| # taz.de -- Uni-Präsident Lenzen über die Zukunft: "Exzellenz ist nicht alles" | |
| > Wettbewerbe beleuchten nur einen Teil der Wissenschaft, sagt | |
| > Uni-Präsident Dieter Lenzen. Sein Zukunftskonzept stellte Fragen nach | |
| > Bedingungen - und fiel durch | |
| Bild: Hatte einen besonderen Ansatz: Uni-Präsident Dieter Lenzen. | |
| taz: Herr Lenzen, Ihr Zukunftskonzept für eine nachhaltige Universität ist | |
| beim Exzellenzwettbewerb durchgefallen. Waren Ihre Ideen nicht gut? | |
| Dieter Lenzen: Das ist nicht der Grund. Eine Uni kann beim Wettbewerb nur | |
| dann ein Zukunftskonzept einreichen, wenn sie auch mindestens eine | |
| Graduiertenschule und ein Forschungs-Cluster hat. Da aber alle unsere | |
| Graduiertenschulen abgelehnt wurden, entfällt damit auch das | |
| Zukunftskonzept. | |
| Was hatten Sie sich genau überlegt? | |
| Was diese Universität charakterisiert. Viele Wissenschaftler haben sich | |
| hier über einen langen Zeitraum mit Nachhaltigkeit beschäftigt. Nicht nur | |
| im Sinne von Klimafolgenforschung: Auch ein Friedensforschungsinstitut | |
| fällt darunter, wenn man Nachhaltigkeit als "Zukunft offen halten" | |
| definiert. Dann haben wir über über Nachhaltigkeit von Forschungsmethoden | |
| nachgedacht. Angefangen von einfachen Fragen wie Ressourcen-Verbrauch bei | |
| Experimenten bis hin zu der Frage: Determinieren wir nicht Zukünfte durch | |
| die Art unserer Forschungslogik? Dazu als dritte Dimension die | |
| Nachhaltigkeit der Lehre: Durch die Bologna-Reform hat sich ein Typus von | |
| Lehre etabliert, der sich sehr stark an Prüfungsmöglichkeiten orientiert. | |
| Das ist kein nachhaltiges Lernen für gesellschaftliches Leben. Die vierte | |
| Dimension: Muss nicht auch die Art und Weise, wie eine Organisation sich | |
| selbst reproduziert, nachhaltig sein? Inwiefern geht die Möglichkeit | |
| verloren, nachhaltige Wissenschaft zu machen, wenn wir falsch führen? | |
| Durch autoritäre Strukturen. | |
| Zum Beispiel. Wenn ein großer Teil der Wissenschaftler sich mental | |
| verabschiedet und sagt: Hier komme ich eh nicht vor. | |
| Gab es bei den konkurrierenden Unis Ähnliches? | |
| Definitiv nicht. Ich kenne die Konzepte nicht im Einzelnen, aber das was | |
| die Mitbewerber darüber veröffentlicht haben, zeigt: Wir hatten einen | |
| besonderen Ansatz. | |
| 2007, als Präsident der FU Berlin, waren Sie unter den Gewinnern. Wie | |
| fühlen Sie sich nun? | |
| Exzellent, will ich mal spaßig sagen. Dieser Wettbewerb ist nicht alles. In | |
| Berlin war er wichtig, um die drohende Schließung der FU abzuwenden. In | |
| Hamburg ist es eine völlig andere Situation. Hier muss man fragen: Versteht | |
| die Stadt, dass dieses die Hälfte ihrer Zukunft ist? Die eine Hälfte mögen | |
| der Hafen und die Industrie sein, aber die Uni ist die andere. | |
| Was sagt der Wettbewerb über Qualität einer Hochschule aus? | |
| Nichts über die Gesamtqualität. Das wird leicht missverstanden in der | |
| Öffentlichkeit. Es sagt etwas über die Fähigkeit, Beutegemeinschaften | |
| herzustellen. | |
| Beutegemeinschaften? | |
| Gruppen, die sich quer durch die Fächer unter einem Thema zusammentun und | |
| sagen: Wir beantragen ein Objekt zu beforschen, was man gar nicht nur aus | |
