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# taz.de -- US-Reaktionen zu Ägypten: Obama enttäuscht von Mubarak
> So klar wie noch kein US-Präsident zuvor hat Barack Obama einen
> langjährigen Verbündeten der USA kritisiert. Dass er in Kairo gehört
> wird, ist dennoch unwahrscheinlich.
Bild: Seine Appelle prallen an Husni Mubarak zunehmend ab: Barack Obama.
WASHINGTON taz | Wenige Stunden nachdem Husni Mubarak alle Welt geblufft
hat, gibt US-Präsident Barack Obama in Washington eine vier Absätze lange
Erklärung. Daraus spricht blanke Enttäuschung. Gepaart mit der Sorge vor
kommenden Ereignissen: „Die ägyptische Regierung muss einen glaubwürdigen,
konkreten und unmissverständlichen Weg zu authentischer Demokratie
vorlegen. Das hat sie bislang nicht getan“. Obama weiter: „Die Regierung
darf nicht mit Repression oder Brutalität auf das Bestreben ihres Volkes
antworten.“
So klar hat bislang noch kein US-Präsident in aller Öffentlichkeit zu einem
langjährigen Verbündeten der USA gesprochen. Dass er in Kairo gehört wird,
ist dennoch unwahrscheinlich. An Husni Mubarak prallen Obamas Appelle
zunehmend ab. In seiner Ansprache vom Donnerstag hat der ägyptische
Präsident sogar an nationalistische und anti-amerikanische Ressentiments
appelliert und sich vor ausländischer Einmischung verwahrt. Umgekehrt hat
die ägyptische Krise jeden Tag deutlicher gemacht, wie wenig Washington
tatsächlich über das Binnenleben jenes Regimes weiß, das seit mehr als drei
Jahrzehnten sein wichtigster Verbündeter in der arabischen Welt ist. Und
wie wenig die USA sich selbst auf das ägyptische Militär verlassen kann;
eine Institution, der sie seit 32 Jahren alljährlich 1,3 Milliarden Dollar
überweist, was Ägypten – nach Israel – zum weltweit zweitgrößten Empfä…
von US-Militärhilfe macht.
Am deutlichsten wird der Mangel an Insider-Wissen über die realen
Verhältnisse in Kairo am Tag der weltweit live übertragenen Ansprache von
Husni Mubarak. Mehrere Stunden zuvor kündigt in Washington CIA-Direktor
Leon Panetta vor einer mit GeheimdienstexpertInnen besetzten Kommission an,
Mubarak werde am Nachmittag vermutlich zurücktreten. Panetta spricht von
einer „hohen Wahrscheinlichkeit“ und bezeichnet den Abgang als „bedeutsam
für die geordnete Transition“ in Ägypten. Wenige Stunden später verlautet
aus der CIA, die Quelle des Chefs des mächtigsten Geheimdienstes der Welt
seien Medien. Am Nachmittag desselben Tages redet US-Präsident Obama vor
StudentInnen im Bundesstaat Michigan. Auch er befasst sich mit der Lage in
Ägypten. Er hält eine Eloge auf die Rolle der ägyptischen StudentInnen, die
das Alter seiner ZuhörerInnen in Michigan haben, beschreibt Geschichte,
„die sich vor unseren Augen entfaltet“ und spricht von einem „Moment der
Umgestaltung“.
Ein paar Stunden später führt Mubarak den CIA-Chef, den US-Präsidenten und
sämtliche große US-Medien vor. Mubarak sagt, dass er bis September im Amt
bleiben will. Und dass er adhoc lediglich die Aufwertung des
Vizepräsidenten sowie mehrere Reformen plant. Die ägyptischen Militärs, auf
deren Einfluss Washington seit Ende Januar gesetzt hat, haben ihn nicht aus
dem Palast gedrängt.
In einer vom US-Außenministerium organisierten Telefonkonferenz mit
JournalistInnen erklärt der Präsident des US-amerikanischen „Council on
Foreign Relations“, Richard N. Haas, dass Mubaraks Beharren die ohnehin
große Unsicherheit Ägypten noch komplizierter mache. Sein Kollege,
Ägyptenexperte Steven Cook, fügt hinzu: "Wir haben heute zwar etwas
Bewegung erlebt. Aber Mubarak gibt nicht auf.“ In der am Vormittag
verschickten Einladung zu der Telefonkonferenz der beiden Experten hatte
das noch ganz anders ausgesehen. Unter der Überschrift „Change in Egypt“
war da bereits ein Militärputsch sowie dessen Folgen angekündigt worden.
Das ägyptische Militär, so hieß die Einladung, wolle „heute eingreifen, um
das Land zu retten“. Und es werde erwartet, dass „Mubarak die Forderungen
der Demonstranten erfülle“.
Nachdem das Militär das Land doch nicht gerettet hat, sagen die
Ägypten-Experten in Washington, dass die Ereignisse des Tages
verdeutlichten, „wie wenig wir davon wissen, was in Ägypten passiert“ -
trotz der gemeinsamen Ausbildungen und jahrelangen engen Kontakte zwischen
US-amerikanischen und ägyptischen Militärs. Die Zurückhaltung der
ägyptischen Militärs gegenüber Mubarak erklären Haas und Cook mit deren
„tiefer Verflechtung mit dem Regime und seiner Geschichte“, sowie mit
„ökonomischen Arrangements“. Beide äußern die Sorge, dass jede weitere
Stunde der Ungewissheit in Kairo die Gefahr vergrößere, dass die bislang
bei den Demonstranten beliebten Militärs zum Schutz des Regimes Gewalt
ausüben könnten. Zugleich warnen sie US-SpitzenpolitikerInnen davor, dem
ägyptischen Regime öffentlich Lehren zu erteilen.
Am Abend kommentieren zwei frühere Ex-Sicherheitsberater aus dem Weißen
Haus die ägyptische Gemengelage im US-Fernsehsender NPR. „Wer die
Persönlichkeit von Mubarak – ein Militär mit Erfahrung im Krieg von 1973 –
kennt, weiß, dass er nicht aufgibt“, sagt Zbigniev Brzinski, der Präsident
Carter beraten hat. Nach seiner Ansicht steht Ägypten jetzt vor einer
Alternative zwischen Chile (nach dem Militärputsch gegen Allende) und Polen
(nach den Verhandlungen mit Solidarnosc). Sein Kollege Stephen Hadley, der
unter George W. Bush im Weißen Haus tätig war, erklärt, warum die Lage in
Ägypten Washington überrascht hat: „Natürlich wissen wir alle schon lange,
dass autoritäre Regime an der Oberfläche ruhig aussehen können, obwohl es
in ihrem Inneren brodelt. Aber wir wissen nicht, wann der Funke springt."
11 Feb 2011
## AUTOREN
Dorothea Hahn
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