# taz.de -- NPD in Brandenburg: Immobilien in bevorzugter Lage gesucht | |
> "Nationale Ferien" auf dem Reiterhof, ein Jugendzentrum in der | |
> Dorfgaststätte, Konzerte im alten Getreidespeicher - die NPD hat sich | |
> neue Treffpunkte in Brandenburg geschaffen. | |
Bild: Will künftig noch mehr Flagge in Brandenburg zeigen: die NPD-Jugend "JN". | |
Die Jalousien im Erdgeschoss sind geschlossen, drinnen stehen Tische mit | |
blauen Wachstüchern. Die Wände sind gelb gepinselt, an einer Wand hängt | |
eine NPD-Flagge. Auf Fotos sieht man Jugendliche mit Tarnhosen und "Pit | |
Bull"-Pullovern beim Liederabend mit Gitarre. Und auf Bierbänken am | |
Lagerfeuer im Garten. | |
Lange Jahre suchte die rechtsextreme Szene in Brandenburg erfolglos | |
Immobilien für Parteitreffen und Schulungen. In Königs Wusterhausen und Bad | |
Freienwalde demonstrierten Neonazis für ein "nationales Jugendzentrum". Die | |
Suche scheint beendet: im 780-Einwohner-Städtchen Märkisch Buchholz | |
(Dahme-Spreewald), 50 Kilometer südlich von Berlin. | |
Ein "nationales Jugend- und Freizeitzentrum" habe man geschaffen, heißt es | |
auf der eigens angelegten Internetseite. "Freie Meinungsäußerung" sei hier | |
noch erlaubt, "Szenekleidung" keineswegs verboten. Einzige Regel: "Erlaubt | |
ist, was der Bewegung nicht schadet." | |
Kopf hinter dem Projekt ist der NPD-Kreischef Sven Haverlandt. Ein hagerer, | |
33-jähriger Informatiker, kurz geraspelte Haare. Einer, der sein | |
Kreistagsmandat gegenüber NPD-Kollegen als "Demokrat spielen" definiert. | |
Schon im vergangenen Jahr kaufte Haverlandt über seine Frau die einstige | |
Dorfgaststätte. Schon lange habe man nach solch einem Ort gesucht, freut | |
sich der Funktionär. Genüsslich verweist Haverlandt darauf, dass die Stadt | |
ihren Jugendclub vergangenes Jahr eingestellt habe. Jetzt organisiere sich | |
die Jugend eben selbst. Seit Mitte Juli sei geöffnet, nach einem | |
Arbeitseinsatz junger "Kameraden". | |
Der märkische Verfassungsschutz notiert schon länger Funktionärssitzungen, | |
Liederabende und Szeneveranstaltungen im Haus. Das Objekt sei als | |
Szenetreffpunkt "von Relevanz". Bereits im Dezember traf sich die NPD dort | |
zur Weihnachtsfeier. Erst vor wenigen Tagen war es die NPD-Jugend, die | |
Jungen Nationaldemokraten (JN), die zu einer Schulung zusammenkam. In einem | |
Bericht heißt es, dass mit "biologischen Grundkenntnissen die | |
Unterschiedlichkeit der Menschengruppen" herausgearbeitet wurde. Für | |
Wolfgang Brandt, Sprecher im Innenministerium, ist das selbst ernannte | |
Jugendzentrum nur der Versuch der NPD, junge Neonazis als "billige | |
Arbeitskräfte" zu nutzen, um das marode Gebäude instandzusetzen und ihnen | |
die Partei "schmackhaft" zu machen. | |
Dabei ist Märkisch Buchholz nicht der einzige Ort, in dem sich Neonazis in | |
Brandenburg zuletzt niedergelassen haben. Elf "szenerelevante" Immobilien | |
listet der Verfassungsschutz auf, quer übers Land verteilt. Vielfach | |
Privatgrundstücke, wie der Landhof des letzten DVU-Landeschefs in der | |
