# taz.de -- Kommentar zur Linkspartei: Nicht Lenin, nur Lötzsch | |
> Die Reaktionen auf Gesine Lötzschs Kommunismuslob sind überzogen. Ihr | |
> Text hat ein ganz anderes Problem. Er zeigt, wie sehr die Linkspartei | |
> geistig im Gestern hockt. | |
Die Reaktionen auf das Lob des Kommunismus von Linksparteichefin Gesine | |
Lötzsch zeigen beispielhaft, wie Aufmerksamkeitsproduktion funktioniert. | |
Ein Reizwort reicht, der Spiegel ruft Skandal, die CDU erklärt die | |
Linkspartei zu Verfassungsfeinden. Was macht es da schon, dass die Union in | |
vielen Kommunen zwischen Cottbus und Magdeburg mit den üblen Stalinisten | |
lautlos zusammenarbeitet? Oder dass Lötzschs Text alles Mögliche ist, aber | |
kein bisschen leninistisch oder antidemokratisch? | |
Das Wort Kommunismus ist in diesem Text ein ungedeckter Wechsel, die | |
Tonlage ist vertraut linkssozialdemokratisch. Es gibt in der Geschichte der | |
Sozialdemokratie unzählige solcher Texte, die mit dem historischen Ziel, | |
der Menschheitsbefreiung anfangen, um beim öffentlich geförderten | |
Beschäftigungssektor zu enden. | |
Das Problem, das dieser Text offenbart, ist nicht die mühsam kaschierte | |
Neigung zum Totalitarismus; er erhellt vielmehr, wie sehr die Linkspartei | |
geistig im Gestern hockt. Es wird gerne Rosa Luxemburg zitiert, die | |
Säulenheilige, die für einen lebendigen Sozialismus ohne Blutflecken stehen | |
soll. Man liebt vergangene Schlachten und den rheinischen Kapitalismus der | |
1970er Jahre, entsprechend selten werden Theoretiker des Heute zitiert. | |
Nicht Robert Castel, nicht Chantal Mouffe. | |
Die Linkspartei denkt schlicht nicht auf der Höhe der Zeit. Die | |
Individualisierung, die Interessensspaltungen innerhalb der Klassen, der | |
revolutionäre Umbau der Industrie- in eine Dienstleistungsgesellschaft, der | |
demografische Umbruch – all das kommt in diesem Weltbild nicht mal am Rande | |
vor. | |
Das Problem der Partei von Lötzsch und Ernst ist nicht, dass in ihr | |
diktatorische Energie schlummerte. Sondern dass sie es sich im Vergangenen | |
gemütlich macht. | |
5 Jan 2011 | |
## AUTOREN | |
Stefan Reinecke | |
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