# taz.de -- Verteidigungsminister De Maizière: Merkels wichtigster Soldat | |
> Ein Darsteller geht, ein Mechaniker kommt. Thomas de Maizière rückt an | |
> Guttenbergs Stelle. Gut für den neuen Minister, dass er die Armee von | |
> Kindheit an kennt. | |
Bild: Liberal und "in der Pflicht": der doppelte De Maizière. | |
Thomas de Maizière gilt als erfahrenster Machtmechaniker der Regierung. | |
Schon viele Pannen hat er für Angela Merkel behoben. Doch das heillose | |
Durcheinander, wie es Karl-Theodor zu Guttenberg hinterlassen hat, dürfte | |
selbst ihn beeindrucken. Trotzdem ist es keine Frage, dass er dorthin geht, | |
wo die Kanzlerin ihn haben will: ins Verteidigungsministerium. | |
Er hinterlasse ein bestelltes Haus, behauptete Guttenberg bei seinem | |
Abschied am Dienstag im Berliner Bendlerblock. Er machte einen Schlenker | |
zum größten Projekt, der Bundeswehrreform, und rief: "Das Konzept steht!" | |
Das stimmt so freilich nicht. Denn bis jetzt steht allenfalls die Idee - | |
und die Wehrpflicht ist ausgesetzt. Kurz vor Guttenbergs Rücktritt | |
kritisierte auch das Kanzleramt die vom Minister a. D. vorgelegten | |
Eckpunkte. Unausgewogen. Zu wenig detailliert. Es fehle an Zielen und | |
sicherheitspolitischer Herleitung. Vernichtend. | |
De Maizière traut Merkel wohl zu, die Reform hinzubekommen - was man sich | |
bei anderen Kandidaten wie CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt schlecht | |
hätte vorstellen können. "Ein wichtiges Kriterium" sei das Thema bei der | |
Personalauswahl gewesen, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert. | |
De Maizière ist seit 1983 im politischen Geschäft, managte die | |
Staatskanzleien von Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen und wurde später | |
unter Kurt Biedenkopf Minister in Dresden. 2005 machte ihn Merkel zum Chef | |
des Kanzleramts, wo er den Machtapparat steuern und warten musste. Die | |
Kanzlerin kennt er seit den Wirren der Wende. Nur wenige in der Union | |
stehen Merkel so nahe und ordnen sich ihrem Erfolg derart unter. | |
Beim schwarz-gelben Regierungswechsel 2009 sollte de Maizière eigentlich | |
Finanzminister werden. Doch Merkel sah für ihn eine andere Rolle vor: Er | |
sollte als milder Sheriff im Innenministerium einen Dauerstreit mit den | |
Bürgerrechtsliberalen im Justizministerium verhindern. Als es später so | |
aussah, als müsste Wolfgang Schäuble aufhören, stand de Maizière bereit, | |
das Finanzministerium zu übernehmen. Nun macht er Merkels | |
Verteidigungsminister. | |
## Ein politischer "Perfektionist" | |
Vom Typ her ist de Maizière das genaue Gegenteil seines Vorgängers | |
Guttenberg. Selbst als Innenminister blieb er medienscheu, nach seiner | |
Terrorwarnung im Herbst mussten ihn Kollegen dazu drängen, doch auch mal zu | |
Anne Will und Beckmann in die Talkshows zu gehen. Inszenierte Auftritte | |
oder Interviews mit seiner Frau gibt es nur sehr selten. De Maizière regelt | |
die Dinge lieber geräuschlos. | |
Dafür hat er aber auch nie die Beliebtheitswerte Guttenbergs erreicht. Er | |
sei ein politischer "Perfektionist", sagt der ehemalige Regierungssprecher | |
Thomas Steg, der nüchtern und pragmatisch regiere. "Wenn man böse ist, kann | |
man sagen: Er funktioniert", sagte sein Cousin Lothar de Maizière einmal | |
über ihn, der letzte Ministerpräsident der DDR. | |
In Afghanistan war de Maizière voriges Jahr eine halbe Woche, um sich | |
anzuschauen, wie die Deutschen die afghanische Polizei mit aufbauen, traf | |
US-Generäle, Minister und Gouverneure der Provinzen Kundus und | |
Mazar-i-Scharif. Es wird nicht sein letzter Abstecher an den Hindukusch | |
gewesen sein. | |
Neben der Bundeswehrreform ist Afghanistan die große Herausforderung. Bis | |
Ende dieses Jahres sollen die ersten deutschen Soldaten aus dem Land | |
abgezogen werden, bis 2014 sollen keine Kampftruppen mehr vor Ort sein. Die | |
große Frühjahrsoffensive der Taliban steht allerdings bevor und kann alles | |
umwerfen. De Maizière wird möglicherweise schon schnell Opfer unter den | |
eigenen Soldaten zu rechtfertigen haben. | |
## "Dienststelle Blank" | |
Gleichwohl wird er sich im Verteidigungsministerium zu Hause fühlen wie in | |
keinem anderen Ressort. Er ist in der Bundeswehr aufgewachsen oder - | |
genauer - zusammen mit der Bundeswehr. Denn als er 1954 in Bonn geboren | |
wird, arbeitet sein Vater Ulrich in der "Dienststelle Blank", die die | |
Wiederbewaffnung der Bundesrepublik vorbereitet und später zum | |
Verteidigungsministerium wird. | |
Die Bundeswehr wächst, der Vater steigt auf. In Hamburg leitet Ulrich de | |
Maizière die Führungsakademie der Bundeswehr. Thomas und seine drei älteren | |
Geschwister leben in einem Backsteinhaus auf dem Akademiegelände. Einmal | |
ist de Gaulle zu Gast, ein Detail, das zeigt, mit welchem Maßstab Thomas de | |
Maizière die Größen der Berliner Republik misst. "Scheinriesen", wird er | |
später einmal über sie lästern. Riesen, die aus der Nähe betrachtet so | |
klein sind wie ein Guttenberg. | |
Ulrich de Maizière wurde 1966 Generalinspekteur der Bundeswehr. Das ist der | |
höchste Offizier, darüber kommt nur der Verteidigungsminister. "In der | |
Pflicht" heißt die Autobiografie des 2006 verstorbenen Generals. Das Amt | |
des Vaters prägte lange den Sohn: Der Stabschef, der vorbereitet, berät - | |
und mal aufwischt. Nicht die Nummer eins. Insofern hat er seinen Vater | |
jetzt wohl überholt. | |
2 Mar 2011 | |
## AUTOREN | |
G. Löwisch | |
G. Repinski | |
W. Schmidt | |
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