| # taz.de -- Streit um Zensus: Sachsen gegen NPD-Volkszähler | |
| > Innenminister Ulbig will verhindern, dass Rechtsextreme die Volkszählung | |
| > nutzen, um politische Gegner auszuspionieren. Dafür könnte die | |
| > Rechtsgrundlage fehlen. | |
| Bild: Hier könnte die NPD schnüffeln, wenn man sie lässt: Häuser und Wohnun… | |
| Die Idee und der Aufruf stammen von dem sächsischen | |
| NPD-Landtagsabgeordneten Jürgen Gansel. Bei der ab Mai beginnenden | |
| Volkszählung sollen sich NPD-Mitglieder und -Sympathisanten als | |
| ehrenamtliche Helfer melden, um Bürger zu befragen. Gelegenheit, dem Volk | |
| aufs Maul zu schauen und "nationaldemokratische 'Marktforschung' zur | |
| idealen Wähleransprache" zu betreiben", heißt es in einer Mitteilung der | |
| rechtsextremen Partei. Ein besonderer Reiz liege darin, "Eindrücke von den | |
| persönlichen Lebensverhältnissen des einen oder anderen 'Antifaschisten' zu | |
| bekommen". | |
| Den Anfang machte das Ehepaar Hiekisch in Zittau - er ist Mitarbeiter in | |
| der NPD-Fraktion in Sachsens Landtag, sie NPD-Stadträtin von Zittau - mit | |
| seiner Bewerbung bei der Erhebungsstelle des Landkreises. Die | |
| Aufwandspauschale von 7,50 Euro pro Besuch wollen sie "benachteiligten | |
| Familien" spenden. | |
| Mittlerweile unterstützt die Bundespartei den sächsischen Aufruf. Weitere | |
| Landesverbände zogen nach. Die NPD in Mecklenburg-Vorpommern geht noch | |
| etwas weiter und will auf diese Weise "illegale Ausländer" aufspüren. Als | |
| Vorbild dient das Verhalten der "Hamburger Liste für Ausländerstopp" bei | |
| der Volkszählung im Jahr 1987. | |
| Die ungetarnte Absicht der NPD, mit der Volkszählung politische Gegner | |
| auszuspionieren, kommentierte zuerst Sachsens Innenministeriums-Sprecher | |
| Frank Wend als "klaren Missbrauch". Am 11. Januar zog Sachsens | |
| Datenschutzbeauftragter Andreas Schurig nach. Es sei "höchst bedenklich", | |
| wenn sich eine im Landtag vertretene Partei "offen dazu bekennt, politische | |
| Gegner im Zensusverfahren ausschnüffeln zu wollen" und dazu aufrufe, | |
| gesetzliche Verschwiegenheitspflichten zu unterlaufen. Den Behörden sei zu | |
| raten, "auf bekannte und zuverlässige Verwaltungshelfer zurückzugreifen". | |
| Ende der vergangenen Woche erklärte dann Sachsens Innenminister Markus | |
| Ulbig (CDU) seine Absicht, die NPD von einer Mitarbeit auszuschließen. Es | |
| sei zu erwarten, dass die NPD-Leute "gegen das gesetzlich fixierte | |
| Verwendungs- und Verwertungsverbot verstoßen", sagte Ulbig der taz. Über | |
| die Art und Weise, wie das geschehen könne, wolle er sich noch bundesweit | |
| abstimmen, und zwar deutlich vor der turnusmäßigen Innenministerkonferenz | |
| im April. | |
| Indessen weist die NPD genüsslich auf die "juristische Grauzone" hin, in | |
| der sich ein Ausschlussverfahren bewegen würde. Leiter von Erhebungsstellen | |
| in Sachsen sehen keine Rechtsgrundlage, Interviewer nach ihrer | |
| Parteizugehörigkeit zu sortieren. In Baden-Württemberg nimmt Carmina | |
| Brenner, Präsidentin des Statistischen Landesamtes, den NPD-Aufruf | |
| "gelassen". Klaus Pötsch, Pressesprecher des Statistischen Bundesamtes, | |
| spricht hingegen von einem "Aufruf zum Rechtsbruch". Der | |
| Grünen-Innenpolitiker Johannes Lichdi im Sächsischen Landtag verweist auf | |
| vergebliche Anträge seiner Fraktion, die unverzügliche Vernichtung der | |
| Erhebungsunterlagen im sächsischen Zensusausführungsgesetz abzusichern. Das | |
| Versäumnis räche sich jetzt. | |
| Verschiedentlich wird aber auch die Meinung laut, es handele sich wieder | |
| einmal um eine NPD-Propagandablase. Angesichts der bundesweit für die | |
| Volkszählung benötigten 80.000 Helfer fehle es der Partei einfach an | |
| genügend Figuren, um Wirkung zu erzielen. So, wie Aufrufe zur | |
| Unterwanderung von Schöffenämtern und von Freiwilligen Feuerwehren mangels | |
| Masse ins Leere liefen. Außerdem verweist das Statistische Landesamt in | |
| Sachsen darauf, dass jeder Bürger die Fragen schriftlich oder per Internet | |
| beantworten kann und nicht zu einem Gespräch verpflichtet sei. | |
| 23 Jan 2011 | |
| ## AUTOREN | |
| Michael Bartsch | |
| ## TAGS | |
| Schwerpunkt Überwachung | |
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