Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Aufstand in Libyen: Rebellen schlagen Gaddafi-Truppen
> Die Aufständischen in Sawija und Misrata haben Angriffe von
> Gaddafi-Truppen zurückgeschlagen. Die Situation der Flüchtlinge sei an
> einem Krisenpunkt angelangt, sagen die Vereinten Nationen.
Bild: Die Aufständischen konnten die Stadt Sawija, 50 Kilometer westlich von T…
TRIPOLIS/WASHINGTON/BERLIN dpa/dapd/rtr/afp | Muammar al-Gaddafi hat einen
neuen Grund gefunden, warum er die Macht nicht abgeben kann: Er habe gar
kein politisches Amt in Libyen inne, von dem er zurücktreten könnte, sagte
er britischen und US-amerikanischen Journalisten. Das Interview, das die
britische BBC am Dienstag veröffentlichte, fand in einem Restaurant in der
Hauptstadt Tripolis statt. Gaddafi erklärte, seine Gegner seien von
al-Qaida aus dem Ausland eingeschleust worden und würden jetzt allmählich
schwächer werden, da die Wirkung der von al-Qaida verteilten Drogen
nachlasse. "Mein ganzes Volk ist mit mir", sagte Gaddafi. "Sie lieben mich
alle. Sie werden sterben, um mich zu schützen."
Derweil vereitelten die libyschen Rebellen einen Angriff der
Gaddafi-Truppen auf die strategisch wichtige Stadt Sawija im Westen des
Landes. Die heftigen Gefechte in der rund 50 Kilometer westlich von
Tripolis gelegenen Stadt begannen laut Augenzeugen in der Nacht zu Dienstag
und dauerten rund sechs Stunden an. In der drittgrößten libyschen Stadt, in
Misrata, rund 200 Kilometer östlich von Tripolis, wurde ein
Vormarschversuch von Gaddafis Soldaten aus einem von ihnen kontrollierten
Teil des Luftwaffenstützpunkts ebenfalls zurückgeschlagen.
## Flüchtlingselend an den Grenzen
Derweil spitzt sich die Notlage der aus Libyen fliehenden Menschen zu. Das
UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR warnte vor einer humanitären Katastrophe.
Ägypten und Tunesien seien mit dem anschwellenden Flüchtlingsstrom immer
stärker überfordert. Das UNHCR berichtete auch von brutalen Menschenjagden
innerhalb Libyens auf Zuwanderer aus Eritrea, Somalia, Tschad, Sudan, Irak
und Palästina. Laut UNHCR sind über 140.000 Menschen aus Libyen nach
Tunesien und Ägypten geflohen. An den Grenzposten zu Tunesien warteten
Tausende auf Hilfe und Weitertransport.
Hilfsorganisationen erklärten, dass der Zugang zu den Menschen im Westen
Libyens sehr schwierig sei. Ein europäisches Expertenteam suche derzeit
nach Möglichkeiten, libyschen Boden zu betreten, sagte ein Sprecher der
EU-Kommission in Brüssel am Dienstag. Dies sei wegen der hohen
Sicherheitsrisiken bislang nicht gelungen.
Die EU verfolge üblicherweise das Prinzip, bei Einsätzen dieser Art auf
bewaffnete Sicherheitskräfte zu verzichten, und dies sei auch im Fall
Libyens wünschenswert, obgleich es schon Gespräche mit privaten
Sicherheitsfirmen gegeben habe. Am 11. März wollen die EU-Staaten auf einem
Sondergipfel über die Lage in Libyen und Nordafrika beraten.
In Deutschland ordnete Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle die
vorläufige Sperrung eines Kontos mit rund 2 Millionen Euro ein, das ein
Sohn Gaddafis bei einer deutschen Geschäftsbank angelegt haben soll. Auch
die USA haben im Zuge ihrer Libyen-Sanktionen bisher mindestens 30
Milliarden Dollar (21 Milliarden Euro) an libyschem Regierungsvermögen
eingefroren.
## Premier Cameron droht mit militärischem Angriff
Der britische Premierminister David Cameron hat den Ton gegenüber Libyens
Staatschef Muammar al-Gaddafi am Dienstag erneut verschärft und
militärische Maßnahmen in Erwägung gezogen. "Wir schließen die Nutzung
militärischer Mittel in keiner Weise aus", sagte Cameron Dienstagfrüh.
Später äußerte er sich deutlich gemäßigter.
"Wir dürfen es nicht tolerieren, dass das Regime Militärkräfte gegen das
eigene Volk einsetzt", appellierte Cameron an die internationale
Staatengemeinschaft. Der britische Premier beauftragte
Regierungsmitarbeiter, Pläne für eine Flugverbotszone über Libyen zu
erstellen.
