# taz.de -- Demokraten gewinnen Wahl im Kosovo: "Der Sieg gehört uns" | |
> Im Kosovo hat sich die Demokratische Partei Kosova unter Hashim Thaci zum | |
> Wahlsieger erklärt. "Democracy in Action" vermutet aber Wahlbetrug in | |
> einer Thaci-Hochburg. | |
Bild: In Jubelstimmung: Anhänger der Thaci-Partei. | |
Schon in der Nacht zum Montag erklärte sich der ehemalige Führer der | |
Kosovo-Befreiungsorganisation UÇK und bisherige Ministerpräsident Hashim | |
Thaci zum Sieger der ersten allgemeinen Parlamentswahl seit der | |
Unabhängigkeit des Kosovo 2008. | |
"Der Sieg gehört uns", sagte Thaci in einer im Fernsehen übertragenen | |
Ansprache, nachdem 31 Prozent der Stimmen für ihn und seine Demokratische | |
Partei Kosova prognostiziert worden waren. Die Wahl sei ein Sieg der | |
Demokratie und der demokratischen Werte. | |
Allerdings kam es nach der Gruppe "Democracy in Action" in der Region | |
Drenica, der Thaci-Hochburg, zu Wahlergebnissen, die auf Wahlbetrug | |
schließen lassen. Wenn bei einer Gesamtwahlbeteiligung von rund 48 Prozent | |
der insgesamt 1,6 Millionen Wähler in dieser Region Beteiligungen von über | |
90 Prozent erreicht werden, "kann man schon misstrauisch werden", erklärte | |
ein Vertreter der Organisation. | |
Ob die anderen Parteien das Wahlergebnis anerkennen werden, ist deshalb | |
noch unklar. Immerhin konnte sich die zweite bisherige Regierungspartei, | |
die LDK, die Demokratische Liga Kosova, mit 25 bis 26 Prozent besser | |
behaupten als bei den letzten Wahlen. Dennoch zeigte sich ihr | |
Spitzenkandidat, der populäre Bürgermeister von Prishtina, Isa Mustafa, | |
enttäuscht. Er hatte mit einem Kopf-an-Kopf-Rennen gerechnet. | |
Als Siegerin der Wahlen kann sich auch die vor allem von Studenten | |
getragene Bewegung "Selbstbestimmung" (Vetevendosje) fühlen, die zum ersten | |
Mal bei den Wahlen antrat und auf Anhieb um die 15 Prozent der Stimmen | |
gewinnen wird. Ihr Spitzenkandidat, der ehemaligen Studentenführer Albin | |
Kurti, gilt als der schärfste Kritiker der etablierten Parteien, denen er | |
Korruption und Machtmissbrauch vorwirft. In der Wahlkampagne zog er | |
allerdings selbst Kritik der Zivilgesellschaft und der anderen Parteien auf | |
sich, denn er spielte eine nationalistische Karte aus und forderte die | |
Vereinigung Kosovos mit Albanien. | |
An Einfluss verloren dagegen hat der zweite Ex-UÇK-Kommandeur Ramush | |
Haradinaj, der sich zurzeit vor dem Kriegsverbrechertribunal in Den Haag | |
verantworten muss. Seine "Allianz für den Fortschritt" wird wohl über 10 | |
Prozent der Stimmen nicht hinauskommen. Alle anderen Parteien haben | |
erheblich an Stimmen eingebüßt, die Liste der Zivilgesellschaft "Fair", die | |
erstmals antrat, konnte die 5-Prozent-Hürde nicht überspringen. | |
Als wichtigstes Ergebnis der Wahlen sehen viele Beobachter der | |
internationalen Institutionen die hohe Wahlbeteiligung von 40 bis 50 | |
Prozent in den serbischen Gemeinden (ehemalige Enklaven) des Südens. Ein | |
beachtlicher Teil der serbischen Bevölkerung von insgesamt 120.000 Menschen | |
habe ihre Boykotthaltung gegenüber dem Kosovo-Staat aufgegeben und sehen | |
nun die Vorteile der vom finnischen UN-Vertreter Martti Ahtisaari 2007 | |
verhandelten Gemeindereform, die den serbischen Gemeinden große Privilegien | |
verschafft. | |
Mit den der serbischen Minderheit ohnehin zustehenden 10 Sitzen und den nun | |
gewählten Vertretern können die Serben mit knapp 20 Sitzen im 120-köpfigen | |
Parlament rechnen. Implizit haben diese Serben die Unabhängigkeit des | |
Staates Kosovo anerkannt. Dagegen wehrten sich bis zuletzt die | |
nationalistischen Kräfte, die die nördlichen Serbengebiete Kosovos, die | |
direkt an Serbien grenzen, beherrschen. Mit Anschlägen, Drohungen und | |
Morden gingen die Extremisten gegen wahlwillige Serben im Norden vor. Die | |
serbische Wahlbeteiligung im Norden tendiert deshalb gegen null. | |
13 Dec 2010 | |
## AUTOREN | |
Erich Rathfelder | |
## TAGS | |
UN-Tribunal Ex-Jugoslawien | |
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