# taz.de -- Hartz-IV-Erhöhung: Schulterzucken vor dem Jobcenter | |
> ALG-II-Empfänger finden die Regelsatzerhöhung sinnlos. Sozialsenatorin | |
> Bluhm hält sie für immer noch nicht verfassungskonform. | |
Bild: Bald gibt's fünf Euro mehr - sinnlos, meint mancher Hartz-IV-Bezieher. | |
Erst fünf, dann acht Euro zusätzlich soll es für Hartz-IV-Bezieher geben. | |
Bei den Betroffenen vor dem Jobcenter Friedrichshain-Kreuzberg löst diese | |
Nachricht nur verächtliches Schulterzucken aus. "Jeder Hartz-IV-Empfänger | |
lacht doch über das Gerangel um die fünf Euro mehr", so einer der Wartenden | |
in der Schlange vor dem Jobcenter an der Rudi-Dutschke-Straße. Der | |
38-Jährige ist gelernter Friseur und bezieht "immer mal wieder" | |
Arbeitslosengeld II. Statt Energie in langen Verhandlungen zu verschwenden, | |
sollten die Parteien lieber über eine neue Arbeitsmarktpolitik nachdenken, | |
meint er. Ein Problem sieht der Arbeitsuchende im sich ausweitenden | |
Niedriglohnsektor. "Als Hartz-IV-Empfänger wird man dahin abgeschoben und | |
muss dann die schlecht bezahlten Jobs machen", so der Berliner. | |
Mit der Einigung der schwarz-gelben Regierungskoalition und der SPD, das | |
Arbeitslosengeld II rückwirkend vom Jahresanfang um fünf Euro zu erhöhen, | |
steigt der Hartz-IV-Satz auf 364 Euro. Zum Jahresanfang 2012 soll es eine | |
erneute Erhöhung um drei Euro geben. Bedürftige Kinder bekommen zusätzlich | |
Zuschüsse zu Schulessen, Vereinsbeiträgen und Nachhilfe. Konkret bedeutet | |
das, dass Hartz-IV-Bezieher voraussichtlich im April 20 Euro mehr auf dem | |
Konto haben werden - für die ersten vier Monate des Jahres. | |
In Berlin gibt es etwa 155.000 nicht erwerbsfähige und rund 438.000 | |
erwerbsfähige Personen, die auf Arbeitslosengeld II angewiesen sind. Etwa | |
120.000 von ihnen sind sogenannte Aufstocker, die Niedriglöhne mit Hartz IV | |
aufbessern müssen. Für Beschäftigte in Zeitarbeitsfirmen, im Wachgewerbe | |
und in der Weiterbildungsbranche sind deshalb Mindestlöhne geplant. | |
Ruben N. würde der Mindestlohn vielleicht dabei helfen, nicht mehr in der | |
Jobcenter-Warteschlange stehen zu müssen. Der 47-jährige gebürtige | |
Hamburger lebt sei Mai in Berlin und gehört seit sechs Jahren zu den | |
"Aufstockern". In den letzten Jahren hat er bei Zeitarbeitsfirmen | |
gearbeitet, vor allem in Call-Centern. Dort ist er schon öfter | |
rausgeflogen: "Ich weigere mich, Oma Lieschen Sachen anzudrehen, die sie | |
nicht will", sagt er. Das habe etwas mit Menschenwürde zu tun. N. ist | |
gelernter Kinderpfleger, konnte aber nie seinen Beruf ausüben. Derzeit | |
arbeitet er über eine Zeitarbeitsfirma für die Deutsche Bahn. | |
Er sei ist aus finanziellen Gründen nach Berlin gekommen, sagt N.: "In | |
Hamburg gibt es keinen bezahlbaren Wohnraum mehr." Jetzt wohne er in einem | |
Berliner Wohnprojekt. Die mit der Hartz-IV-Erhöhung beschlossenen | |
Sachleistungen und Zuschüsse für Kinder findet N. sinnvoll: "Aber die | |
Erhöhung um acht Euro ist lächerlich!" | |
Auch Berlins Sozialsenatorin Carola Bluhm (Linkspartei) ist mit der | |
Erhöhung nicht zufrieden. Der Kompromiss von Bund und Ländern sei "mehr als | |
problematisch, denn er geht am Auftrag des Bundesverfassungsgerichts | |
vorbei", so die Senatorin. 367 Euro im Monat deckten das Existenzminimum | |
nicht ab und ermöglichten den Betroffenen keine ausreichende Teilhabe am | |
gesellschaftlichen Leben, erklärte Senatorin Bluhm. Das aber habe das | |
Verfassungsgericht verlangt. Sie hält auch die erhöhten Regelsätze für | |
nicht verfassungskonform. | |
21 Feb 2011 | |
## AUTOREN | |
Mirjam Schmitt | |
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