# taz.de -- Regierungsbildung im Kosovo: Hashim Thaci findet Koalitionspartner | |
> Die neue Regierung verfügt im Parlament des Kosovo nur über eine knappe | |
> Mehrheit. Und ein Vertreter der serbischen Minderheit wird als | |
> Vizepremier gehandelt. | |
Bild: Hashim Thaci bei der Stimmabgabe vor mehr als zwei Monaten. | |
SARAJEWO taz | Die Regierungsbildung in Kosovo ist überraschend zügig über | |
die Bühne gegangen. Zwei Monate nach den Wahlen ist es dem bisherigen | |
Premierminister Hashim Thaçi gelungen, Partner für eine neue Regierung zu | |
finden. Die bisherige Koalition mit der traditionsreichen und | |
zweitstärksten Partei, der "Demokratischen Liga Kosova" (LDK), war | |
gescheitert. | |
Am Samstag wurden die Koalitionsvereinbarungen unterschrieben. Demnach wird | |
die stärkste Partei, die "Demokratische Partei Kosova" (PDK) mit der | |
"Allianz Neues Kosova" (AKR) des Bauunternehmers Behgjet Pacolli und | |
einigen Minderheitenparteien die neue Regierung bilden. Das neue Bündnis | |
stützt sich auf eine knappe Mehrheit von 65 der 120 Abgeordneten im | |
Parlament, darunter sollen sich 22 Vertreter von nationalen Minderheiten | |
befinden. Insgesamt wurden 25 Minderheitenabgeordnete ins Parlament | |
gewählt, darunter 15 Serben. | |
Eine stabilere Regierung zu bilden, war aber nicht möglich, denn weder die | |
Fortschrittspartei AAK sowie die Demokratische Liga wollten eine Koalition | |
mit Thaçi eingehen. Zusammen mit der Gruppe "Selbstbestimmung" des | |
ehemaligen Studentenführers Albin Kurti ist daher eine starke Opposition im | |
Parlament zu erwarten. | |
Der Regierungsbildung waren harte Verhandlungen über die Machtverteilung im | |
künftigen Bündnis vorausgegangen. Thaçi bot Pacolli den Posten des | |
Präsidenten der Republik an. Ob aber der mit einem Schweizer Pass | |
ausgestattete Unternehmer, der mit seiner Baufirma im Russland- und | |
Kasachstangeschäft reich geworden ist, wirklich am heutigen Montag zum | |
Präsidenten der Republik gewählt werden wird, ist noch unklar. Denn einige | |
Abgeordnete der PDK wollen den Baulöwen nicht unterstützten. Auch | |
internationale Diplomaten äußern Kritik. Die Wahl eines Staatschefs mit | |
dubiosem Geschäftsgebahren könnte sich als politischer Fehler für die | |
Zukunft des Landes herausstellen. | |
Trotz der vor allem aus Serbien stammenden Anschuldigungen gegenüber Hashim | |
Thaçi selbst, er sei ein Boss der albanischen Mafia, haben sich die | |
Vertreter der serbischen Minderheit bereit gefunden, die Regierung Thaçi zu | |
unterstützen. Ein Vertreter der serbischen Minderheit, die bisher zwei | |
Minister stellte, soll sogar stellvertretender Ministerpräsident werden. | |
Dies ist eine positive Überraschung und kann zum inneren Frieden im Lande | |
beitragen. | |
Nach dem Programm und den Aussagen Thaçis hat der weitere Aufbau der | |
staatlichen Institutionen und der Wirtschaft Priorität. Thaçi möchte | |
Visafreiheit für seine Landsleute im Schengenraum erreichen sowie näher an | |
die EU und die Nato rücken. In die nächste Legislaturperiode fallen auch | |
die von der EU geforderten direkten Verhandlungen mit Serbien über die | |
Lösung technischer Fragen wie der Reisefreiheit, der Autokennzeichen und | |
wirtschaftlichen Zusammenarbeit. | |
Sorgen muss sich der 42-jährige Regierungschef weiter über die nicht | |
verstummenden Beschuldigungen, die Kosova-Befreiungsorganisation UÇK sei am | |
Handel mit Organen beteiligt gewesen, machen, die dem Ansehen des Landes | |
viel Schaden zugefügt haben. Während des Kriegs 1998/99 sollen nach einem | |
Bericht an den Europarat gefangenen Serben Organe in Nordalbanien entnommen | |
worden sein. Thaçi hat den internationalen Organisationen, wie der | |
Rechtsstaatsmission Eulex, angeboten, bei der Aufklärung der | |
Anschuldigungen behilflich zu sein. Russland will jetzt ebenfalls beteiligt | |
werden und forderte im Weltsicherheitsrat die Bildung einer UN-Kommission. | |
Seit 1999 hatten sich schon Teams der UN-Mission, des | |
Kriegsverbrechertribunals in Den Haag, des amerikanischen FBI und der Eulex | |
um Aufklärung bemüht, konnten jedoch keine Beweise für die Anschuldigungen | |
finden. | |
20 Feb 2011 | |
## AUTOREN | |
Erich Rathfelder | |
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