Schorfheide. Ende Juni trafen sich auf dem mehr als 9.000 Quadratmeter | |
großen Grundstück rund 300 Neonazis zum "Sommerfest" - samt Eierlauf und | |
Sackhüpfen für Kinder. Vielfach zielen die Rechtsextremen auf den | |
Nachwuchs. | |
So auch in Blumberg, einem Ortsteil von Ahrensfelde (Barnim), unweit des | |
östlichen Berliner Rings. Ein Reiterhof, alte Backsteinscheunen, dahinter | |
weite Koppeln. Eigentümer ist Ingo Pannier, ein bulliger | |
Versicherungsmakler und bis vor Kurzem Mitglied im NPD-Landesvorstand. In | |
einer E-Mail aus dem Mai, die der taz vorliegt, bewirbt Pannier Reitferien | |
in Blumberg für "Kinder unserer Kameraden und Kameradinnen" mit einem | |
Rabatt. "Unser Geschenk an die deutsche Jugend!" Vor Ort werde man die | |
Kinder nach Reitkenntnissen und "Weltanschauung" aufteilen. "Für Kinder und | |
Jugendliche aus entfernten Gauen organisieren wir die Abholung." | |
Die Betreiberin des Reiterhofs behauptet, damit nichts zu tun zu haben. | |
Pannier mache seine Versicherungsgeschäfte, sie sei nur Mieterin. Die | |
E-Mail kenne sie nicht, auch wisse sie nicht, dass ihr Vermieter den | |
Reiterhof bewerbe. Pannier legt auf Nachfrage den Hörer auf. Der | |
Verfassungsschutz beobachtet den Hof schon länger. Eine dortige gewerbliche | |
Tätigkeit sei aber nicht per se zu verhindern, heißt es. | |
Das gilt auch für das von Pannier auf dem gleichen Hof betriebene | |
"Märkische Familien- und Hilfswerk". Mit Kleiderkammern und | |
"Selbstversorgungsprojekten" wolle man Familien und Kinder unterstützen, | |
stellt sich der Verein vor. In internen E-Mails ist aber auch die Rede von | |
geplanten "Julfesten" für "Kameraden". Und dem Ziel, "Netzwerke zu bilden, | |
erst recht in unserem weltanschaulichen Bereich". | |
Nördlich von Berlin, in Oranienburg (Oberhavel), versucht es die NPD mit | |
Musik: in einem alten Getreidespeicher, angemietet von der JN. Wurden 2010 | |
nur vier rechtsextreme Konzerte in Brandenburg bekannt, waren es in diesem | |
Jahr bereits acht - fünf davon im Oranienburger Speicher. Dutzende hätten | |
diese besucht, teilt der Verfassungsschutz mit. Auch Rechtsextremisten aus | |
anderen märkischen Städten, aus Berlin und Mecklenburg-Vorpommern hätten | |
sich dort bereits getroffen. | |
Von 320 auf 370 Mitglieder wuchs die Brandenburger NPD im vergangenen Jahr. | |
2,6 Prozent holte sie bei der Landtagswahl 2009, Ende 2010 verleibte sie | |
die rechte Konkurrenz der DVU ein. Dass die Partei nun über feste Orte für | |
ihre Treffen verfügt, tragen die Funktionäre nicht groß nach außen, um die | |
Rückzugsorte nicht zu gefährden. In den betroffenen Städten reagiert man | |
aufgeschreckt. Seit einem Jahr wisse man von den Umtrieben im Speicher, | |
sagt Oranienburgs Bürgermeister Hans-Joachim Laesicke (SPD). | |
"Rechtsextremismus vereinbart sich überhaupt nicht mit unserem Leitbild der | |
Toleranz." | |
Mit dem lokalen Forum gegen Rassismus und rechte Gewalt habe er sich | |
mehrfach beraten, erzählt Laesicke. Den Eigentümer des Gebäudes, ein | |
