# taz.de -- Berliner Sozialgericht: Rekord bei Hartz-IV-Verfahren | |
> Beim größten Sozialgericht Deutschlands gingen 2010 noch einmal 20 | |
> Prozent mehr Klagen gegen Hartz-IV ein als im Vorjahr. Die CDU schlug | |
> vor, Gerichtsgebühren zu erheben. | |
Bild: Überlastet: Poststelle des Sozialgerichts in Berlin, Posteingang. | |
Die Klagewelle gegen Hartz IV ebbt nicht ab. Beim Berliner Sozialgericht, | |
dem größten in Deutschland, gingen 2010 fast 32.000 neue Verfahren ein - 20 | |
Prozent mehr als im Vorjahr. "Die Klagewelle erreicht Jahr für Jahr | |
Rekordmarken", sagte Gerichtspräsidentin Sabine Schudoma am Dienstag. | |
"Inzwischen erreichen uns die Klagen im 12-Minuten-Takt." Dazu gehören zwar | |
auch Verfahren gegen die Renten- oder Krankenversicherung. Sie machen aber | |
nur einen kleinen Teil aus: Fast drei Viertel aller Neueingänge betreffen | |
Hartz IV. | |
"Die Klagewelle ist keine Wutwelle", sagte Schudoma. Den Menschen gehe es | |
nicht um allgemeine Empörung gegen "die da oben", sondern um konkrete | |
Probleme, die nicht zufriedenstellend gelöst worden seien. Dafür spricht | |
auch die ungewöhnlich hohe Erfolgsquote: 50 Prozent der Hartz-Kläger | |
erhalten zumindest teilweise recht. In anderen Verfahren liegt die Quote | |
deutlich darunter. | |
So warnte Schudoma auch davor, Gerichtsgebühren einzuführen, um Klagen zu | |
erschweren. Zuletzt hatte der brandenburgische CDU-Abgeordnete Danny | |
Eichelbaum eine Gebühr in Höhe von 75 Euro gefordert. Der Bundesrat hatte | |
sich in der Vergangenheit gar für Gebühren bis 300 Euro ausgesprochen. Für | |
Schudoma zeigt jedoch der Klageerfolg: "Der freie Zugang zur Justiz ist | |
wichtiger denn je." Sie forderte stattdessen, dass die Jobcenter für jedes | |
Verfahren, an dem sie beteiligt sind, wieder eine pauschale Gerichtsgebühr | |
von 150 Euro entrichten sollten, wie es bis Mitte 2006 der Fall war. "Das | |
könnte einen wirkungsvollen Anreiz zur außergerichtlichen Streitbeilegung | |
schaffen." | |
Gründe für die Klagewelle sieht sie unter anderem in der Überlastung der | |
Jobcenter: "Weniger Bürokratie, bessere Software, mehr Zeit für den | |
Einzelfall" seien Schritte, um weniger Verfahren zu produzieren. Die | |
Bundesagentur für Arbeit hielt am Dienstag dagegen. Von 25 Millionen | |
Leistungsbescheiden, die jährlich verschickt würden, seien 2009 nur rund | |
0,2 Prozent vor Gericht aufgehoben oder verändert worden. "Wir können nur | |
sagen, die Zahl der Klagen hat sich jedes Jahr deutlich erhöht", konterte | |
Schudoma. Eine Trendwende erwarte sie nicht. In Berlin lebt fast jeder | |
zehnte der bundesweit 4,8 Millionen erwachsenen Hartz-IV-Bezieher. Das | |
Sozialgericht, an dem mittlerweile 126 Richter arbeiten, ist daher | |
bundesweit mit der größten Klageflut konfrontiert. | |
11 Jan 2011 | |
## AUTOREN | |
Eva Voelpel | |
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