# taz.de -- Ergebnisse der Hartz-IV-Verhandlungen: Warmes Mittagessen für arme… | |
> Nach wochenlangen Verhandlungen ist klar: Der Regelsatz steigt um acht | |
> Euro. Das Bildungspaket kommt. Und die Arbeitsagentur kriegt den | |
> schwarzen Peter. | |
Bild: Für rund 2,5 Millionen Kinder von Geringverdienern gibt es neue Leistung… | |
Zwei Monate dauerten die Verhandlungen, dann einigte sich die Koalition aus | |
CDU, CSU und FDP mit der SPD in der Nacht zum Montag auf eine | |
Hartz-IV-Reform. Die Grünen waren zuvor aus den Verhandlungen ausgestiegen. | |
Die Ergebnisse: | |
Regelsatz: | |
Die Einigung sieht vor, dass das Arbeitslosengeld II für derzeit etwa 4,7 | |
Millionen erwachsene Hartz-IV-Bezieher rückwirkend ab Jahresanfang 2011 um | |
5 auf 364 Euro im Monat steigt. In einem zweiten Schritt zum Jahresanfang | |
2012 gibt es 3 weitere Euro mehr. Der Regelsatz liegt dann bei 367 Euro im | |
Monat plus Unterkunftskosten. Die Steigerung Anfang 2012 gibt es zusätzlich | |
zu der dann ohnehin anstehenden, regulären jährlichen Anpassung aufgrund | |
der Preis- und Lohnentwicklung. Das Gesetz sieht zur Anpassung einen neuen | |
Misch-Index vor: Danach orientieren sich die Regelsätze künftig zu 30 | |
Prozent an der Preis- und zu 70 Prozent an der Lohnentwicklung. Dies | |
bedeutet, dass die Hartz-IV-Sätze künftig stärker zulegen könnten als die | |
Renten. | |
Bildungs- und Teilhabepaket: | |
Wichtige Neuerung der Hartz-IV-Reform ist das Bildungs- und Teilhabepaket. | |
Für rund 2,5 Millionen Kinder von Geringverdienern, die Hartz IV, den | |
Kinderzuschlag oder Wohngeld erhalten, gibt es neue Leistungen in einem | |
Gesamtwert von mehr als 1,2 Milliarden Euro jährlich. Allein 120 Millionen | |
Euro machen Zuschüsse für warme Mittagessen aus, die Kinder aus Familien im | |
Hartz-IV-Bezug in Schulen und Kitas bekommen sollen. Kinder aus Familien im | |
Hartz-IV-Bezug, aber auch von Wohngeldempfängern erhalten zudem | |
Mitgliedschaften in Vereinen oder Musikschulen. Diese werden subventioniert | |
mit einem Betrag von 10 Euro im Monat. Insgesamt 244 Millionen Euro sollen | |
dafür fließen, hieß es aus Verhandlerkreisen der SPD-Länder. Die Förderung | |
wird über die Kommunen laufen, die entsprechend dem Anteil der Kinder im | |
Hartz-IV-Bezug und den vorhandenen Angeboten ein "kalkulatorisches Budget | |
bekommen sollen", hieß es bei den Verhandlern der SPD. | |
Manche Kommunen werden die Programme, die sie jetzt schon für bedürftige | |
Kinder anbieten, entsprechend in das Bildungspaket integrieren oder | |
erweitern, sagte Uwe Lübking vom Städte- und Gemeindebund der taz. Im | |
Bildungs- und Teilhabepaket enthalten sind auch die Schulstarterpakete für | |
Materialien, finanzielle Hilfen für Wandertage und Honorare für | |
Nachhilfeunterricht. | |
Zur Finanzierung des Paketes stockt der Bund seinen Anteil an den Miet- und | |
Heizkosten der Hartz-IV-Bezieher - die sogenannten Kosten der Unterkunft - | |
um 1,2 Milliarden Euro auf. Darin enthalten sind auch Verwaltungskosten und | |
Ausgaben für Warmwasser. Für drei Jahre befristet bis 2013 gibt der Bund | |
nochmals 400 Millionen Euro: Diese Summe können die Kommunen für den Ausbau | |
der Jugendsozialarbeit nutzen oder für Essen in Kinderhorten. | |
Mindestlöhne: | |
Für drei weitere Branchen und rund 1,2 Millionen Beschäftigte soll es ab | |
dem 1. Mai 2011 Mindestlöhne geben. Das betrifft die Leiharbeit, die | |
Weiterbildungsbranche und das Wach- und Sicherheitsgewerbe. Der Mindestlohn | |
für Zeitarbeiter wird bei 7,59 Euro im Westen und 6,89 Euro im Osten pro | |
Stunde liegen. Darauf hatten sich Arbeitgeberverbände und Gewerkschaften in | |
Tarifverträgen bereits geeinigt. Für das Wach- und Sicherheitsgewerbe soll | |
der Mindestlohn - gestaffelt nach Regionen - ab Mai 2011 bei mindestens | |
6,53 Euro liegen. Er soll in zwei weiteren Stufen steigen und im März 2013 | |
schließlich 7,50 Euro brutto die Stunde betragen. Ein Mindestlohn in der | |
Weiterbildungsbranche wird voraussichtlich bei 10,53 Euro (Ost) und 12,28 | |
Euro (West) liegen. Zur Frage, ab wann Leiharbeiter gleich bezahlt werden | |
sollen wie die Stammbelegschaften, gab es keine Einigung in den | |
Verhandlungen. | |
Grundsicherung im Alter: | |
Die "Sozialhilfe für Alte" wird in den kommenden Jahren künftig von der | |
Bundesregierung übernommen. Bisher zahlen dies zum größten Teil die Städte | |
und Gemeinden. Der Bund nimmt ihnen ab 2012 in drei Schritten die Kosten | |
der Grundsicherung im Alter ab, bis sie ab 2014 vollständig beim Bund | |
liegt. Derzeit wenden die Kommunen dafür rund 3,5 Milliarden Euro auf. | |
Um die neue Last der Grundsicherung für Alte zu schultern, will der Bund | |
rund 4 Milliarden Euro an Zuschüssen bei der Bundesagentur für Arbeit (BA) | |
kürzen. Die Behörde bekommt vom Bund bisher jährlich Einnahmen aus 1 | |
Prozentpunkt der Mehrwertsteuer, dies sind rund 8 Milliarden Euro im Jahr. | |
Schrittweise ansteigend soll es künftig für die Bundesagentur nur noch die | |
Hälfte davon geben. Damit drohen in der BA neue Milliardendefizite. Eine | |
Sprecherin der Bundesagentur bestätigte die behördeninterne Rechnung, nach | |
der sich durch diese Kürzung bis zum Jahre 2014 ein Schuldenberg von 9,6 | |
Milliarden Euro auftürmen könnte. | |
"Alles, was nun zusätzlich für Hartz-IV-Empfänger ausgegeben wird, muss | |
durch Kürzungen im Etat von Arbeitsministerin von der Leyen gegenfinanziert | |
werden", sagte Norbert Barthle, Haushaltspolitiker der Unionsfraktion, der | |
Rheinischen Post. | |
Das Ergebnis der Verhandlungen soll am Dienstagabend vom | |
Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat formell besiegelt werden. | |
Für Freitag wird eine Sondersitzung des Bundesrates angestrebt. Am gleichen | |
Tag könnte der Bundestag zustimmen. Am 1. April könnten rückwirkend zum 1. | |
Januar die Regelsätze erhöht werden. | |
21 Feb 2011 | |
## AUTOREN | |
B. Dribbusch | |
E. Völpel | |
P. Wrusch | |
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