# taz.de -- Deutsche Industrie während des Holocausts: Die Ofenbauer von Ausch… | |
> In ihren Krematorien wurden die Leichen von Millionen verbrannt: Auf dem | |
> ehemaligen Firmengelände von Topf & Söhne wird nun endlich eine | |
> Gedenkstätte eingeweiht. | |
Bild: Seriennummer 3044: Im KZ Buchenwald zeigt eine metallene Plakette an eine… | |
Sie waren die Techniker des Todes und trugen zur Effizienz des Massenmordes | |
in deutschen Konzentrationslagern bei. Der Krematorienspezialist Topf & | |
Söhne aus Erfurt baute auch die Verbrennungsöfen von Dachau, Auschwitz oder | |
Buchenwald. Am 27. Januar, dem Tag der Befreiung von Auschwitz und | |
Holocaustgedenktag, eröffnet Kulturstaatsminister Bernd Neumann auf dem | |
ehemaligen Firmengelände in Erfurt eine Dauerausstellung. Sie gilt | |
bundesweit als die einzige Darstellung der Verstrickung der deutschen | |
Industrie in die NS-Verbrechen an einem authentischen Unternehmensstandort. | |
Das 1878 gegründete "feuerungstechnische Baugeschäft" von J. A. Topf begann | |
1914 mit dem Bau von Öfen für Krematorien und avancierte bald zum | |
Marktführer. Die ersten mobilen Verbrennungsanlagen für das KZ Buchenwald | |
lieferte die Firma im Winter 1939/40. Anfänglich wurden die Aufträge noch | |
verschlüsselt angegeben. Ab 1942 aber bauten Topf & Söhne ganz offen die | |
Öfen für das Großkrematorium Auschwitz-Birkenau und Lüftungsanlagen für die | |
Gaskammern. Einen unrühmlichen Namen machte sich dabei der Ingenieur Fritz | |
Sander mit einem Patentantrag auf einen "kontinuierlich arbeitenden | |
Leichenverbrennungsofen für Massenbetrieb". | |
Nach Forschungen der Historikerin Annegret Schüle war die Verstrickung der | |
Firma in den Massenmord an Juden, Zwangsarbeitern und Nazigegnern der | |
Belegschaft bekannt. Die SS-Aufträge machten allerdings nur 2 Prozent des | |
Firmenumsatzes aus. Geschäftsführer Ludwig Topf nahm sich nach Kriegsende | |
das Leben. Sein Bruder Ernst-Wolfgang gründete in Wiesbaden die Firma neu, | |
die allerdings 1963 in Konkurs ging. Einige Konstrukteure wie Sander und | |
Kurt Prüfer wurden in Moskau zu 25 Jahren Lagerhaft verurteilt, wo Prüfer | |
1952 starb. | |
Den Erfurtern blieb die Geschichte des späteren VEB Mälzerei- und | |
Speicherbaus weitgehend unbekannt. Erst 1994 gab es eine erste öffentliche | |
Veranstaltung zum Thema, auf der sich Hartmut Topf, ein Urenkel des | |
Firmengründers, für die Auszahlung möglicher Gewinne aus dem Altvermögen | |
der Familie an Opfer und an Jugendbildungsvereine aussprach. 1996 gründete | |
sich ein Förderkreis, der sich zunächst für ein Forschungsprojekt und dann | |
für die Einrichtung einer Gedenkstätte auf dem ehemaligen Firmengelände | |
einsetzte. | |
Doch noch im Jahr 2002, als die Wochenzeitung Die Zeit auf der seit 1996 | |
verlassenen Industriebrache recherchierte, schien ein solches Vorhaben | |
aussichtslos. Im gleichen Jahr besetzten Jugendliche das Gelände und | |
betrieben ein autonomes Kulturzentrum. Nach gescheiterten Verhandlungen mit | |
der Stadt Erfurt über einen Alternativstandort wurde das inzwischen von der | |
Mühlhausener Domicil Hausbau GmbH erworbene Areal 2009 geräumt. | |
2005 einigten sich die Stadt Erfurt und die Buchenwald-Stiftung auf die | |
Konzeption einer Wanderausstellung, die nun im ehemaligen | |
Topf-Verwaltungsgebäude ihren festen Platz findet. Den Ausbau des ruinösen | |
Gebäudes förderten das Thüringer Kultusministerium und der | |
Bundeskulturbeauftragte Neumann mit 600.000 Euro. | |
Als Solitär steht es nun inmitten des zu einem Fachmarkt umgebauten | |
Gelände. Das an der Fassade lesbare Zitat "Stets gern für Sie beschäftigt | |
…" stammt aus einem Geschäftsbrief an die Bauleitung der Waffen-SS in | |
Auschwitz. Auf die Spuren der ehemaligen Werksgebäude verweisen nur noch | |
bewusst erhaltene Fragmente und Stelen. Ein Modell aus Gusseisen aber | |
vermittelt dem Besucher noch einen Überblick. | |
27 Jan 2011 | |
## AUTOREN | |
Michael Bartsch | |
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