# taz.de -- Berlinalechef über Solidaritätsstreik: "Es ist alles so irrationa… | |
> Die Berlinale beteiligt sich nicht am internationalen Streik der | |
> Kulturschaffenden gegen die Verurteilung der iranischen Regisseure Panahi | |
> und Rassoulof, sagt ihr Chef Dieter Kosslick. | |
Bild: Jafar Panahi (bild) und sein Kollege Mohammad Rassoulof wurden im Dezembe… | |
Herr Kosslick, Sie haben Jafar Panahi in die Jury des Wettbewerbs | |
eingeladen. Machen Sie sich Hoffnungen, dass er ausreisen darf? | |
Dieter Kosslick: Ja. Es ist alles so irrational, was da abläuft. Irgendwie | |
hab ich noch ein Quäntchen Hoffnung, ohne zu wissen, worauf es basiert. | |
Aber wenn das zum Beispiel stimmt hier, diese Meldung … | |
… dass der Leiter von Ahmadinedschads Büro das Urteil als zu streng | |
einstuft. | |
Wenn das stimmt, dann ist noch Bewegung im Spiel. Es geht auch noch um die | |
beiden deutschen Journalisten. Mit denen hat zwar die Berlinale nichts zu | |
tun, aber es gibt viele Bemühungen, die ganze Situation zu entspannen. | |
Also, vielleicht funktioniert doch noch was. Ich war oft im Iran, und ich | |
kenne mich da auch ein bisschen aus. | |
Der iranische, in Paris lebende Regisseur Rafi Pitts hat für den 11. | |
Februar, den Jahrestag der Revolution, zu einem zweistündigen | |
Solidaritätsstreik aufgerufen. Schließt sich die Berlinale an? | |
Nein. Das haben wir mit Rafi Pitts auch gleich am Anfang besprochen. | |
Natürlich ginge es, aber wir fangen am 11. Februar gerade an, dann müssten | |
wir jetzt das gesamte Filmfestival umprogrammieren. Wir werden unsere | |
Aktionen machen, wie wir sie geplant haben. Wir zeigen die Filme von Jafar | |
Panahi, weil wir auf seine wunderbare Arbeit aufmerksam machen wollen. Mit | |
"Offside" am 11. Februar um 16.30 Uhr im Berlinale Palast beginnen wir. Und | |
die Versammlung auf dem Roten Teppich soll eine Demonstration der | |
Solidarität werden. Rafi Pitts wird übrigens auch dabei sein, ebenso wie | |
bei der Diskussionsrunde, die wir veranstalten. | |
Die Idee von diesem Streikaufruf ist ja, dass es sich um einen | |
Präzedenzfall handelt: Filmemacher werden für eine Idee und nicht für einen | |
Film verurteilt. Dieser Präzedenzfall ist so gravierend, dass es Maßnahmen | |
braucht, die wehtun. | |
Aber wem tun sie eigentlich weh? | |
Dem Festival, den Besuchern und den Leuten, die von der Arbeit der | |
Filmschaffenden leben, die wiederum unter Bedingungen arbeiten müssen, die | |
für sie, die Filmschaffenden, zerstörerisch sind. | |
Man kann diese Meinung vertreten. Ich finde sie müssen den anderen wehtun. | |
Wir haben von Anfang an eine andere Sache vorgehabt, die wir jetzt auch | |
durchführen. Und wer streiken will, der kann streiken. | |
Das Festival von Cannes hat im Mai gezeigt, dass symbolischer Protest zu | |
etwas führen kann. Panahi und sein Kollege Mohammad Rassoulof kamen damals | |
aus der Untersuchungshaft frei. Andererseits hat symbolischer Protest | |
möglicherweise etwas Wohlfeiles, insofern man dabei nichts riskiert. | |
Es gibt ungefähr 40 verschiedene Initiativen, die uns sagen, was wir auf | |
der Berlinale machen sollen - und zwar aus der ganzen Welt. Wir glauben, | |
dass das, was wir machen, gut ist. Und wir glauben auch, dass alles andere, | |
was gemacht wird, gut ist. Einen Wettbewerbsfilm ausfallen zu lassen und | |
stattdessen mit einem Film zu beginnen, den wir schon einmal gezeigt haben, | |
ist für uns ein hartes Stück Brot. Und wir setzen auch noch auf den | |
Gesprächsweg. | |
In diplomatischer Hinsicht? Könnten Sie dazu ein bisschen mehr sagen? | |
Ich schreibe Briefe, die veröffentlicht und auch beantwortet werden. Gerade | |
jetzt schreibe ich einen Brief, ob man nicht doch noch was machen kann. | |
Sind Sie denn auch in Kontakt mit der deutschen Politik, etwa mit Guido | |
Westerwelle? | |
Ja, wir haben uns an das Auswärtigen Amt gewandt. Die haben ja auch eine | |
Erklärung abgegeben. Wir versuchen es gerade auf allen Wegen, die wir | |
haben. Wir zeigen schon lange iranische Filme, und unsere Iran-Delegierte | |
fährt jedes Jahr hin, ich war ebenfalls dort und kenne viele Leute. | |
Neben Panahi ist auch der Filmemacher Mohammad Rassoulof verurteilt worden. | |
In Ihrer Presseerklärung haben wir nichts über ihn gelesen. | |
Es ist richtig, dass man auch ihn immer erwähnen muss. Es ist sicher nicht | |
im Sinne von Panahi, dass der Kollege Rassoulof nicht genannt wird. | |
Zeigen Sie Filme von ihm? | |
Nein. | |
Warum nicht? | |
Wir könnten natürlich noch einen Film von ihm zeigen. Aber unser konkreter | |
Anlass war Panahi, den wir in unsere Jury eingeladen haben. Natürlich | |
werden wir beim Festival auch auf Rassoulofs Situation aufmerksam machen. | |
Kann man eigentlich sichergehen, dass Öffentlichkeit und | |
Solidaritätsbekundungen den beiden verurteilten Regisseuren nicht schaden? | |
Nein. Das ist sicher ein Problem, weil man nicht weiß: Wo ist eigentlich | |
die Grenze? Wenn ich jetzt eine Pressemeldung schreibe, schreibe ich da | |
rein: "Das Regime hat ihn verurteilt"? Oder schreibe ich: "Ein iranisches | |
Gericht"? Das ist ein großer Unterschied. Jafar Panahi ist ein wirklich | |
mutiger Mann. Ich glaube, er weiß, dass Protest und Öffentlichkeit helfen. | |
Und wenn man nichts machen würde, dann hätte es auf jeden Fall den Effekt, | |
dass solche Strafen einfach so durchgehen. | |
Wie geht Ihre Filmauswahl im Iran konkret vonstatten? Vermutlich sehen Sie | |
und Ihre Kollegen eine bestimmte Vorauswahl, die von den offiziellen | |
Stellen getroffen wurde. Oder geht das anders? | |
Ja, man sieht die, und man sieht andere. | |
Wie sieht man die anderen? | |
Es gibt ja heute viele Möglichkeiten, einen Film zu zeigen. Da sitzt man | |
zum Beispiel im Hotel, und jemand zeigt dir einen Film. Wenn du ihn magst, | |
gibt es immer Wege, ihn zum Festival zu bringen. Das gilt nicht nur für den | |
Iran, das gilt für alle Länder. | |
26 Jan 2011 | |
## AUTOREN | |
I. Kappert | |
C. Nord | |
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