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# taz.de -- Erinnern an Holocaust-Opfer: Erschossen, verscharrt und vergessen
> Bis heute erinnert nichts an die ermordeten Juden in der nordwestlichen
> Ukraine. Das ändert sich jetzt – auch die Bundesregierung unterstützt
> das.
Bild: Zehntausend fast vergessene Opfer in ganz Osteuropa: Massengrab in der Uk…
BERLIN taz | Die Kinder des Dorfes Ostroschez fahren Schlitten auf den
Gräbern - sie können es nicht wissen. Vor Jahrzehnten wurden hier in der
nordwestlichen Ukraine, etwas abseits vom Dorf, 750 Jüdinnen und Juden
ermordet. Sie wurden verscharrt in einem Acker. Kein Grabstein, kein
Gedenkzeichen erinnert an diese Ermordeten. Zehntausende Opfer des
Holocaust in Mittel- und Osteuropa liegen noch in Massengräbern, die
niemand kennt oder die nicht als Grabstätten gekennzeichnet sind.
In den vergangenen Jahren wurden über 400 Erschießungsstätten mit mehr als
1.000 Massengräbern gefunden. Doch es gibt aller Wahrscheinlichkeit nach
weit mehr von ihnen. Und die letzten Zeitzeugen, die erzählen können, wo
noch weitere Opfer des "Holocaust durch Kugeln" liegen, sterben nach und
nach weg.
Nun aber kommt Bewegung in die mühseligen Bemühungen, diesen vergessenen
Opfern des deutschen Vernichtungskrieges und Massenmordes zumindest ein
würdiges Gedenken zu sichern: Nach etwa einem Jahr Vorbereitungszeit hat
sich ein Bündnis von jüdischen und nichtjüdischen Organisationen gebildet,
das gemeinsam diese Erinnerungsarbeit schultern will - und erstmals ist
auch Geld von der Bundesregierung geflossen.
Mit etwa 300.000 Euro unterstützt sie die Recherche nach den Massengräbern
in Osteuropa. Es ist eine riesige Aufgabe: Allein in der Ukraine haben die
Nationalsozialisten 1,5 Millionen Menschen ermordet - Hunderttausende nicht
in Konzentrationslagern, sondern am Rande von Dörfern, auf Feldern und in
Wäldern.
Dem Bündnis, das seine bisherige Arbeit und seine Projekte am Freitag im
Büro des American Jewish Committee (AJC) in Berlin vorstellte, gehören
neben dem AJC unter anderem der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge
(VDK), einige jüdische Vereinigungen der Ukraine und Polens sowie die
französische jüdisch-katholische Organisation Yahad in Unum an. Vor allem
sie hat durch viele Reisen in die osteuropäische Provinz und durch rund
1.600 Interviews von Zeitzeugen viele fast vergessenen Massengräber
gefunden.
Der katholische Priester Patrick Desbois, der Präsident von Yahad in Unum,
hat hunderte dieser Interviews geführt. Die Teilnahme des VDK an diesem
Bündnis ist von besonderer Brisanz, da der Volksbund Deutsche
Kriegsgräberfürsorge sich bisher satzungsgemäß fast ausschließlich um die
Gräber der gefallenen Wehrmachtssoldaten gekümmert hat.
Die Wehrmacht hat einen Vernichtungskrieg im Osten geführt - und war meist
kritikloser Erfüllungsgehilfe beim Holocaust. Dass die Gräber vieler Täter
heute würdiger gestaltet sind als die Gräber ihrer Opfer, ist ein Skandal
im Skandal.
21 Jan 2011
## AUTOREN
Philipp Gessler
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