# taz.de -- Regierungsumbildung in Tunesien: Ben-Ali-Getreue müssen gehen | |
> Der Druck der Straße hat gewirkt. Die Übergangsregierung in Tunesien | |
> wurde umgebaut, mehrere Gefolgsleute von Ben Ali werden ersetzt. | |
Bild: Die Proteste wurden erhört: tunesischer Demonstrant. | |
MADRID taz | Am Donnerstagabend kündigte der tunesische Ministerpräsident | |
Mohammed Ghannouchi die Umbildung seiner Übergangsregierung an. Er entließ | |
die alten Minister aus den Zeiten des gestürzten Diktators Zine El Abidine | |
Ben Ali, die noch immer in Schlüsselressorts saßen, und besetzte die Posten | |
mit unbelasteten Technokraten. Betroffen sind das Innen-, das Außen-, das | |
Verteidigungs- und das Finanzministerium. | |
Damit ist Ghannouchi künftig der einzige Spitzenpolitiker aus der einstigen | |
Regierungspartei RCD, der im Amt bleibt. Der Premier hat unter Ben Ali | |
bereits 11 Jahre als Regierungschef gedient. Außer ihm sitzen nur noch zwei | |
alte Gesichter in der neuen Übergangsregierung. Es handelt sich um den | |
Industrieminister und seinen für die regionale Koordination zuständigen | |
Kollegen. | |
Außerdem wurden fünf freie Ministerposten besetzt. Drei davon hatte die | |
Gewerkschaft UGTT aus Protest gegen die alten Minister nicht eingenommen. | |
Ein weiterer Oppositionspolitiker hatte es den Gewerkschaftern gleichgetan, | |
und ein Minister aus den alten Zeiten war Anfang der Woche zurückgetreten. | |
Auch hier wurden unabhängige Personen berufen. Damit besteht die große | |
Mehrheit des neuen Kabinetts aus Oppositionspolitikern, Vertretern der | |
Zivilgesellschaft und Technokraten. | |
"Die Aufgabe der neuen Regierung ist die Vorbereitung von Wahlen, damit das | |
Volk frei entscheiden kann", erklärte Ghannouchi. Er hatte bereits vor | |
Tagen angekündigt, sich am Ende der Übergangsphase aus der Politik | |
zurückzuziehen. "Die Regierung wird sich dafür einsetzen, dass die Wahlen | |
von einer unabhängigen Kommission überwacht werden", erklärt Ghannouchi. | |
Internationale Beobachter seien erwünscht. | |
Nach der Fernsehansprache jubelte ein Teil der Demonstranten, die sich seit | |
vier Tagen und Nächten vor dem Sitz des Ministerpräsidenten in der | |
Innenstadt von Tunis versammelt haben. Die meisten von ihnen kommen aus | |
Zentraltunesien, von wo die Revolte, die zum Sturz von Ben Ali führte, | |
Mitte Dezember ihren Ausgang nahm. Am Freitag berieten die Demonstranten, | |
ob sie abziehen oder weiterhin auch den Rücktritt von Ghannouchi selbst | |
fordern sollten. "Noch ist nichts entschieden", erklärt eine Teilnehmerin | |
am Telefon. | |
Während auf dem Platz die Meinungen auseinandergehen, stellt sich die | |
Gewerkschaft UGTT bereits hinter die neue Regierung. "Jetzt ist es an der | |
Zeit, die politischen Reformen vorzubereiten", erklärt Vorstandsmitglied | |
Mongi Amami am Telefon. "Unsere Rolle ist die einer Art Gegenmacht", sagt | |
Amami. Die Gewerkschaft werde Vertreter in die Kommissionen entsenden, die | |
den Wahlprozess vorbereiten und die Korruption im Lande untersuchen. | |
"Wir sind zufrieden mit der neuen Regierung", erklärt auch der Redakteur | |
des Oppositionsradios Kalima, Omar Mestiri. "Jetzt ist die Zeit gekommen, | |
an die Zukunft zu denken", sagt er. | |
28 Jan 2011 | |
## AUTOREN | |
Reiner Wandler | |
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