitslosenhilfe | |
dagegen sei eine vom Staat bezahlte Sozialleistung gewesen, die mit der | |
Arbeitslosenversicherung nichts zu tun hatte. Der Gesetzgeber habe sie | |
daher durch das oft niedrigere ALG II ersetzen können, ohne in Grundrechte | |
einzugreifen. | |
Auch Vertrauensschutz wurde dem Kläger nicht zugebilligt. Die bloße | |
Erwartung, das geltende Recht werde auch in Zukunft unverändert | |
fortbestehen, sei vom Grundgesetz nicht geschützt, erklärten die Richter. | |
Die Verfassung gewähre keinen Schutz vor der nachteiligen Änderung der | |
Rechtslage. | |
Die Entscheidung enthält keine Überraschungen. Karlsruher Beobachter hatten | |
die Klage von vornherein für aussichtslos gehalten. Da sich das | |
Verfassungsgericht im Februar bereits mit der Höhe der Hartz-IV-Sätze | |
beschäftigt hat, wäre es sehr erstaunlich gewesen, wenn die Richter nun die | |
ganze Reform gekippt hätten. | |
Am 9. Februar hatte Karlsruhe entschieden, dass die Höhe des ALG II neu und | |
transparent berechnet werden muss. Insbesondere durfte der Bedarf von | |
Kindern und Jugendlichen nicht mehr einfach aus den Sätzen der Erwachsenen | |
abgeleitet werden. Über die Hartz-IV-Reform haben sich Regierung und | |
Opposition bisher noch nicht geeinigt. (Az.: 1 BvR 2628/07) | |
29 Dec 2010 | |
## AUTOREN | |
Christian Rath | |
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