Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Unionskrach wegen Guttenberg: Seehofer wittert Hochverrat
> Die CDU-Politiker Schavan und Lammert sind Guttenberg in den Rücken
> gefallen, poltert CSU-Chef Horst Seehofer. Und lobt den Exminister, den
> er einst verspottete.
Bild: Horst Seehofer ist sich sicher: Es waren CDUler, die den Kopf von Guttenb…
In der Union geht die Verarbeitung der Guttenberg-Affäre in die nächste
Runde. Nach den Beschimpfungen der Opposition, die Angela Merkel im
Wahlkampf in Baden-Württemberg intoniert hatte, kracht es jetzt zwischen
CSU und CDU.
CSU-Chef Horst Seehofer griff Bundestagspräsident Norbert Lammert und
Bildungsministerin Annette Schavan, beide CDU, scharf an. Beide seien
Guttenberg "öffentlich in den Rücken" gefallen. "Das war nicht
solidarisch", sagte Seehofer der Bild-Zeitung.
Lammert soll die Plagiatsaffäre und deren Bagatellisierung durch die
Regierung als "Sargnagel" für das Vertrauen in die Demokratie bezeichnet
haben. Bildungsministerin Annette Schavan hatte in einem Interview gesagt,
dass Guttenbergs Fake-Dissertation keine Lappalie sei und sie sich als
Wissenschaftlerin dafür "nicht nur heimlich" schäme. Seehofer will über den
Verrat von Schavan und Lammert nun mit Kanzlerin Angela Merkel reden. "Das
ist eine Sache zwischen der CDU-Vorsitzenden und mir."
In der CSU versichert man, dass dies keiner der berüchtigten Alleingänge
des CSU-Chefs ist. "Das sehen hier alle so", sagte ein CSU-Mann. Offenbar
wird in der CSU ein Schuldiger für den Abgang des früheren Hoffnungsträgers
gesucht. Bemerkenswert ist, dass Seehofer Kanzlerin Merkel von seinem
Vorwurf ausnimmt. Viele hatten die demonstrativen Solidaritätsbekundungen
von Angela Merkel für Guttenberg auch für parteiinterne Taktik gehalten.
Merkel wollte, auch um den Preis der moralischen Blamage, auf jeden Fall
den Verdacht vermeiden, den populären Minister fallen zu lassen.
Aus Regierungskreisen war zu hören, dass Schavans Interview nicht mit
Kanzlerin Merkel abgestimmt war - und Schavan schon gar nicht in Merkels
Auftrag gehandelt habe. Das passt in dieses Bild. Auch Bayerns
Umweltminister Markus Söder (CSU) nahm Merkel von der Kritik aus. Sie habe
sich "glaubwürdig und honorig" verhalten.
Annette Schavan wollte sich zu den Angriffen von Seehofer auf taz-Anfrage
nicht äußern. In CDU-Kreisen versucht man den Zwist kleinzureden. Offenbar
müsse der CSU-Chef Signale in die eigenen Reihen senden und suche ein
Ventil für die Enttäuschung über den Rücktritt. Schavan habe im Übrigen
nicht Guttenbergs Rücktritt gefordert, aber als Bildungsministerin die
Pflicht gehabt, auf die Empörung der Wissenschaft zu reagieren.
In CDU-Kreisen verweist man zudem mokant auf ein Interview des früheren
bayerischen Ministerpräsidenten Günther Beckstein. Der hatte vor
Guttenbergs Rücktritt erklärt, dass die "Affäre der CSU schadet". Auch der
frühere CSU-Generalsekretär Thomas Goppel hatte kurz vor dem Aus für
Guttenberg gesagt, dass "Guttenberg wissen muss, was er uns zumuten kann".
In Schavans Umfeld fragt man, warum die CSU nun die Bildungsministerin als
Verräterin brandmarke, Beckstein aber nicht.
Selbstkritische Stimmen, die fragen, warum es nicht mehr Politiker in den
eigenen Reihen gab, die wie Lammert und Schavan zaghaft aus der Front der
bedingungslosen Guttenberg-Verteidiger ausgebrochen sind, gab es in den
Reihen der Union nicht.
CSU-Chef Seehofer, der sich früher gerne spöttisch über Guttenbergs
Heldenrolle geäußert hatte, lobte den Exminister am Donnerstag in den
Himmel. Guttenberg, so Seehofer vor erstaunten Journalisten in Berlin,
"gehört fraglos zu den genialsten Köpfen, die wir je hatten".
Etwas Genie wird Guttenberg brauchen können. Bei der Kommission der
Universität Bayreuth zur "Selbstkontrolle in der Wissenschaft" scheint
alles darauf hinauszulaufen, Guttenberg Täuschungsabsicht zu attestieren.
Seinen Bericht will das Gremium in zwei Wochen veröffentlichen. Wenn
Bayreuth dem Exminister Täuschungsabsicht bescheinigt, rückt auch der
Gerichtstermin näher. In Hof hat die Staatsanwaltschaft Ermittlungen
aufgenommen. Auch in Berlin sind Anzeigen gegen den Exminister eingegangen,
etwa wegen Verletzung des Urheberrechts.
3 Mar 2011
## AUTOREN
Stefan Reinecke
## ARTIKEL ZUM THEMA
Guttenbergs Rede aus der Zukunft: "Die Selbstreflexion war schmerzlich"
Exklusiv in der taz: Karl-Theodor zu Guttenberg hält eine Rede aus der
Zukunft. Über das Tusculum seiner eigenen Seelennot und die Schule der
Menschlichkeit.
Kommentar Rücktritt Guttenbergs: Unterwegs Richtung Abgrund
Die Union könnte jetzt einfach zugeben, dass sie einem Betrüger aufgesessen
ist. Ist ja keine Schande. Aber es gibt immer Unbelehrbare, wie Horst
Seehofer.
Guttenberg wird Privatmensch: Bundestag ohne Baron
Guttenberg ist vom Bundespräsidenten als Verteidigungsminister entlassen
worden und wird nun auch kein Abgeordneter mehr sein. Derweil wettert
Seehofer weiter gegen Kritiker.
Rechtliche Konsequenzen für Guttenberg: Erst Rücktritt, dann Strafe?
Abhaken kann Guttenberg die Plagiatsäffäre noch nicht: Juristisch könnte
ihm einiges bevorstehen - egal, ob er sein Mandat behält oder nicht. Die
Staatsanwaltschaft ermittelt.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.