## Spekulationen über eine Flucht Gaddafis nach Weißrussland
Derweil gibt es Spekulationen, dass Gaddafi und seine Familie
möglicherweise eine Flucht nach Weißrussland vorhaben könnten. Darauf
deuten nach Angaben des Stockholmer Friedensforschungsinstitutes Sipri
mindestens zwei Flüge von Gaddafis Privatflugzeug von Tripolis zu einem
weißrussischen Flugplatz in den letzten sieben Tagen hin. Der weißrussische
Staatschef Alexander Lukaschenko gilt als letzter Diktator Europas
Sipri-Experte Hugh Griffiths sagte am Dienstag im schwedischen
Rundfunksender SR, ein Überwachungssystem für Waffentransporte habe die
Flüge nach Weißrussland zweifelsfrei identifiziert. Erwiesen sei auch, dass
das Land in den letzten Wochen 40 Tonnen Waffen an Libyen geliefert habe.
Als Zahlungsmittel habe Gaddafi mit seinem Privatjet wahrscheinlich
Diamanten nach Weißrussland geschafft. Der libysche Staatschef hat
allerdings seit Ausbruch der Unruhen eine Flucht ins Ausland stets
ausgeschlossen.
## UN besorgt um Versorgungslage in Tripolis
Die Vereinten Nationen sind zunehmend besorgt über die humanitäre Lage in
Libyen. In der Hauptstadt Tripolis, die weiter unter Kontrolle von
Staatschef Muammar al-Gaddafi sein soll, herrscht nach Einschätzung der UN
inzwischen Mangel an Lebensmitteln, Medikamenten und Verbandszeug für
Verwundete.
Ein genaues Bild vom Geschehen haben die UN jedoch nicht mehr, weil sie
ihre dortigen Mitarbeiter aus Sicherheitsgründen abgezogen haben. Das sagte
die Unter-Generalsekretärin für humanitäre Notlagen, Valerie Amos, in New
York. Amos sagte nach Angaben des arabischen Nachrichtensenders
Al-Dschasira, es gebe Bericht, dass es in Tripolis bereits 600 bis 2.000
Todesopfer gegeben habe. Es existierten "grauenhafte Bilder" aus der
Hauptstadt.
Die UN gehen davon aus, dass die Gewalt in Libyen mehr als 100.000 Menschen
zur Flucht in benachbarte Länder getrieben hat. Etwa 60.000 Flüchtlinge
hätten sich nach Ägypten abgesetzt, weitere 40.000 nach Tunesien. Amos bat
Libyens Nachbarländer, die Grenzen offenzuhalten, damit Verfolgte des
Gaddafi-Regimes entkommen könnten.
1 Mar 2011
## TAGS
taz.lab 2011 „Die Revolution haben wir uns anders vorgestellt“
## ARTIKEL ZUM THEMA
Schriftsteller über libyschen Aufstand: "Es geht nicht um Brot"
Die Revolte im Lande Gaddafis hat nichts mit Armut zu tun, sagt der
Schriftsteller Ibrahim al-Koni. Die Geduld des Volkes sei schlicht am Ende.
Freie Presse in Libyen: Der alte Traum ist wahr geworden
In Bengasi haben sich die ersten unabhängigen Medien gegründet. Die
Tageszeitung "Freies Libyen" und ein Radioprogramm leben dabei vom
Enthusiasmus der Menschen.
Aufstand in Libyen: Tausende Tote
Gaddafi geht im Osten des Landes in die Offensive und kündigt an, "bis zum
letzten Mann" kämpfen zu wollen. Tausende sind bereits gestorben, sagen
Menschenrechtsorganisationen.
Kommentar Militärintervention in Libyen: Hilfe ja, Bomben nein!
Von einem Flugverbot über Libyen bis zu einer militärischen
Auseinandersetzung ist es nicht weit. Damit wäre aber niemandem geholfen,
nicht einmal den Aufständischen.
Aufstand in Libyen: "Gaddafi muss lebend verhaftet werden"
Der Aufstand in Libyen begann mit einer Demonstrantion für die Freilassung
von Fathi Terbil. Der junge Anwalt vertritt Angehörige von Opfern einer
Massenerschießung in einem Gefängnis in Tripolis.
Proteste in Jemen und Oman: Zehntausende demonstrieren in Jemen
Präsident Saleh versucht, seine Gegner zu beschwichtigen. Auch im Sultanat
Oman und wird demonstriert. Bundespräsident Wulff kritisiert den deutschen
Umgang mit Autokraten in Nahost.
Aufstand in Libyen: "Gaddafi droht lebenslange Haft"
Der Internationale Strafgerichtshof prüft die aktuelle Lage in Libyen.
Dabei geht es vor allem um Verbrechen gegen die Menschlichkeit, sagt der
Völkestrafrechtler Kai Ambos.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.