# taz.de -- NPD in Brandenburg: "Irgendwas läuft schief" | |
> Die der taz zugespielten internen E-Mails der NPD verraten viel über den | |
> Brandenburger Landesverband: steter Personalmangel, neonazistisches | |
> Vokabular, gegenseitiges Misstrauen. | |
Bild: In Brandenburg agiert die NPD zumindest chaotisch. | |
Es sei eine wichtige Sitzung gewesen, so kurz vorm Bundesparteitag im Juni. | |
Und dann kamen nur fünf der 29 Mitglieder, klagt der Schatzmeister des | |
NPD-Kreisverbands (KV) Barnim-Uckermark. "Wir ziehen nicht alle am selben | |
Strang", schreibt er in seiner Rundmail. Gleichgültigkeit habe sich | |
eingeschlichen. "Wir verlieren zunehmend unsere wichtigsten Leute im KV. | |
Wohin soll das noch führen?" | |
Als "nationale Kraft" und "einzig wahre Opposition" verkauft sich die NPD | |
in Brandenburg gerne nach außen. Landesweit hält sie 29 Kommunalmandate, | |
bei der Landtagswahl 2009 holte sie 2,6 Prozent der Stimmen. Der | |
Landesverband sieht sich als Achse zwischen den in den jeweiligen Landtagen | |
vertretenen NPD-Verbänden in Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern. Interne | |
E-Mails der Partei, die der taz zugespielt wurden, zeigen ein anderes Bild. | |
Es ist die Innenansicht eines personalschwachen, finanziell klammen | |
Landesverbands, in dem neonazistische Sprüche geklopft werden und | |
gegenseitiges Misstrauen regiert. | |
Die E-Mails zeigen auch: Die märkische NPD hat weniger Mitglieder als | |
angenommen. Zählt man die aktiven, Beiträge zahlenden Personen, kommt die | |
Brandenburger NPD laut einer Auflistung vom Juni 2010 auf 264 Mitglieder. | |
Der Verfassungsschutz geht aktuell von 370 Parteigängern aus. | |
"Es gibt momentan tausend Ansetzpunkte, aber die Aktivitäten der meisten | |
Verbände bewegen sich im Nullbereich", schreibt der Brandenburger | |
Vize-Landesvorsitzende Ronny Zasowk, ein 24-jähriger Cottbuser, im Juli | |
2010 besorgt an Landeschef Klaus Beier. "Irgendwas läuft schief." Zasowk | |
und die NPD wollten die Veröffentlichung und den Inhalt der internen | |
E-Mails am Montag nicht kommentieren. | |
Es gibt viele weitere Hinweise, dass sich hinter der öffentlichen | |
Kraftmeierei der NPD wenig Substanz verbirgt. Ein Funktionär klagt: "Worte | |
und Taten sind in unseren Reihen auch nicht wirklich deckungsgleich. (…) | |
Man wird mit sehr vielem sehr allein gelassen." Und zu einer geplanten | |
Kundgebung in Forst heißt es, die Rückmeldungen seien "gleich null". Dies | |
sei fatal: "Forst ist bekannt für eine reiche Zeckenpräsenz." | |
Auch mit der viel beschworenen "Kameradschaft" ist es nicht weit her. | |
Landesvize Zasowk schreibt von "erheblichen Bauchschmerzen", weil ein | |
Schulungsleiter des Parteinachwuchses - der Jungen Nationaldemokraten (JN) | |
- künftig landesweit aktiv werden soll. "Das riecht nach Ärger." Der | |
Kamerad sei "nicht mal in der Lage gewesen, in 1 1/2 Jahren JN-Strukturen | |
in Südbrandenburg aufzubauen". Auch über den Leiter des NPD-eigenen | |
"Ordnungsdienstes" wird geschimpft: "Ich empfinde es mehr als unnötig, | |
diesen Mann jedes Mal anzurufen. Der macht ja ohnehin nie was." | |
Auch finanziell sieht es chaotisch aus. "Fehlerhafte Rechenschaftsberichte | |
bei den Kreisverbänden", heißt es in einem Protokoll des Landesvorstands | |
vom Mai 2010. "Alle mussten überarbeitet werden." Allein vier der sieben | |
NPD-Kreisverbände weisen im selben Monat Darlehensrückstände von 723 bis | |
1.550 Euro auf. Auch die JN klagt über Finanznot. Ob der Landesverband | |
nicht ein "ordentliches Startkapital" spendieren könne, fragt der | |
Brandenburger JN-Beauftragte. Dies werde für "die Finanzierung eines | |
Grundstocks an Propagandamaterial" gebraucht. | |
Aus den internen Mails wird klar: Es sind einige wenige Multifunktionäre, | |
die den Landesverband am Leben halten. Alle Anmeldungen für Kundgebungen | |