Getreidehandelshaus, habe er in einem Brief aufgefordert, den Mietvertrag | |
mit den Neonazis zu beenden. Eine Antwort hat Laesicke bis heute nicht | |
erhalten. | |
Auch Bianca Urban, Bürgermeisterin in Märkisch Buchholz, wehrt sich gegen | |
den "nationalen Jugendtreff" in ihrem Ort. Ein "ganz linkes Ding" sei der | |
Ankauf gewesen, von der NPD oder einem Jugendzentrum sei nie die Rede | |
gewesen. "Als wir wussten, worum es denen geht, wars zu spät", klagt Urban | |
von der Wählergruppe Heimatverein. Die Juristin hat das Jugendamt | |
eingeschaltet und den Landkreis. "Wir werden alles probieren, dagegen | |
vorzugehen. Diese Leute dürfen hier nicht Fuß fassen." Einen Sozialarbeiter | |
habe man angestellt, Ende August soll ein neuer Jugendraum im Ort eröffnet | |
werden, ein Literaturzentrum ist geplant. All dies, sagt Urban, habe man | |
übrigens schon vorgehabt, bevor die Neonazis kamen. | |
"Es gibt Appelle an rechtsextreme Funktionäre, Immobilien für die Szene zu | |
erwerben", sagt Ray Kokoschko von der Mobilen Beratung Brandenburg. Aber, | |
so der Soziologe: "Die Sensibilisierung ist da." In allen Regionen seien | |
Gemeinden bemüht, gegen die Treffpunkte vorzugehen. Kokoschko sieht die | |
neuen Szeneorte gar als Resultat des gestiegenen Zivilengagements im Land. | |
Wenn Neonazis aus Kneipen und Hinterzimmern geschmissen würden, müssten sie | |
sich eben in Privaträume zurückziehen. | |
Andernorts sind die Rechten bereits gescheitert: Als die NPD 2007 in Rauen | |
(Oder-Spree) über eine schwedische Firma ein Landgut erwarb, musste sie | |
dieses nach langem Rechtsstreit wieder räumen. Und als die Partei einen | |
abgelegenen Plattenbau in Biesenthal (Barnim), ein ehemaliges | |
Asylbewerberheim, kaufte, sprach die Stadt ein baurechtliches | |
Nutzungsverbot aus und widmete das Grundstück zum Waldgebiet um. Konzerte | |
und größere Veranstaltungen sind nicht mehr möglich, das Gelände dümpelt | |
vor sich hin. | |
Nicht die rechtsextremen Treffpunkte seien mehr geworden, bemerkt deshalb | |
Innenministeriumssprecher Brandt, sondern Zivilgesellschaft und | |
Sicherheitsbehörden aufmerksamer. "Das hat zu mehr Erkenntnissen und zu | |
mehr demokratischem Engagement geführt." | |
In Märkisch Buchholz erzählt Bürgermeisterin Bianca Urban gern die | |
Geschichte mit dem Angelverein. Dort habe vor einiger Zeit auch | |
NPD-Funktionär Sven Haverlandt angefragt, ob er Mitglied werden könne. Die | |
Angler hätten abgelehnt: Für Neonazis hätten sie keinen Platz. | |
Er habe Widerstand erwartet, sagt NPD-Mann Haverlandt. "Das sehe ich aber | |
locker." Und die Einwohnerschaft in Märkisch Buchholz sei dem Projekt "eher | |
positiv gestimmt, weil endlich mal einer was macht". | |
Kokoschko von der Mobilen Beratung will nichts verharmlosen, aber sein | |
Eindruck ist ein anderer: "Auch in Märkisch Buchholz ist vieles bei den | |
Nazis Wunschdenken. Von den Jugendlichen außerhalb der rechten Szene geht | |
da keiner hin." | |
26 Jul 2011 | |
## AUTOREN | |
Konrad Litschko | |
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