# taz.de -- Geschichtsgutachten über einen Autor im „Dritten Reich“: Die S… | |
> Ein Gutachten holt den Dichter Rudolf Alexander Schröder aus der „Inneren | |
> Emigration“. Das betrifft auch den Bremer Literaturpreis. | |
Bild: Die Debatte über Rudolf Alexander Schröders Rolle im „Dritten Reich�… | |
Er zählt zu Bremens wichtigsten kulturellen Exponenten: Rudolf Alexander | |
Schröder (1878- 1962), Mitgründer des legendären Insel-Verlags. Seine | |
Nominierung für den Literaturnobelpreis 1952 war zwar erfolglos, aber | |
immerhin wird jeweils am 26. Januar – Schröders Geburtstag – der | |
renommierte Bremer Literaturpreis durch eine nach Schröder benannte | |
Stiftung vergeben. Im vergangenen Jahr thematisierte die taz zu diesem | |
Anlass, dass Schröders Rolle im „Dritten Reich“ bis heute zu einseitig | |
dargestellt wird: unter dem Label „Innere Emigration“ und Rückzug in die | |
Bekennende Kirche. Dabei war sein „Deutscher Schwur“ fester Bestandteil | |
jedes Fahnenappells der Hitlerjugend. | |
Die Schröder-Stiftung reagierte 2010 mit einem Forschungsauftrag, dessen | |
Ergebnisse nun vorliegen. Die Kulturwissenschaftlerin Katharina Uhl hat | |
einen erwartbar ambivalenten Befund vorgelegt. Für Martin Roeder vom Bremer | |
Kulturressort, das das Gutachten finanzierte, machen ihre Erkenntnisse eine | |
deutliche Distanzierung von Schröder notwendig. Auch eine Umbenennung der | |
Gesellschaft sei möglicherweise zu erwägen. | |
Uhl fand heraus, dass Schröder seinerzeit zwar fünf Mal als „unerwünschter | |
Autor“ eingestuft wurde – etwa weil er wertschätzende Worte für den | |
emigrierten Thomas Mann fand. Andererseits war Schröder 1934 als Bremer | |
Ortsgruppenleiter des Reichsverbands Deutscher Schriftsteller selbst aktiv | |
an der Literaturgleichschaltung beteiligt. Zuvor war er Mitglied der | |
„Schriftstellergruppe Nordwest im Kampfbund für Deutsche Kultur“. Mit | |
geschliffenen Worten feierte er den Gehorsam als „naturgegebene, einzig | |
tragfähige Brücke“ zum Führer. | |
Ebenfalls konnte die Wissenschaftlerin nachweisen, dass Schröder den | |
erwähnten „Deutschen Schwur“ mehrfach zum Vortrag brachte. Bisher war stets | |
davon ausgegangen worden, Schröder habe die Massen-Verbreitung seiner 1914 | |
verfassten völkischen Texte während des NS-Regimes kritisch gesehen. Als | |
etwa ohne Schröders Zutun aus dem „Kaiser“ – in seinem Gedicht „Das Ba… | |
weht“ – der „Führer“ gemacht wurde, beklagte der Dichter in einem Brie… | |
den späteren Oldenburger Bischof Wilhelm Stählin, dass es „keinen deutschen | |
Gerichtshof gibt, vor dem man eine solche Sache klagen könnte“ – und | |
verwendete die „aktualisierte Fassung“ offenbar trotzdem selbst. Davon, | |
schreibt Uhl, sei auszugehen. Indes war der Text auch in der nicht | |
„aktualisierten Fassung“, mit einem „Kaiser“ im Kehrvers, reichlich | |
chauvinistisch: „Und zieht das alte Lumpenpack, die dreisten Lügen aus dem | |
Sack, drauf sie sich stets berufen, wir gerben ihm sein lüstern Fell …“. | |
Ein marktschreierischer Propagandist war Schröder während der NS-Zeit | |
sicher keiner mehr – ein nützlicher hingegen schon. So begrüßte er in einer | |
Aufsatzsammlung mit dem harmlosen Titel „Der Ackermann und Bergleute aus | |
Böhmen“ die Annexion des Sudetenlandes. Ein weiteres Loch in die These der | |
„Inneren Emigration“, in der sich Schröder seit 1935 befunden habe, reißt | |
auch sein großer Auftritt beim „Fest der deutschen Kirchenmusik“ 1937 in | |
Berlin: Laut dem Heidelberger Kirchenmusik-Professor Wolfgang Herbst war | |
Schröder dort der „Aushänge-Poet“. Er habe sich auch aktiv am Fernhalten | |
unerwünschter Dichter wie Jochen Klepper beteiligt. | |
Schröders Bedürfnis, öffentlich präsent zu bleiben, zeigt sich auch in | |
seiner regelmäßigen Teilnahme an den Lippoldsberger „Dichtertagen“. Dort | |
traf sich auf Einladung von Hans Grimm, dem Autor von „Volk ohne Raum“, ein | |
Spektrum nationalkonservativer und glühend nationalsozialistischer | |
Schriftsteller wie Börries von Münchhausen. | |
Nach 1945 wurde durchaus vereinzelte Kritik an Schröder laut. Peter | |
Rühmkorf etwa sprach in seinen Göttinger Poetik-Vorlesungen von Schröder | |
als „fatal chauvinistischem Jugendverführer“. | |
Bemerkenswert: Kritik an Schröders Verbindung zum Bremer Literaturpreis | |
kommt auch von der extrem rechten Seite. Man „ziere sich dort immer noch | |
mit Schröders ehrlichem Namen“, klagte etwa Gustav Sichelschmidt, dessen | |
Werke wiederum der Verfassungsschutz als NS-verherrlichend einschätzt. In | |
der rechtsradikalen Deutschen Wochen Zeitung forderte er, Schröders Namen | |
nicht länger zu „diskreditieren“, indem man den Preis an „Systemverände… | |
Anarchisten und Terroristen“ vergebe. Dass solche Kreise Schröder für sich | |
reklamieren – auch in Neonazi-Internetforen finden sich viele | |
Schröder-Zitate – muss nicht zu hoch bewertet werden. Es erinnert | |
allerdings daran, dass Schröder auch nach dem Krieg freundschaftlichen | |
Kontakt etwa zu Hans Grimm unterhielt, der als unermüdlicher Rechtfertiger | |
des NS auftrat. | |
Für Bremen geht die nun einsetzende Diskussion an Eingemachte: Dort wird | |
Schröder nicht nur als Dichter geehrt, sondern auch als Innenarchitekt. Die | |
Entscheidung, sich von ihm zu distanzieren, würde in einem Raum fallen, den | |
er selbst mit ausgestaltet hat: im Senatssaal. | |
Der entschiedenste Widerstand gegen eine Umbenennung der preisvergebenden | |
Gesellschaft würde aber dennoch wohl von außen kommen: Lothar Müller, | |
Literaturredakteur der Süddeutschen Zeitung und im Vorstand der | |
Schröder-Gesellschaft, hält einen „Namensentzug“ für eine „Höchststra… | |
und die verdiene Schröder keinesfalls. | |
2 Feb 2011 | |
## AUTOREN | |
Henning Bleyl | |
Henning Bleyl | |
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1914 | |
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