# taz.de -- Tübingens OB über Mappus: Landeshalbstarker statt Landesvater | |
> Anstand und Seriosität sind seine Sache nicht: Warum Stefan Mappus für | |
> das Amt des baden-württembergischen Ministerpräsidenten nicht geeignet | |
> ist. | |
Bild: Stefan Mappus schaut am 18.02.11 in Herbolzheim (Landkreis Emmendingen) a… | |
BERLIN taz | Baden-Württembergs Ministerpräsident Stefan Mappus hat in | |
seinem ersten Amtsjahr ein Bild abgegeben, das von einem auffälligen | |
Widerspruch geprägt ist: Die Republik kennt vor allem den | |
unerschütterlichen Macher, der Projekte mit äußerster Härte durchsetzt und | |
keinem Streit aus dem Weg geht. Im Land selbst sieht man häufig einen | |
schwankenden Steuermann, der den Kurs hektisch ändert, wichtige | |
Entscheidungen in kürzester Zeit komplett umwirft und vor vermutetem | |
Widerstand ängstlich zurückweicht. | |
Mappus, der Macher, rettete ganz alleine die Energieversorgung | |
Baden-Württembergs vor dem Zugriff ausländischer Investoren und schickte | |
die Polizei mit Wasserwerfern in die Schlacht gegen die Bürgerschaft. | |
Mappus, der Wankelmütige, wollte den Beamten Mehrarbeit zur | |
Haushaltssanierung abverlangen, gab das wegen Protesten rasch auf und | |
spendierte den Staatsdienern dann eine Gehaltssteigerung von 2 Prozent, ehe | |
die Tarifverhandlungen überhaupt begonnen hatten. | |
Diese Widersprüche sind nur zu verstehen, wenn man Stefan Mappus versteht. | |
Schon als Fraktionsvorsitzender der Landtags-CDU hat sich Mappus das Image | |
eines Konservativen zugelegt. Doch sind von Mappus weder intellektuelle | |
Abhandlungen über den Konservativismus bekannt, noch kann man ein | |
wertgebundenes Handeln bei ihm feststellen. Er ist weder ein | |
Wirtschaftsliberaler, wie sein Vorgänger Günther Oettinger, noch ein | |
Wertkonservativer, wie sein Vorvorgänger Erwin Teufel. Für Mappus zählt | |
allein die Macht. | |
Das zeigte sich schon im Landtagswahlkampf 2001, als er wenig zimperlich | |
verkündete, er werde das Problem seiner Gegenkandidatin Ute Vogt "final | |
lösen". Mappus gewann den Wahlkreis und große Anerkennung in der CDU. Er | |
hat damals verinnerlicht, wie man als Haudrauf erfolgreich ist. Der Sieg | |
über Ute Vogt und der schnelle Aufstieg zum Fraktionsvorsitzenden waren für | |
ihn der Beweis, dass man es so machen muss, jedenfalls darf. | |
So kam er mit Machtinstinkt, aber ohne ein Projekt über die | |
CDU-Erbfolgeregelung ins Amt des Ministerpräsidenten. Nach dem holprigen | |
Start sah Mappus im Sommer 2010 die Chance, sich in den konservativen | |
Landstrichen als Hüter von Recht und Ordnung zu profilieren. Stuttgart 21 | |
und die Dämonisierung der Gegner sollte die Kernwählerschaft mobilisieren. | |
Deshalb prägte Mappus den Begriff von den "Berufsdemonstranten am Bahnhof" | |
und rief der jubelnden JU zu, er nehme den "Fehdehandschuh" auf, den man | |
ihm hingeworfen habe. Mappus ließ Gerüchte über zunehmende | |
Gewaltbereitschaft der Demonstranten am Bahnhof streuen und beschwor die | |
Gefahr eines Regierungssturzes. Stuttgart 21 und die Landtagswahl wollte er | |
wieder "final lösen." | |
Wir wissen heute durch einen Untersuchungsausschuss, dass Mappus in der | |
