# taz.de -- Neues Afghanistan-Mandat: Ein weiteres Jahr im Krieg | |
> Das schwarz-gelbe Kabinett hat das neue Mandat für den | |
> Afghanistan-Einsatz beschlossen. Erstmals wird ein Abzugstermin genannt. | |
> Kritiker sehen darin wahltaktische Gründe. | |
Bild: Marsch, Marsch an den Hindukusch. | |
BERLIN dpa | Die Bundeswehr soll noch in diesem Jahr mit dem Abzug aus | |
Afghanistan beginnen. Im neuen Mandat nennt die Bundesregierung erstmals | |
ein Ziel für die Rückkehr der ersten deutschen Soldaten: Ende 2011. | |
Allerdings gilt der Termin nur mit einer ganzen Reihe von Einschränkungen. | |
Das neue Mandat für den bereits seit fast zehn Jahren laufenden Einsatz | |
wurde am Mittwoch vom schwarz-gelben Bundeskabinett verabschiedet. Der | |
Bundestag wird darüber am 28. Januar entscheiden. Erwartet wird eine klare | |
Mehrheit. | |
Mit dem neuen Mandat wird die Grundlage für den weiteren Einsatz von bis zu | |
5350 Soldaten bis Februar 2012 geschaffen. Wörtlich heißt es: "Die | |
Bundesregierung ist zuversichtlich, im Zuge der Übergabe der | |
Sicherheitsverantwortung die Präsenz der Bundeswehr ab Ende 2011 reduzieren | |
zu können." Der Abzug soll aber nur stattfinden, wenn "die Lage dies | |
erlaubt". Weder dürften die verbleibenden deutschen Soldaten noch die | |
"Nachhaltigkeit des Übergabeprozesses" gefährdet werden. | |
Die Formulierung geht auf einen Kompromiss zwischen Außenminister Guido | |
Westerwelle (FDP) und Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg | |
(CSU) zurück. Der FDP-Vorsitzende wollte einen möglichst genauen Termin | |
noch in diesem Jahr festschreiben lassen. Guttenberg bestand jedoch darauf, | |
Bedingungen daran zu knüpfen. In den vergangenen Tagen hatte er mehrfach | |
vor einem "leichtsinnigen Rückzug" gewarnt. Bislang wurden in Afghanistan | |
45 deutsche Soldaten getötet. | |
Westerwelle betonte am Mittwoch jedoch, dass es "an dieser Stelle" keinen | |
Konflikt mit Guttenberg gebe. Im ZDF-"Morgenmagazin" verteidigte der | |
Außenminister sein Beharren auf einem Termin: "Wenn wir keinen Plan machen, | |
wie die Zukunft in Afghanistan weitergehen soll, dann entsteht nicht die | |
Disziplin, auch nicht der Druck zum Beispiel auf die afghanische Regierung, | |
um alles zu tun, damit die Lage dann auch da ist." Insgesamt sind am | |
Hindukusch noch etwa 150.000 internationale Soldaten im Einsatz, um eine | |
Rückkehr der radikal-islamischen Taliban an die Regierung zu verhindern. | |
Offen wird gelassen, mit wie vielen Soldaten der deutsche Abzug beginnen | |
soll. Im Mandat ist nur von einer "allmählichen Verringerung" die Rede. | |
Derzeit sind etwa 4600 Frauen und Männer aus Deutschland am Hindukusch | |
stationiert. Die Obergrenze für die gesamte Truppe bleibt mit 5350 Soldaten | |
unverändert. Darunter sind auch 350 Soldaten als "flexible Reserve". | |
Weiterhin bleibt es dabei, dass im Jahr 2014 die letzten | |
Bundeswehr-Kampftruppen Afghanistan verlassen sollen. Deutschland will aber | |
auch darüber hinaus Unterstützung leisten. | |
Der Vorsitzende des Bundeswehrverbandes, Ulrich Kirsch, warf der | |
Bundesregierung vor, falsche Erwartungen zu wecken. "Die Soldaten glauben | |
ohnehin nicht an diese Daten und den Zeitplan", sagte Kirsch der Passauer | |
Neuen Presse. Aus "wahltaktischen Gründen" würden hier falsche Erwartungen | |
geweckt. Nach allen Umfragen wird der Einsatz von den meisten Bundesbürgern | |
abgelehnt. | |
Bei der Abstimmung im Bundestag wird dennoch mit einer klaren Mehrheit über | |
die schwarz-gelbe Koalition hinaus gerechnet. Auch die meisten | |
SPD-Abgeordneten werden vermutlich zustimmen. Dazu will sich SPD-Chef | |
Sigmar Gabriel noch in dieser Woche mit einer Afghanistan- Reise ein Bild | |
von der Lage machen. Geplant ist neben Gesprächen in Kabul auch ein Besuch | |
bei der Truppe. Bei den Grünen wird sich vermutlich die Mehrheit enthalten. | |
Die Links-Fraktion lehnt den Einsatz geschlossen ab. | |
Der internationalen Schutztruppe Isaf für Afghanistan gehören rund 130.000 | |
Soldaten aus 48 Ländern an. Ihr Einsatz auf Beschluss der Vereinten | |
Nationen begann nach dem Sturz des Taliban-Regimes Ende 2001. Die | |
Beteiligung der Bundeswehr beschloss der Bundestag unter der damaligen | |
rot-grünen Regierung am 22. Dezember 2001. Die Soldaten sollen für | |
Stabilität sorgen und den Wiederaufbau des Landes unterstützen. Seit 2003 | |
wird die Isaf (International Security Assistance Force) von der NATO | |
geführt. | |
Im Dezember 2010 waren 48 Länder an dem Einsatz beteiligt. Größter | |
Truppensteller waren nach Isaf-Angaben die USA mit rund 90.000 Soldaten vor | |
Großbritannien mit 9500 und Deutschland mit gut 4800 (knapp 4600 nach | |
Angaben der Bundeswehr). Es folgten Frankreich (3850), Italien (3770) und | |
Kanada (knapp 3000). Das Land will seine Truppen in diesem Jahr aus dem | |
unruhigen Süden Afghanistans abziehen. Die letzten Soldaten aus der Schweiz | |
waren im Februar 2008 zurückgekehrt. Auch die Niederlande haben bereits die | |
meisten ihrer Soldaten aus Afghanistan zurückgeholt. | |
Das neunte Jahr ihres Einsatzes am Hindukusch war für die ausländischen | |
Truppen das bislang verlustreichste. Nach Angaben des unabhängigen | |
Internetdienstes icasualties.org starben im vorigen Jahr 711 Soldaten, | |
davon knapp 500 aus den USA. Auf deutscher Seite gab es 9 Todesopfer, ihre | |
Gesamtzahl beträgt damit 45. Von ihnen starben 27 bei Anschlägen und | |
Gefechten. | |
12 Jan 2011 | |
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