# taz.de -- Demo gegen Umbau Kastanienallee: K21-Gegner bleiben lieber zuhause | |
> Der Umbau der Kastanienallee in Prenzlauer Berg hat trotz aller Proteste | |
> begonnen. Die Beteiligung der Gegner an der ersten "Großdemonstration" | |
> ist dennoch eher mäßig. | |
Bild: Verhaltener Protest: Gerade mal 70 Leute demonstrierten an der Kastaniena… | |
Entweder ist Dr. Motte derzeit mit dem Skateboard unterwegs, oder er hat | |
ernsthaft Sorge, dass bei dieser Demo mit Pflastersteinen geworfen wird. | |
Anders kann man es sich nicht erklären, warum der Loveparade-Gründer mit | |
einem Helm auf dem Kopf an der Kastanienallee Ecke Oderberger Straße für | |
Fotografen posiert, die über die Demo gegen den Umbau der Szenemeile in | |
Prenzlauer Berg berichten. | |
Der Streit zwischen der Bürgerinitiative "Stoppt K21" und dem Pankower | |
Bezirksamt um die Baumaßnahmen schwelt seit Monaten. Seit einer Woche wird | |
nun am nördlichen Ende der Straße gebaggert - ohne, dass beide Seiten sich | |
ernsthaft nähergekommen wären und bevor die geplante Unterschriftensammlung | |
für ein Bürgerbegehren gegen den Umbau begonnen hat. Dazu kam Mitte | |
vergangener Woche die Meldung, dass der Senat nach dem Umbau auf der | |
Kastanienallee Tempo 50 statt des von Bezirk und Initiative geforderten | |
Tempos 30 einführen will. Gute Voraussetzungen, damit die erste groß | |
angekündigte Demo gegen das Projekt regen Zulauf findet. Doch der Kreis der | |
Protestierer ist mit etwa 70 Menschen übersichtlich. | |
Auf Dr. Mottes Helm klebt vorne ein Sticker, der für die Unterstützung des | |
Tacheles wirbt, hinten ein Sticker gegen Atomkraft, und selbst hält der | |
Techno-DJ - und Anwohner - einen weißen DIN-A4-Zettel in der Hand, auf den | |
jemand "Baustop Kastanienallee" gedruckt hat. Als alternative Motive sind | |
"Volksentcheid Kastanienallee" und "Reclaim Democracy" im Umlauf - offenbar | |
haben die Aktivisten von K21 auf die Schnelle und ohne Rechtschreibprüfung | |
ein paar Mini-Plakate zusammengestellt und verteilt. Transparente, Banner | |
oder gar kreative Verkleidungen sind nicht zu sehen - von Dr. Motte einmal | |
abgesehen. Dessen Versuch, einen Sprechchor mit "Mehr Demokratie wagen" zu | |
initiieren, läuft völlig ins Leere. Die Leute wollen sich lieber | |
unterhalten, auch über ihre unterschiedlichen Wünsche zur Gestaltung der | |
Straße. | |
"Ich finde, Berlin sollte sein Gesicht an solchen Stellen bewahren, wo es | |
sich in so guter Weise manifestiert hat wie hier in der Kastanienallee", | |
sagt Max, der seit 20 Jahren in der Straße wohnt und lieber ohne Nachnamen | |
in der Zeitung stehen möchte. Der Bürgersteig müsse in voller Breite | |
erhalten, dürfe aber ruhig saniert werden. "Ich sehe ja, wie schwer es die | |
Damen mit ihren hohen Hacken hier haben." | |
Joachim, ebenfalls Anwohner, hat ein ganz anderes Problem ausgemacht: "Die | |
größte Gefahrenquelle ist doch die Tram." Manchmal brettere die hier mit 70 | |
Sachen durch, das sei für alle anderen Verkehrsteilnehmer eine Zumutung. | |
"Wichtig ist mir, dass auf der Straße Tempo 30 gilt. Falls der Senat das | |
nicht hinbekommt, werde ich gerne zur menschlichen Bremse und fahre mit dem | |
Rad im Schritttempo vor den Bahnen her", sagt er. Und tritt dann | |
selbstverständlich zurück auf den Bürgersteig, als ihn der eine Polizist, | |
der zur Beaufsichtigung der Demo abgestellt wurde, darum bittet: "Sonst | |
wird der Straßenverkehr behindert." | |
Zwei Frauen um die vierzig sind ins Gespräch gekommen. "Ich bin für einen | |
Radweg, das ist mir hier sonst echt zu gefährlich", sagt die eine. "Aber | |
so, wie diese Straße funktioniert, wird der nur zum Parken in zweiter Reihe | |
missbraucht", meint die andere. "Ich bin eh für die Einführung des | |
autofreien Sonntags", sagt die eine, und schon stecken sie in einer | |
Diskussion um die Vor- und Nachteile des verkaufsoffenen Sonntags. | |
Dann ergreift Matthias Aberle von "Stoppt K21" das Wort. "Auch wenn die | |
Bauarbeiten begonnen haben und der Senat sich gegen Tempo 30 ausgesprochen | |
hat, kämpfen wir weiter", sagt er. Von nun an solle es jeden Samstag eine | |
Demo geben, in der nächsten Woche vielleicht auch schon mit Megafon und | |
Musik. "Nur, wenn wir immer mehr werden, haben wir die Aussicht, den | |
unsäglichen Umbau aufzuhalten." | |
Zum Abschluss ziehen alle wohl geordnet auf dem Bürgersteig die 200 Meter | |
von der Ecke Oderberger Straße bis zur Baustelle. Dort begutachten sie, wie | |
auf etwa 100 Meter Länge an einer Straßenseite rechts und links der | |
Bordsteinkante gut ein Meter Asphalt aufgerissen wurde. | |
17 Apr 2011 | |
## AUTOREN | |
Juliane Wiedemeyer | |
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