Phase der verbalen Aufrüstung die Polizeiführung häufig aufsuchte und zu | |
verstehen gab, dass er ein hartes Vorgehen erwarte. Mappus kannte alle | |
Schwierigkeiten bei der Vorbereitung des Einsatzes im Schlossgarten, und er | |
wollte unmittelbar danach in einer Regierungserklärung klarmachen: Meiner | |
Staatsmacht und Regierungskunst stellt sich niemand in den Weg. Offenkundig | |
schien ihm dabei ein begrenzter Konflikt hilfreich. So ließe sich ja | |
belegen, dass die Berufsdemonstranten den Rechtsstaat tatsächlich infrage | |
stellten. Mappus wollte ihn verteidigen und die Gegner demoralisieren, | |
indem die Bäume im Park exakt zum vorgegebenen Zeitpunkt fallen. | |
Es kam bekanntlich anders. Die Polizei verlor die Kontrolle über den | |
Einsatz. Mappus klare Zielvorgabe erwies sich als nicht umsetzbar. | |
Jedenfalls nicht ohne Wasserwerfer und Pfefferspray. Ganz ohne Zweifel | |
hätte Mappus der Polizei den Abbruch des Einsatzes ermöglichen können. Er | |
wollte aber seinen Schlachtplan umsetzen: Der Innenminister wies die Schuld | |
an der Gewalt ausschließlich den Demonstranten zu, selbst fliegende | |
Pflastersteine wurden erfunden. Erst als im Staatsministerium klar wurde, | |
dass die Schlacht medial verloren war, lenkte Mappus ein. Aus Angst vor | |
Machtverlust, nicht aus Einsicht, gab er sich zerknirscht und stimmte der | |
Geißler-Schlichtung zu. | |
Mappus blieb dabei so authentisch, dass er nicht einmal eine Entschuldigung | |
gegenüber den vielen Verletzten oder dem fast erblindeten Rentner Dietrich | |
Wagner über die Lippen brachte. Dabei hätte er genau hier die Chance | |
gehabt, sich durch eine versöhnende Geste als Landesvater zu zeigen. Zu | |
sehen war nur ein Landeshalbstarker, der nach der Schlägerei sagt, die | |
anderen hätten angefangen, und sich dabei denkt, denen sei es gerade recht | |
geschehen. | |
Mappus hatte Glück. Seine Gegenüber waren verantwortungsvoll genug, den | |
friedlichen Weg der Schlichtung mitzugehen. Die schwierigste Phase seiner | |
Amtszeit überstand er durch Zurückhaltung. Leicht auszumalen, wie schwer | |
ihm das gefallen sein muss. Umso entschiedener bereitete er den Coup vor, | |
der ihm nun die Wahl sichern sollte: den Rückkauf der EnBW-Aktien vom | |
französischen Staatskonzern EDF. | |
Mappus wollte sich damit als führungsstarker Macher profilieren, der den | |
Wirtschaftsstandort sichert. Und den Erfolg wollte er ganz für sich allein. | |
Deshalb bereitete er das Geschäft nur mit CDU-Freunden aus Investmentbanken | |
und Anwaltskanzleien vor. Sogar den Landtag stellte er vor vollendete | |
Tatsachen, indem er unter Berufung auf einen Notstandsparagrafen eine | |
rechtsgültige Unterschrift unter den Kaufvertrag setzte. Die Eile sei zur | |
Abwehr einer drohenden Übernahme notwendig gewesen, einen | |
Parlamentsvorbehalt hätten die Franzosen nicht akzeptiert, rechtfertigte | |
sich Mappus. | |
Doch für das Milliardengeschäft mit dem Energieversorger gab es keinen | |
Grund und schon gar keinen zur Eile. Für das Aktienpaket der EDF hatten | |
oberschwäbische Landkreise ein Vorkaufsrecht. Bis heute existiert kein | |
