# taz.de -- Intervention in Libyen: Die Welt macht sich bereit | |
> Spezialkräfte gegen C-Waffen, Luftbrücke für Flüchtlinge in Tunesien, | |
> Marines auf Kreta: wie die Welt sich gegen Gaddafi in Stellung bringt. | |
Bild: Die USA bringen schweres Militärgerät über den Suez-Kanal ins Mittelme… | |
BERLIN taz | Es gibt unterschiedliche Wege, militärisch in Libyen | |
einzugreifen. Manche Maßnahmen sind bereits angelaufen, andere sind bisher | |
nur Gedankenspiele. Hier die wichtigsten Szenarien: | |
Flugverbotszone über Teilen Libyens: Dies bedeutet: Der UN-Sicherheitsrat | |
verbietet dem Gaddafi-Regime, im Luftraum über zu definierenden Teilen des | |
libyschen Staatsgebiets zu operieren. Der Präzedenzfall ist die | |
Flugverbotszone über dem nordirakischen Kurdengebiet, die nach dem | |
Golfkrieg von 1991 eingerichtet wurde, damit Saddam Hussein die Kurden | |
nicht aus der Luft angreifen kann. Das zeigt auch ein Problem: Der | |
irakische Diktator war da schon militärisch vom Ausland besiegt, der | |
libysche ist es noch nicht. | |
Das US-Verteidigungsministerium stellt klar, dass die Einrichtung einer | |
Flugverbotszone mit Luftangriffen auf Gaddafis Luftwaffe und Flugabwehr | |
beginnen müsste, um die Hoheit über den libyschen Luftraum zu gewinnen. | |
Danach muss die Zone patrouilliert werden, von Flugzeugträgern im | |
Mittelmeer oder Basen in Malta, Sizilien oder Kreta aus. Das militärische | |
Arsenal dafür müsste erst noch zusammengestellt werden. Ein Konsens darüber | |
in der UN gilt als unwahrscheinlich. Die Arabische Liga ist dafür, China | |
dagegen. Man bereite sich "auf alle Eventualitäten" vor und nehme die | |
Interventionsforderungen libyscher Rebellen "zur Kenntnis", erklärte am | |
Donnerstag Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen. | |
Gezielte Militärschläge gegen Gaddafi: Wenn schon Luftangriffe, warum dann | |
nicht gleich gegen Gaddafi selbst? 1986 flog die US-Luftwaffe schon einmal | |
Luftangriffe auf Tripolis und Bengasi, um in Reaktion auf den | |
Bombenanschlag auf das "La Belle" in Berlin Gaddafi zu töten. Der damalige | |
Angriff wurde von Großbritannien aus direkt geflogen, erforderte also | |
keinen langwierigen vorherigen Aufmarsch. Gaddafi überlebte allerdings. | |
Geheimeinsätze gegen C-Waffen-Bestände: Als erfolgversprechender gilt | |
derzeit eine gezielte Ausschaltung von Teilen des Militärarsenals unter | |
Gaddafis Kontrolle, vor allem die chemischen Waffen. Britische | |
SAS-Spezialkräfte befinden sich bereits in Libyen; sie evakuierten zunächst | |
ausländische Ölarbeiter und sind noch da, möglicherweise zur Vorbereitung | |
einer Operation gegen drei vermutete C-Waffen-Stützpunkte mit rund zehn | |
Tonnen Senfgas und Sarin, berichten britische Medien. | |
Exfiltration westlicher Ausländer: Nicht nur die Briten, sondern auch | |
Deutsche, Italiener und Niederländer haben mit Elitesoldaten die | |
Evakuierung westlicher Ausländer aus entlegenen Gebieten Libyens | |
abgesichert. Andere Länder schickten Kriegsschiffe. Am Donnerstag wurde | |
bekannt, dass sich drei niederländische Marineinfanteristen seit Sonntag in | |
libyscher Gefangenschaft befinden. Manche Flugpisten im Landesinneren sind | |
Privatbesitz von Ölfirmen, andere werden von Rebellen kontrolliert, was | |
diskrete Militäreinsätze erleichtert. Private Sicherheitsfirmen sind | |
ebenfalls im Einsatz und haben Evakuierungen nach Ägypten geschützt. Die | |
EU-Kommission erklärt, sie stehe im Kontakt mit Sicherheitsfirmen zum | |
Schutz humanitärer Hilfe. Diese soll aus Ägypten auf dem Landweg ins | |
ostlibysche Rebellengebiet gebracht werden. Vorherige Versuche Frankreichs, | |
mit Flugzeugen Hilfe nach Bengasi zu bringen, wurden von den Rebellen | |
abgelehnt. | |
Humanitäre Evakuierung von Flüchtlingen: Die militärische Komponente eines | |
Hilfseinsatzes zugunsten der mindestens 180.000 Libyen-Flüchtlinge in | |
Tunesien sowie für die Bevölkerung des ostlibyschen Rebellengebiets ist die | |
derzeit sichtbarste Aktivität westlicher Streitkräfte rund um Libyen. Das | |
UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR rief am Dienstag zu einer "massiven | |
humanitären Evakuierung von Zehntausenden Ägyptern und Bürgern anderer | |
Staaten, die aus Libyen geflohen sind", auf. | |
Deutschland, Großbritannien, Frankreich und andere Länder kündigten am | |
Donnerstag an, mit ihrer Marine oder anderen Teilen ihrer Streitkräfte an | |
einer solchen Luftbrücke aus dem tunesischen Djerba nach Ägypten sowie | |
Evakuierungen auf dem Seeweg mitzumachen. All dies wird voraussichtlich | |
frühestens am Wochenende richtig anlaufen. | |
Multifunktionale Drohgebärden im Mittelmeer: Um Beschlüsse zum Eingreifen | |
umsetzen zu können, so sie einmal fallen sollten, bringen die USA Militär | |
in Stellung. So sind ein Zerstörer, ein Landeschiff und ein | |
Hubschrauberträger über den Suez-Kanal ins Mittelmeer gefahren. Sie sollen | |
bis zum Wochenende mit 400 Marines bestückt werden, die am Mittwoch auf | |
Kreta landeten. Dann stünden 800 US-Marines mit Kampfhubschraubern zur | |
Verfügung, wird berichtet. Wofür, ist offen. Großbritannien und Frankreich | |
haben je zwei Kriegsschiffe vor Libyens Küsten im Einsatz. Es gäbe auch | |
noch einen US-Flugzeugträger im Roten Meer und einen französischen | |
Flugzeugträger vor Toulon. Sie in Bewegung zu setzen, wäre ein deutliches | |
politisches Signal. | |
3 Mar 2011 | |
## AUTOREN | |
Dominic Johnson | |
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