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# taz.de -- Drohendes Chaos in Berliner Innenstadt: Ecke Friedrichstraße, Unte…
> Im Herbst beginnen die Bauarbeiten für den Weiterbau der Kanzler-U-Bahn U
> 5. Ab 2012 geht dann Unter den Linden, Ecke Friedrichstraße so gut wie
> gar nichts mehr.
Bild: Bald rollt nur noch der Schienenersatzverkehr über die Friedrichstraße
Rainer Boldt, der Vorsitzende der Interessengemeinschaft Friedrichstraße,
ist ein Mann der klaren Worte. "Wir wollen kein zweites Stuttgart 21",
warnt er in Hörweite von Verkehrssenatorin Ingeborg Junge-Reyer (SPD). Die
anwesenden Geschäftsleute und Hoteliers hören es gern. Schließlich droht
der Friedrichstraße, die nach der Wende beinahe wie Phönix aus der Asche
stieg, demnächst der Sturz in die Baugrube. Nach der Sommerpause soll mit
den Bauarbeiten für die Verlängerung der U5 sowie für den U-Bahnhof Unter
den Linden/Friedrichstraße begonnen werden. Ab Ostern 2012 soll Berlins
berühmteste Kreuzung dann für ein Jahr gesperrt werden. Für die
Geschäftsleute bedeutet das Umsatzeinbußen und für die Berliner eine
Megabaustelle in der Innenstadt.
Unter den Baggern statt Unter den Linden? Der Andrang war groß beim
Jahresempfang der IG Friedrichstraße im Hilton am Dienstagabend. Gekommen
waren Vertreter des Nobelhotels Westin Grand, das unter den Bauarbeiten am
stärksten zu leiden hat, der Galeries Lafayette, denen es nicht passt, dass
mit der Schließung des U-Bahnhofs Französische Straße ein unmittelbarer
U-Bahn-Zugang entfällt, sowie Nils Busch-Petersen, der umtriebige Vertreter
des Handelsverbandes Berlin-Brandenburg. Petersen befürchtet ein
Baustellenchaos an der Friedrichstraße und sieht die Gefahr, "dass alles
wieder auf Anfang gestellt wird".
Großen Zuspruch der noblen Geschäftswelt aus der Ia-Lage bekommt auch die
grüne Verkehrspolitikerin Claudia Hämmerling. "Ihre Partei", lobt Rainer
Boldt, "war die einzige, die sich immer gegen die Verlängerung der U5
ausgesprochen hat." Unternehmer und Grüne vereint - die Kanzler-U-Bahn
machts möglich. Nur die neue BVG-Chefin Sigrid Nikutta war nicht da.
Bereits vor dem Jahresempfang hat Boldt den Stand der Dinge erläutert. "Im
Namen der Anrainer haben wir 21 Einwände eingereicht", sagt er und verweist
auf die laufenden Verfahren beim Bundesverwaltungsgericht in Leipzig. Laut
Boldt hat man dort bereits festgestellt, dass die Anliegerbelange zu wenig
berücksichtigt worden seien. Der Streit geht vor allem um Entschädigungen
für Umsatzeinbußen.
"Da müssen die Umsätze der letzten Jahre mit denen der kommenden verglichen
werden", fordert Boldt, der aus seiner Abneigung gegen die U5 kein Hehl
macht: "Da bekommt nun jeder Hönower seine U-Bahn zum Hauptbahnhof." Eine
Wertsteigerung für die Anlieger sieht er nicht. "Die Gäste der teuren
Hotels kommen nicht mit der U-Bahn, sondern mit dem Taxi."
Weniger um die Umsätze der Unternehmer als um die Verkehrsführung sorgt
sich Claudia Hämmerling. In einer Anfrage hat sie den Senat nach dem
Verkehrskonzept gefragt. "Eine Antwort gab es nicht. Offenbar gibt es kein
Verkehrskonzept", so Hämmerling. Tatsächlich sind bislang nur erste
Überlegungen bekannt, wie Autos und Busse um den für den Nord-Süd-Verkehr
gesperrten Boulevard Unter den Linden herumgeführt werden sollen.
Vorgesehen ist eine Umleitung über die Glinkastraße und die
Charlottenstraße.
Offenbar ist auch der Verkehrssenatorin nicht ganz wohl beim Gedanken an
das Thema Dauerstau. Vor allem nicht, wenn sie noch eine weitere
Legislaturperiode im Amt bleiben will. Junge-Reyer will deshalb im Senat
noch einmal mit Innensenator Ehrhart Körting (SPD) sprechen. Er war es, der
dem Druck des damaligen britischen Botschafters nachgegeben hatte, die
Wilhelmstraße vor dem Gebäude der britischen Vertretung zu sperren. Damit
setzte sich der Innensenator gegen Junge-Reyer und den Regierenden
Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) durch.
Für Junge-Reyer wäre die Wilhelmstraße als Nord-Süd-Verbindung die bei
Weitem bessere Alternative als Glinka- und Charlottenstraße. Wenn die
Wilhelmstraße nicht geöffnet werde, so die Senatorin, "kann ich nicht
ausschließen, dass die Nord-Süd-Verbindung für den individuellen
Autoverkehr gesperrt wird. Busse haben Vorrang."
Das Problem bei der ganzen Sache: Die BVG als Bauherr kommt nicht in die
Gänge. Nicht nur mit Entschädigungsregelungen und Verkehrskonzept lassen
die Planer der landeseigenen Gesellschaft auf sich warten, sondern auch mit
dem Baustellenmanagement. Dabei ist Eile geboten, weiß auch die
Verkehrssenatorin: "Der Planfeststellungsbeschluss ist noch nicht unter
Dach und Fach."
Eine gute Nachricht hat die Senatorin beim Jahresempfang der
Friedrichstraße aber parat: "Die Sanierung der U2 unter dem Leipziger Platz
kann bei laufendem Betrieb erfolgen." Wäre dies nicht der Fall gewesen,
wäre mit der U6 nicht nur die Nord-Süd-Strecke gesperrt gewesen, sondern
auch eine wichtige Ost-West-Verbindung.
Einig sind sich alle Beteiligten, dass aus der Baustelle in der
Friedrichstraße wie zuvor schon am Potsdamer Platz auch eine "Schaustelle"
werden soll. "Wir sind da finanziell schon in Vorleistung gegangen" sagt
IG-Friedrichstraße-Chef Boldt. Er hofft nun, dass auch die BVG und der
Senat mitziehen. Einen namhaften Künstler hat Boldt schon im Boot. Andrej
Hermlin hat mit seiner Jazzband eine CD mit Swing aus den zwanziger Jahren
aufgenommen. "Damit sind wir wohl die einzige Straße der Welt, die mit
einer solchen Musik für sich werben kann", freut sich Rainer Boldt.
2 Mar 2011
## AUTOREN
Uwe Rada
Uwe Rada
## TAGS
Autoverkehr
Friedrichstraße
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