Hinweis darauf, dass überhaupt jemand eine Übernahme plante. Außer Mappus. | |
Der Kauf der EnBW löste die erhofften patriotischen Regungen aus, und all | |
die merkwürdigen Umstände wären Mappus verziehen worden, hätte er zumindest | |
die Fraktionsvorsitzenden im Landtag in seinen Plan eingeweiht, um das | |
Budgetrecht des Parlaments zu achten. Niemand hat ihn daran gehindert, nur | |
sein Ehrgeiz und der Anspruch der Alleinherrschaft. Mappus kennt keine | |
Schranken und kein Unrechtsbewusstsein. Den Stuttgart-21-Gegnern hält | |
Mappus heute vor, sie akzeptierten den Schlichterspruch nicht. Dabei hatte | |
er immer erklärt, dass er Geißler nicht einmal einen Baustopp zugestehen | |
werde. Ihm fehlt schlicht ein Sensorium für das, was nicht geht. | |
Das Land wird Mappus Ehrgeiz teuer zu stehen kommen. Nach Auffassung von | |
Analysten ist der Kaufpreis von fast 5 Milliarden Euro deutlich überhöht. | |
Wenn das Land verkaufen muss, drohen Milliardenverluste. Der zu 100 Prozent | |
über Fremdkapital finanzierte Aktienkauf erinnert Wirtschaftszeitungen | |
wahlweise an Heuschrecken oder Milchmädchen. Denn das Unternehmen soll die | |
Zinsen für seinen Kauf durch Dividenden vollständig selbst bezahlen. Das | |
Land muss den Konzern auspressen, wenn es schlecht läuft, sonst türmen sich | |
Verluste in der Landeskasse. | |
Für Mappus ist der kommende Urnengang eine "Schicksalswahl". Er meint wohl | |
sein eigenes Schicksal. Seine Popularitätswerte sind bescheiden. Da ist ihm | |
zur Mobilisierung der eigenen Anhängerschaft jedes Mittel recht. Grün-Rot | |
führt in den Umfragen in allen Jahrgängen, die aktuell den Wohlstand des | |
Landes erwirtschaften. Nur bei den über 60-Jährigen hat Schwarz-Gelb eine | |
Mehrheit. Und das ist die Wählergruppe, für die konservative Werte | |
besonders wichtig sind. Anstand, Respekt, Seriosität und Solidität sind | |
Eigenschaften, die nicht Mappus, sondern sein grüner Gegenkandidat Winfried | |
Kretschmann verkörpert. Weil Kretschmann bis hin zur Mitgliedschaft im | |
Zentralrat der Katholiken alles mitbringt, was Mappus zum Landesvater | |
fehlt, schreckt der Ministerpräsident nicht davor zurück, seinen | |
Konkurrenten wider besseres Wissen als altersschwache Marionette des grünen | |
Bundesvorsitzenden Cem Özdemir hinzustellen. Und wenn der einmal | |
Ministerpräsident sei, würden Klassenarbeiten im Ramadan verboten. So | |
funktioniert Politik für Stefan Mappus. Die Regeln legt er fest. Maßstab | |
ist dabei nur der vermutete Erfolg. | |
Gemessen daran ist er schon jetzt grandios gescheitert. Wer alles nur dem | |
Machterhalt unterordnet, darf sich dabei nicht so oft verrechnen. Die Wahl | |
am 27. März ist eine Abstimmung über den ungezügelten Machtanspruch des | |
amtierenden Ministerpräsidenten. Gewinnt Mappus, muss er auf niemanden mehr | |
Rücksicht nehmen. Das wäre gefährlich. Er hat durch bedenkenlose | |
Missachtung der Verfassung, der ökonomischen Vernunft und des politischen | |
Anstands bereits bewiesen, dass er für das Amt des Ministerpräsidenten | |
ungeeignet ist. | |
21 Feb 2011 | |
## AUTOREN | |
Boris Palmer | |
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