# taz.de -- Abgeordnetenhaus debattiert über Volksentscheid: Feilschen um die … | |
> Initiative Wassertisch will Kaufverhandlungen mit RWE stoppen. Senat | |
> lehnt das im Parlament ab. Linksparteichef verteidigt nicht öffentliche | |
> Gespräche. | |
Bild: Das Ergebnis des Volksentscheids vom Sonntag beschäftigte am Donnerstag … | |
Der Volksentscheid ist Vergangenheit, aber der Streit über die Zukunft der | |
Berliner Wasserbetriebe (BWB) geht weiter. Denn die Initiatoren der | |
erfolgreichen Abstimmung vom Sonntag, der Berliner Wassertisch, forderten | |
am Donnerstag überraschend, die laufenden Verhandlungen über einen Rückkauf | |
von BWB-Anteilen zu stoppen. Der Senat lehnt das ab. Umstritten ist auch | |
die Form der Gespräche mit RWE, einem der beiden privaten Teilhaber. | |
Linkspartei und Grüne gerieten dabei im Abgeordnetenhaus am heftigsten | |
aneinander. Die Forderung der Grünen, die Verhandlungen öffentlich zu | |
machen, nannte Wirtschaftssenator Harald Wolf (Linkspartei) "Schwachsinn". | |
Der Donnerstag, an dem alle Fraktionen übereinstimmend in der zentralen | |
Debatte über den Volksentscheid diskutieren wollten, hatte mit einer | |
Überraschung begonnen. Denn wenige Stunden vor der Parlamentssitzung | |
verlangten die Initiatoren des Volksentscheids einen Stopp von | |
Kaufverhandlungen. Der Wassertisch als Gegner von Verhandlungen über einen | |
Rückkauf der 1999 zur Hälfte an private Unternehmen verkauften BWB? Wie war | |
das vereinbar mit einer gewünschten Rekommunalisierung und dem Motto des | |
Volksbegehrens "Wir wollen unser Wasser zurück"? | |
"Unser Ziel ist es, mit der vollkommenen Offenlegung der Verträge die | |
Möglichkeit einer Klage auszuloten, die den Vertrag für nichtig erklären | |
könnte", sagte Wassertisch-Sprecher Michael Tschuschke bei einer | |
Pressekonferenz. Seine Logik: Mit einem nichtigen Vertrag wäre auch die | |
umstrittene Rendite-Garantie als Basis für Kaufverhandlungen hinfällig und | |
dadurch ein geringerer Kaufpreis möglich. Zum jetzigen Zeitpunkt zu | |
verhandeln und zu kaufen ist für den Wassertisch Verschleuderung von | |
Steuergeldern. Bei einer künftigen Prüfung der Wasserverträge bot die | |
Initiative ihre Mitarbeit an, "als Partner des Parlaments, nicht als | |
Konkurrenz". | |
Im Abgeordnetenhaus sprach sich knapp drei Stunden später zwar auch die | |
Grünen-Fraktion dafür aus, abzuwarten - allerdings nicht auf ein | |
Nichtigkeitsurteil, sondern auf eine Entscheidung des Bundeskartellamts: | |
Diese Behörde prüft derzeit die Berliner Wasserpreise. Die Grünen hielten | |
dem Wirtschaftssenator vor, für die RWE-Anteile jeden Preis zahlen zu | |
wollen. "Herr Wolf hat doch schon das Glitzern in den Augen, wenn er über | |
die RWE-Anteile nur redet", sagte Fraktionschef Volker Ratzmann. Ja, auch | |
die Grünen würden die 1999 privatisierten Anteile zurückkaufen wollen - | |
"aber nur, wenn der Preis stimmt". | |
Wolf selbst und Linkspartei-Landeschef Klaus Lederer wiederum mochten | |
keinen Hinweis darauf erkennen, dass ein Gericht die Wasserverträge | |
tatsächlich für unwirksam erklären könnte. "Diese Hoffnung ist durch nichts | |
belegt", sagte Lederer. Und nicht nur das: "Jetzt auf die Verhandlungen mit | |
RWE zu verzichten wäre sträflich." Wolf sprach von "imaginären Hoffnungen" | |
und einem Zeitfenster, das man nutzen müsse. Derzeit könnte das Land an | |
günstige Kredite kommen, um den Kauf zu finanzieren. | |
Am stärksten rieben sich Regierungsseite und Grüne im Parlament an einem | |
erst kurz zuvor eingebrachten Antrag der Grünen. Der fordert "die bisher | |
eingeleiteten Verkaufsverhandlungen sowie die Verkaufsangebote zu den | |
RWE-Anteilen und alle weiteren Schritte von | |
Rekommunalisierungsverhandlungen der Öffentlichkeit zugänglich zu machen". | |
Linkspartei-Chef Lederer ließ daran zweifeln, ob die Grünen wirklich einen | |
Rückkauf wollten. "Wer so etwas fordert, liebe Grünen, der will | |
offensichtlich, dass die Verhandlungen scheitern oder gar nicht erst | |
stattfinden." Das sah auch Wolf so: Die Verhandlungen quasi im | |
Olympiastadion stattfinden zu lassen sei nicht sinnvoll. Sobald ein | |
Ergebnis vorliege, werde man das dem Parlament und der Öffentlichkeit | |
vorlegen. Vorher müssen für Wolf Gespräche unter vier oder sechs Augen | |
möglich sein. | |
In gleichem Maße, wie SPD und Linkspartei eindeutig auf Rückkauf setzen und | |
sich die Grünen mit Abstrichen dafür aussprachen, lehnen CDU und FDP das | |
ab. Für sie ist der Weg zu niedrigeren Wasserpreisen ein anderer. "Drohen | |
Sie nicht länger den Investoren. Tun Sie, was Sie machen können: Senken Sie | |
die Preise", forderte CDU-Fraktionschef Frank Henkel von Wolf, den er "den | |
eigentlichen Preistreiber in diesem Geschäft" nannte. Henkel will in Kauf | |
nehmen, dass das Land dann RWE und dem zweiten privaten Teilhaber Veolia | |
für die sinkenden Gewinne einen Ausgleich zahlen müsste. Das Geld dafür sei | |
da, weil auch das Land an den im Bundesvergleich hohen Wasserpreisen | |
verdiene. Tief griff Henkel in die Vorwurfskiste, sprach von | |
"Wählertäuschung" und einer "Verstaatlichungsagenda" des Senats. | |
Der rhetorische Höhepunkt blieb indes FDP-Fraktionschef Christoph Meyer | |
vorbehalten. Für den ist die rot-rote Wasserpreispolitik "staatlich | |
organisierter Raubtierkapitalismus". | |
17 Feb 2011 | |
## AUTOREN | |
Stefan Alberti | |
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