| # taz.de -- Auf der Rosa-Luxemburg-Konferenz: Genosse Krenz isst Würstchen | |
| > Der Auftritt der Linken-Chefin Gesine Lötzsch war wie ein fernes Echo der | |
| > Kritik-und-Selbstkritik-Rituale der SED. Danach mied sie wenig souverän | |
| > die Debatte mit Inge Viett. | |
| Bild: Linken-Chefin Lötzsch winkt und geht ab. Über die Zuspitzung der Verhä… | |
| Egon Krenz, der letzte DDR-Chef, steht am Tresen, isst ein Würstchen und | |
| möchte nicht mit der bürgerlichen Presse reden. Im Saal in der Urania | |
| Berlin hat der venezolanische Botschafter im Iran gerade eine 45-minütige | |
| Rede beendet. Der Moderator feiert die neue "antiimperialistische Achse des | |
| 21. Jahrhunderts", damit sind das Chávez-Regime und die Mullah-Diktatur | |
| gemeint. Der Saal ist überfüllt. Gleich soll die Chefin der Linkspartei, | |
| Gesine Lötzsch, auftreten. Aber sie lässt noch auf sich warten. | |
| Die Rosa-Luxemburg-Konferenz der Ex-FDJ-Zeitung junge welt ist eine Art | |
| politischer Parallelkosmos zu der Welt da draußen, die im hiesigen Jargon | |
| "BRD" heißt. Die Szene wird von ganz Alten und ganz Jungen dominiert, von | |
| 80-jährigen DDR-Nostalgikern mit Kordhose und 20-Jährigen mit rot gefärbten | |
| Haaren. Man trifft hier Exmaoisten, Stasi-Schönredner, Exterroristen, | |
| ETA-Sympathisanten, Autonome. Und Gesine Lötzsch, Linkspartei-Chefin. | |
| Lötzsch steht unter Druck, weil sie in einem Text für diese Konferenz von | |
| Kommunismus geredet hat, ohne die Terroropfer zu erwähnen. Der Text | |
| plädiert eigentlich für demokratischen Sozialismus, aber das ging in der | |
| Aufregung unter. Die CSU erwägt gar ein Verbot der Linkspartei. Aber auch | |
| der Linke-Fraktionschef Gregor Gysi fand, dass sich Lötzsch nicht zum | |
| Kommunismus äußern kann, ohne von Verbrechen zu reden. Ostpragmatiker | |
| forderten von ihr, wenigstens auf dem Podium mit der Exterroristin Inge | |
| Viett und der DKP-Chefin Bettina Jürgensen Klartext zu den kommunistischen | |
| Verbrechen zu finden. Es kommt anders. | |
| Lötzsch betritt mit festgefrorenem Lächeln die Bühne. "Es wurde enormer | |
| Druck auf mich ausgeübt, hier nicht zu erscheinen", sagt sie. Mit Viett und | |
| Jürgensen wird sie nicht debattieren. Sie stellt sich lieber selbst sechs | |
| Fragen und wettert. "Wer völkerrechtswidrige Kriege führt, soll mir nicht | |
| erklären, was Demokratie ist." Der Saal jubelt. Zu den kommunistischen | |
| Verbrechen sagt sie ein paar dürre Worte. Sie versichert, sie habe beim | |
| "Schreiben des Textes an die Opfer des Stalinismus gedacht". Warum davon | |
| nichts in dem Text steht, verrät sie nicht. Dann attackiert sie noch Gysi, | |
| weil der den Begriff Kommunismus für nicht mehr brauchbar hält. Am Ende des | |
| Statements feiert der Saal begeistert eine Heldin, die dem Druck der | |
| Konzernmedien tapfer standgehalten hat. Es ist ein Auftritt wie ein fernes | |
| Echo parteikommunistischer Kritik-und-Selbstkritik-Rituale. Lötzsch meidet | |
| die Debatte mit Viett und der DKP. Souverän ist das nicht. Vor allem nicht | |
| für eine Parteichefin. | |
| Danach debattiert die Runde ohne sie. Die DKP-Chefin Jürgensen fordert die | |
| "revolutionäre Umgestaltung des Kapitalismus". Der Ex-RAFlerin Inge Viett | |
| reicht das nicht. Überall, so Viett, würden sich die Klassenwidersprüche | |
| zuspitzen, doch die Revolution stagniere. Man brauche, so die 66-Jährige | |
| mit Kurzhaarschnitt, eine halb illegale Kaderpartei. Selbstverständlich | |
| müsse man dabei "die bürgerliche Rechtsordnung nur taktisch" sehen. | |
| Bundeswehr-Lkws abzufackeln sei legitim. Der Saal klatscht. Man hätte gern | |
| gewusst, ob Lötzsch diesem zwischen totalitärer Selbstermächtigungsfantasie | |
| und Altersstarrsinn changierenden Unfug widersprochen hätte. Das zaghaft | |
| flackernde Licht der Vernunft leuchtet auf diesem Podium nur bei der | |
| DKP-Chefin mal kurz auf. Sie zweifelt, ob es klug ist, Bundeswehr-Fahrzeuge | |
| abzufackeln. Am Ende schmettert der Saal die Internationale. Am Ausgang | |
| sagt ein Jung-Militanter, dass die DKP auch "nur sozialdemokratische | |
| Scheiße" rede. | |
| 9 Jan 2011 | |
| ## AUTOREN | |
| Stefan Reinecke | |
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| DDR | |
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