| einer Disziplin heraus tun kann. Das ist nicht zu beanstanden - aber nur | |
| ein Ansatz für Wissenschaft. Der "einsame Denker" in den | |
| Geisteswissenschaften kann und muss so eine Gemeinschaft nicht unbedingt | |
| bilden für seine Arbeit. Damit rückt der Exzellenzwettbewerb einen gewissen | |
| Teil der Wissenschaft in den Vordergrund und fasst den anderen nicht ins | |
| Auge. | |
| Gewinnen nicht ohnehin nur bereits erfolgreiche Unis? | |
| Nein. Aber wenn eine Uni mit einem Zukunftskonzept gewinnt, heißt es: Das | |
| ist der Beweis, das ist die Beste. Das greift zu kurz. Es ist zunächst nur | |
| eine tolle Idee für eine Zukunftsentwicklung einer Uni, allerdings auf | |
| einer guten Grundlage. Umgekehrt reicht diese Grundlage nicht, um | |
| automatisch eine Perspektive für die eigene Entwicklung zu haben. Genau das | |
| hatten wir ja mit dem Nachhaltigkeitskonzept versucht. Wir wollen weit über | |
| das hinaus, was üblicherweise diskutiert wird. In den | |
| Wettbewerbs-Bedingungen steht, es soll der Spitzenforschung nützen. Ich | |
| sage, für die ist es nur nützlich, wenn die Bedingungen von Wissenschaft | |
| nachhaltig sind. | |
| Wieso ist Hamburg bei der Finanzierung Schlusslicht? | |
| Die Deutsche Forschungsgesellschaft hat die Finanzierung von 2007 und davor | |
| betrachtet und festgestellt, dass keine Absicht erkennbar war bei der | |
| Politik, aus der Stadt einen Wissenschaftsstandort zu machen. Hinzu kommt, | |
| dass der Anteil, den das Wissenschaftsbudget hat, der kleinste von allen | |
| Bundesländern ist. Selbst im ärmeren Bremen und Berlin legt man mehr Wert | |
| darauf. | |
| Wie viel Geld brauchen Sie, um besser aufgestellt zu sein? | |
| Berücksichtigt man alles, was seit 2000 gekürzt wurde, und den Abstand, den | |
| Hamburg zum Durchschnitt der anderen Länder im Wissenschaftsetat hat, dann | |
| muss man bereits 50 Millionen Euro oben drauf tun. Jetzt kommt neu die | |
| Androhung dazu, die Wissenschaftsstiftung aufzulösen. Das sind 15 Millionen | |
| Euro im Jahr. Wenn dann die Studiengebühren auch nicht kompensiert würden, | |
| fehlten schon an die 90 bis 100 Millionen. Die neue Regierung muss | |
| entscheiden, ob sie sagt: Ja, wir machen einen großen Schritt nach vorn. | |
| Sehen Sie dafür Spielraum im Haushalt? | |
| Experten sagen, aus jedem Euro in der Wissenschaft kommen in zehn Jahren | |
| als "Return on Investment" fünf neue raus. Das scheint nicht jeder zu | |
| wissen. | |
| 4 Mar 2011 | |
| ## AUTOREN | |
| Kaija Kutter | |
| Kaija Kutter | |
| ## TAGS | |
| Universität Hamburg | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Hauke Heekeren über die Uni Hamburg: „Eine Uni der Nachhaltigkeit“ | |
| Hauke Heekeren ist seit einem Jahr Präsident der Uni Hamburg. Ein Gespräch | |
| über Leben mit Exzellenzstatus, studentische Hilfskräfte und Studienerfolg. | |
| Zweite nationale Bolognakonferenz: Master wird Chefsache | |
| Bildungsministerin Schavan (CDU) kündigt zusätzliche Masterstudienplätze | |
| an. Studierende fordern indes ein gemeinsames Bundeszulassungsgesetz. | |
| Umfrage unter Studenten: Gestresst, aber glücklich | |
| Der neue "Studierendensurvey" liefert Einblicke in deutsche Hochschulen. | |
| Überfordert fühlen sich noch immer viele Studenten - doch ist bei weitem | |
| nicht alles schlecht. |