gehen über ihren Tisch, die Kader rufen Aktionstage aus, versuchen | |
Mitglieder mit Lehrgängen zu trimmen. Vier Schulungen veranstaltete der | |
Landesverband im vergangenen Jahr. Themen: "Halbe - Mythos einer Schlacht", | |
"Deutsche Kinder braucht das Land" oder "Integrationslüge". | |
Treffen des Brandenburger Landesverbands finden in der NPD-Parteizentrale | |
in Köpenick statt - oder in einer Immobilie in Biesenthal (Barnim), einem | |
früheren Flüchtlingsheim. Erst am vergangenen Wochenende traf man sich dort | |
zu einem landesweit einberufenen "Arbeitseinsatz". Aufgaben: Aufräum- und | |
Lagerarbeiten sowie die "Herrichtung von Schulungsräumen". Immer wieder | |
hatte die Brandenburger NPD in den letzten Jahren öffentlich verkündet, | |
nach Schulungsobjekten im Land zu suchen - wie Biesenthal zeigt, war das | |
offenbar nur vorgetäuscht. | |
Es ist nicht die einzige Bigotterie: Möglichst bürgerlich will die NPD | |
auftreten. Den Begriff "positiver Rassismus" solle man lieber nur intern | |
verwenden, rät ein Funktionär. Er berge Gefahr, "missverstanden zu werden". | |
Als Brandenburg im Frühjahr 2010 Hochwasser droht, wird in der Partei ein | |
"organisierter und massiver Einsatz nationaler Kräfte an der | |
Überschwemmungsfront" gefordert. Die Außenwirkung dürfe "um ein Vielfaches | |
höher sein als so manche Minidemo". Und: Es gehe letztendlich "auch um den | |
Erhalt urbanisierten Bodens deutscher Bürger". | |
Intern aber wird Klartext gesprochen. Ende September wird ein Aktionstag in | |
der mitgliederschwachen Prignitz ausgerufen. Ziel: "diese eher weiße Region | |
zu einer braunen Region machen". Ein Schatzmeister unterschreibt seine Mail | |
mit "GruSS", ein Unterstützer grüßt mit "Heil euch". Landeschef Klaus Beier | |
berichtet stolz von der Geburt seiner Tochter in der "Reichshauptstadt". | |
Und die Kreisvorsitzende aus dem Oderland fordert einen Redebeitrag so an: | |
"Muss nicht lang sein, aber dafür mit viel Hetze." | |
Unverblümt schwadroniert Potsdams NPD-Stadtchef Marcel Guse über den | |
"Putschversuch gegen den Führer" und Ordensverleihungen "von Adolf Hitler | |
persönlich in der Wolfsschanze". Seine Korrespondenzen unterschreibt er | |
bisweilen mit der strafbaren Formel "mit deutschem Gruß". Das geht sogar | |
dem Landesvorstand zu weit: Jeder Artikel von Guse müsse ab sofort vor dem | |
Hochladen einer Prüfung unterzogen werden, heißt es im August 2010. "Leider | |
bedeutet das mehr Arbeit für uns." Nachfragen wies Guse giftig ab: Er | |
empfinde einen "unaussprechlichen Ekel, wenn mich volksfeindliche Elemente | |
Ihres Schlages anschreiben". | |
Die internen E-Mails machen deutlich: Die NPD ist eine Partei der Fassade, | |
hinter der sich - bei aller Propaganda - nur wenige tatsächlich aktive | |
Parteigänger befinden. Die intern aber straff hierarchisch organisiert ist | |
und Mitglieder mit Schulungen auf Kurs bringt. Und die trotz biederen | |
Anstrichs nichts von ihrem neonazistischen Gedankengut eingebüßt hat. | |
Die Partei glaubt zu wissen, wo sie zu fischen hat. Beim Verteilen von | |
Flugblättern in Brandenburg/Havel wird von einem bestimmten Viertel | |
abgeraten: "Bis auf die Plattenbauten im Norden wohnen da meiner Meinung | |
nach fast nur nationalistisch-resistente Mittelständler. Dafür ist das | |
Material zu schade." Der Vorschlag des Kameraden: "Ich denke, dass wir in | |
den sozial schwächeren Gebieten mit großen Mehrfamilienhäusern mehr | |
Erfolgsaussichten haben." | |
Das kann zu zweifelhaften Rekrutierungserfolgen führen. Er habe "den | |
Interessenten mit den 22 Vorstrafen getroffen", berichtet Landesvize Zasowk | |
im Juni. Seit 1982 sei dieser arbeitslos, lebe in einer "Müllhalde von | |
Wohnung". Bilanz von Zasowk: "absolute Katastrophe". | |
14 Feb 2011 | |
## AUTOREN | |
Konrad Litschko | |
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