# taz.de -- Kastanienallee wird umgebaut: Politik gibt Bürgern keine Stimme | |
> Der Umbau der Kastanienallee kann beginnen. Eine von Bürgerinitiativen | |
> geforderte Anwohnerbefragung wird vom Bezirksparlament rundweg abgelehnt. | |
Bild: Wird jetzt bestimmt nicht leiser: Protest in der Kastanienallee. | |
Die Bezirksverordnetenversammlung beginnt mit einer Einwohnerfragestunde. | |
Ein Bürger kritisiert, dass es in Blankenfelde-Süd keinen Briefkasten gebe. | |
Er will wissen, ob sich das Bezirksamt Pankow dafür einsetzen könne. Der | |
zuständige Stadtrat hat gute Nachrichten. Er habe bereits bei der Post | |
nachgefragt. Die Anregung werde aufgenommen. Blankenfelde-Süd bekommt einen | |
Postkasten. So funktioniert Bürgerbeteiligung in Pankow. Bei Briefkästen. | |
Bei größeren Themen wie dem umstritten Umbau der Kastanienallee aber läuft | |
es alles andere als reibungslos. Und deshalb wird es am Mittwochabend noch | |
richtig laut im Saal der BVV. | |
Im Publikumsraum sitzen Vertreter der Bürgerinitiativen "Stoppt K21" und | |
"Nur zu - Pankow!", die gegen die geplante Umstrukturierung der viel | |
genutzten Flaniermeile in Prenzlauer Berg protestieren. Seit Monaten | |
streiten sie sich mit Ordnungsstadtrat Jens-Holger Kirchner (Grüne). Der | |
Stadtrat beharrt darauf, dass es eine umfassenden Bürgerbeteiligung gab. Er | |
will nun seine Pläne umsetzen. Die Bürger bemängeln, dass Kirchner trotz | |
aller Diskussionen die Pläne nicht geändert hat. | |
"Die altbekannten Bürgerbeteiligungsshows führen nicht weiter", sagt Frank | |
Möller von "Nur zu - Pankow!". Als Ausweg fordern die BIs eine | |
Anwohnerbefragung, die die Mehrheiten vor Ort feststellen soll. Wie die | |
ablaufen und wer sich beteiligen soll, lassen sie offen. "Aber mit gutem | |
Willen kann man sich einigen", erklärt Till Harter von der BI "Stoppt K21". | |
Und noch etwas ist den Kritikern wichtig: Friedenspflicht bis zum Ende der | |
Abstimmung. "Die Bagger dürfen nicht rollen", betont Harter. | |
Möller und Harter dürfen ganz offiziell reden in der | |
Bezirksverordnetenversammlung - auf Vorschlag der Grünen und der CDU. Die | |
Grünen haben sogar die Anträge der beiden Initiativen eingebracht, damit | |
das Parlament darüber abstimmen kann. Inhaltlich unterstützten sie das | |
Anliegen jedoch nicht. Im Gegenteil: Sie haben gleich noch einen | |
Änderungsantrag vorgelegt. Darin heißt es, dass weiterhin "Bedarf nach | |
öffentlicher Debatte" bestehe, obwohl die vorgelegte Planung ausgewogen | |
sei. Es solle eine weitere öffentliche Erörterung mit Anwohnern und | |
Experten geben, mit Live-Übertragung im Internet und am besten auch im | |
Fernsehen. Aber ohne Abstimmung der Anwohner. Und von einem Baustopp ist | |
auch keine Rede. | |
"Wir haben bei der Bürgerbeteiligung sicher nicht alles richtig gemacht", | |
gibt Stefanie Remlinger, Chefin der Grünen-Fraktion, zu. "Aber eine | |
Anwohnerbefragung wird in unserer Fraktion in hohem Maße skeptisch | |
gesehen." Offenbar sind intern die Fetzen geflogen. Bei der Diskussion um | |
die Kastanienallee habe sie schon mehrere "Tage des Zorns" erlebt, sagt | |
Remlinger, "zuletzt bei unserer Fraktionssitzung am Montag". | |
Der nächste Zorn folgt sofort. "So kann man mit den Bürgern nicht umgehen", | |
schimpft CDU-Fraktionschef Johannes Kraft. Die Grünen hätten die Anträge | |
der Initiativen nicht einbringen dürfen, weil ein Baustopp längst unmöglich | |
sei. SPD-Fraktionschefin Sabine Röhrbein will von weiterer | |
Bürgerbeteiligung nichts wissen: "Jetzt ist die Debatte in der BVV. Und | |
hier gehört sie hin." Auch die Linkspartei lehnt die Bürgeranträge ab. Eine | |
Anwohnerbefragung sei "aus demokratiepraktischen Gründen" abzulehen, | |
erklärt Wolfram Kempe (Linke). Denn dabei käme die Sicht von Radfahrern | |
oder Tram-Passagieren zu kurz. Als seine Argumentation aus dem Publikum als | |
"Scheiß" bezeichnet wird, ruft Kempe trocken: "Das ist der Unterschied. Ich | |
hab ein Mandat und du nicht!" | |
"Schämt euch! Wen vertretet ihr eigentlich?", ruft ein Mann im Publikum. | |
Die Vertreter der BIs verlassen enttäuscht den Saal. "Diese Form von | |
Politik ist nicht mehr tragbar", sagt Matthias Aberle von "Stoppt K21". | |
"Das wird denen auf die Füße fallen." | |
Bei der Abstimmung gibt es viele Enthaltungen, aber keine einzige Ja-Stimme | |
für die Anträge der Bürgerinitiativen. Stadtrat Kirchner kündigt an, dass | |
der Umbau beginnen werde, sobald es das Wetter zulässt. | |
3 Mar 2011 | |
## AUTOREN | |
Gereon Asmuth | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Direkte Demokratie: Kastanienallee unterschriftsreif | |
Das Bürgerbegehren gegen den Umbau der Flaniermeile ist zulässig. Die | |
Initiative braucht 8.700 Unterschriften, um einen Entscheid zu erreichen. | |
Demo gegen Umbau Kastanienallee: K21-Gegner bleiben lieber zuhause | |
Der Umbau der Kastanienallee in Prenzlauer Berg hat trotz aller Proteste | |
begonnen. Die Beteiligung der Gegner an der ersten "Großdemonstration" ist | |
dennoch eher mäßig. | |
Bürgerbegehren zur Kastanienallee startet: Anwohner wollen das letzte Wort hab… | |
Ein Bürgerbegehren soll den umstrittenen Umbau der Kastanienallee stoppen. | |
Unterschriftenlisten liegen ab Mittwoch aus. Das zugesagte Tempolimit für | |
die Straße ist weiter unsicher. Umbau auch in Mitte angedacht. | |
Bürgerbeteiligung in Berlin: Mal von Partizipation geredet | |
Stadtentwicklungssenatorin Ingeborg Junge-Reyer (SPD) spricht auf einer | |
Tagung zu Bürgerpartizipation in Berlin. Warum, bleibt offen. Denn Visionen | |
lässt sie vermissen. | |
Pro & Contra Bürgerbefragung: Streitpunkt direkte Demokratie | |
Muss Politik durch Bürgerbefragungen entstaubt werden? Oder setzt sich dann | |
nur der Einzelwille weniger Lobbyisten durch? | |
Konflikt diese Woche in der BVV: Kastanienallee vor der Entscheidung | |
BVV Pankow berät über Anwohnerbefragung. Bürgerinitiativen fordern | |
Baustopp. Grüne schwanken zwischen Bürgerbeteiligung und der Unterstützung | |
ihres Stadtrats. |